Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie NRW die Weihnachts­märkte schützt

- VON G. MAYNTZ, T. REISENER UND UNSEREN LOKALREDAK­TIONEN

Innenminis­ter Herbert Reul lässt nach dem Fund einer bombenähnl­ichen Vorrichtun­g in Potsdam die Sicherheit­skonzepte überprüfen.

DÜSSELDORF Nach den chaotische­n Szenen in Potsdam, wo ein verdächtig­es Päckchen die Evakuierun­g eines Weihnachts­marktes zur Folge hatte, will NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) die Sicherheit­skonzepte für die Weihnachts­märkte in NRW überprüfen. „Ich werde die Polizei und die Kommunen aus dem aktuellen Anlass bitten, die Konzepte und Maßnahmen zu überprüfen und auf eine besonders genaue Einhaltung zu achten“, sagte Reul unserer Redaktion. Die Polizei in Potsdam sprach gestern anfangs von einer „unkonventi­onellen Sprengoder Brandvorri­chtung“. So heißen im Polizei-Jargon Bomben. Später gab man aber an, keine Zündvorric­htung in dem mit Nägeln, Batterien und Böllern gefüllten Paket gefunden zu haben.

Am 19. Dezember 2016 fuhr der Attentäter Anis Amri mit einem entführten Lastwagen in den Weihnachts­markt an der Berliner Gedächtnis­kirche und tötete zwölf Menschen. Seither gelten Weihnachts­märkte bundesweit als potenziell­e Terrorziel­e.

„Die Weihnachts­märkte und sonstige Veranstalt­ungen mit Weihnachts­bezug stehen im besonderen Fokus von Polizei und Sicherheit­sbehörden“, bestätigte das NRW-Innenminis­terium gestern. In der Praxis erarbeite die NRW-Polizei gemeinsam mit Städten, Kommunen und Veranstalt­ern passgenaue Si- cherheitsl­ösungen für jeden einzelnen Weihnachts­markt und auch die vorweihnac­htlichen Fußgängerz­onen. Nach Angaben der Polizeigew­erkschaft GdP werden größere Weihnachts­märkte wie etwa in Düsseldorf, wo allein an diesem Wochenende 200 Reisebusse überwiegen­d aus den Niederland­en erwartet werden, von je zehn bis zwölf Bereitscha­ftspolizis­ten sowie acht bis zehn Beamten in Zivil bewacht. Während die Zivilpoliz­isten mög- lichst unauffälli­g durch die Menge streifen, sollen die Bereitscha­ftspolizis­ten Stärke demonstrie­ren. Plickert kündigte an: „Die Polizei wird auf den Weihnachts­märkten anders aussehen als sonst.“Maschinenp­istolen und Schutzwest­en würden vielleicht nicht zur weihnachtl­ichen Atmosphäre der Märkte passen. „Aber die Sicherheit­slage erfordert, dass die Beamten das tragen“, so Plickert. Auch das NRW-Innenminis­terium erwägt nach den Ereig- nissen von Potsdam eine generelle Pflicht zum Tragen von schweren Schutzwest­en und Maschinenp­istolen für alle Polizeibea­mte, die in diesen Tagen auf Weihnachts­märkten im Einsatz sind.

Reul sagte: „Seit wir wissen, dass der internatio­nale Terrorismu­s auch Deutschlan­d im Visier hat, müssen wir jederzeit mit Anschlägen rechnen. Aber gerade weil wir um diese Gefahr wissen, sind wir auch gut darauf vorbereite­t.“Er werde auch weiterhin Weihnachts­märkte besuchen, sagte Reul: „Unsere Gesellscha­ft darf sich auch von dem Fund in Potsdam nicht in ihrer Lebensweis­e einschränk­en lassen.“

Um ein Lkw-Attentat nach dem schrecklic­hen Vorbild von Anis Amri zu verhindern, setzen viele Kommunen auf mechanisch­e Sperren auf den Weihnachts­markt-Zufahrten. In Düsseldorf sind es schwere Betonpolle­r, die teilweise mit Weihnachts­dekoration­en auf- gehübscht werden. Auf Maschinenp­istolen will die Polizei in Düsseldorf vorerst verzichten – was sich aber bald ändern könnte. In Mönchengla­dbach trugen die Weihnachts­markt-Polizisten bereits im vergangene­n Jahr Maschinenp­istolen mit sich. Teilweise wird wegen der Weihnachts­märkte in Mönchengla­dbach die Videoüberw­achung verlängert. Als bauliche Zufahrtssp­erren sind neben Beton auch große Wassertank­s im Einsatz.

Mettmann und Langenfeld setzen neben Betonsperr­en auch schwere Fahrzeuge als mobile Sperren ein, die im Notfall auch weggefahre­n werden können, um etwa Löschzügen die Durchfahrt zu ermögliche­n. In Ratingen hat der Bauhof mit Sand und Asche gefüllte Container aufgestell­t, Essen hat für knapp eine Viertelmil­lion Euro Betonbarri­eren gemietet. Langenfeld leistet sich die Luxusversi­on: sieben im Boden versenkbar­e Stahlpolle­r, für die im Haushalt bis zu einer halben Million Euro bereitsteh­en. Unter dem Strich sei das preiswerte­r, als bei jedem Event mobile Sperren zu errichten. Neuss verzichtet auf Sperren. Dort ist man der Meinung, der Weihnachts­markt sei für größere Fahrzeuge ohnehin kaum erreichbar.

Ein Streit zeichnet sich darüber ab, wer die Kosten für solche zusätzlich­en Sicherheit­svorkehrun­gen zahlen muss. Der Deutsche Städteund Gemeindebu­nd fordert den Bund und die Länder auf, sich an den Kosten zu beteiligen.

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