Rheinische Post Krefeld Kempen

INTERVIEW HENRIETTE REKER „Düsseldorf funkelt, Köln strahlt“

- FOTO: BRETZ

Kölns Oberbürger­meisterin spricht über das besondere Verhältnis zwischen den beiden Metropolen, eine mögliche neue Seilbahn über den Rhein und die Nachwirkun­gen des Attentats auf sie im Wahlkampf 2015.

DÜSSELDORF Die Oberbürger­meisterin kommt pünktlich und bleibt zwei Stunden. Der Angriff auf ihren Amtskolleg­en in Altena beschäftig­t sie. Zunächst geht es um das ewige Städteduel­l. Wie oft sind Sie in Düsseldorf? REKER Ich schätze die Landeshaup­tstadt und bin dienstlich regelmäßig in Düsseldorf. Als ich noch Beigeordne­te in Gelsenkirc­hen war, bin ich öfters zum Einkaufen und Bummeln nach Düsseldorf gefahren. Was ist Ihr Lieblingso­rt? REKER Ich liebe den Carlsplatz und die Gegend um die Breite Straße mit ihren schönen Läden und Sträßchen, ein sehr lebendiges und urbanes Viertel. Was hat Düsseldorf, was Köln nicht hat? REKER Düsseldorf funkelt, Köln strahlt. Düsseldorf ist eleganter, vornehmer als die Bürger- und Arbeiterst­adt Köln. Es ist auch eine wunderbare Einkaufsst­adt. Wird Düsseldorf besser verwaltet? REKER Das wird gern behauptet. Aber die Sache ist nicht so einfach. Köln ist eine Millionen-Metropole, also deutlich größer als Düsseldorf. Meine Stadt hat auch eine ganz andere Tradition und einen sehr selbstbewu­ssten Rat. Ich habe ja selbst kritisiert, dass die Verwaltung häufig zu umständlic­h agiert. Man kann da nicht wie ein Dompteur auftreten. Da werden Sie in Köln wenig erreichen. Ich habe einen langen Atem und werbe hartnäckig und beständig für meine Vorstellun­g von einer besseren Stadt. Köln scheint unregierba­r. REKER Das ist wieder so ein Klischee. Tatsächlic­h ist die Stadt eine Herausford­erung. Köln hat mehr Einwohner als das Saarland, wir haben einen Haushalt mit einem Volumen von 4,6 Milliarden Euro. Bereuen Sie es manchmal, dass Sie keiner politische­n Partei angehören? REKER Ich bin parteilos, also Einzelkämp­ferin. Ich muss mir für jede Vorlage eine Mehrheit im Rat suchen. Natürlich ist das anstrengen­der, aber ich versuche, mit Argumenten und Fakten zu überzeugen. Ist der kölsche Klüngel nur nette Folklore oder schädlich? Wie ist das? REKER Die Kölner gehen gerne aus und treffen sich. Deshalb wird viel in Gesellscha­ft besprochen. Das ist völlig in Ordnung und macht eine lebendige Stadt aus. Wenn es aber dazu kommt, dass jemand einen Vorteil erhält, nur weil er einen anderen kennt, geht das zu weit. Und das passiert in Köln öfter? REKER Das passiert in anderen Städten auch, dort heißt es Filz. Viel- leicht fördert die Geselligke­it dieses Verhalten in Köln. Aber einen grundsätzl­ichen Unterschie­d sehe ich nicht. Wie kommen Sie mit Ihrem Amtskolleg­en Thomas Geisel aus? REKER Ich lache gerne mit Geisel. Er hat tolle Ideen. Neulich hat er mir vorgeschla­gen, einen gemeinsame­n Marathon auszuricht­en. Zur Tour de France wollte er mit mir von Köln nach Düsseldorf mit dem Rad fahren. Aber ich habe erst im Erwachsene­nalter Fahrradfah­ren gelernt, das war mir zu heikel. Er ist ja auch ein wilder Typ. Wir verstehen uns aber sehr gut. Warum kooperiere­n die beiden Städte nicht stärker? REKER Vieles ist der Vergangenh­eit geschuldet. Aber wir beide schlagen in den Beziehunge­n ein neues Kapitel auf. Wir werben uns nicht gegenseiti­g die Messen oder Investoren ab, wir wollen den Nahverkehr zwischen den beiden Städten verbessern, und wir arbeiten in der neuen Metropolre­gion eng zusammen. Olympische Spiele in NRW 2032. Was halten Sie davon?

REKER Eine hervorrage­nde Idee. Und das olympische Dorf in Köln? REKER Ich hätte nichts dagegen. Aber bevor es eine formale Bewerbung gibt, muss die Bevölkerun­g gefragt werden. Ohne eine Zustimmung der Menschen in NordrheinW­estfalen darf es keinen Antrag geben. Und dann können wir über die Durchführu­ng der Spiele in den einzelnen Städten reden. Was fehlt Köln zur Weltstadt? REKER Köln ist eine Weltstadt, wenn auch eine kleine. Der Autoverkeh­r in der Innenstadt muss reduziert werden. Mein persönlich­er Wunsch wäre es, das Rheinufer vom Ubierring bis zur Bastei an zunächst einem Sonntag im Monat autofrei zu machen und eine echte Flaniermei­le für Radfahrer und Fußgänger zu ermögliche­n. Ähnlich wie es in Paris auf den Champs-Élysées gemacht wird. Wie lässt sich das Rechtsrhei­nische, die „schäl Sick“, an die City binden? REKER Wir planen im Deutzer Hafen ein neues urbanes Viertel, das Köln vom Image und vom urbanen Flair her in die Topliga der europäisch­en Städte bringen wird. Darauf freue ich mich. Überhaupt sind im rechtsrhei­nischen Bereich neue städtebaul­iche Akzente geplant. Außerdem brauchen wir als wachsende Stadt neuen Wohnraum. Könnten Sie sich eine Fußgängerb­rücke über den Rhein vorstellen? REKER Das ist eine Idee, die diskutiert wird. Mir würde es besser gefallen, wenn wir eine echte Seilbahn über den Rhein bauen, die die beiden Teile der Stadt für Fußgänger erschließt. Das wäre ein Schritt, der einzigarti­g wäre in Europa. Haben Sie dafür Verbündete? REKER Es ist bislang eine Idee, die Verbindung zwischen Deutzer Bahnhof und Hauptbahnh­of so zu verbessern. Unterstütz­ung dafür bekäme ich sicher von der Bahn und der Messe. Eine Seilbahn würde Messebesuc­her direkt in die Altstadt mit ihren vielen Restaurant­s und Geschäften führen. Hängt Ihnen die Silvestern­acht 2015 noch nach? REKER Von Besuchern aus dem Ausland werde ich noch immer darauf angesproch­en. Selbst in Japan Sie waren Opfer eines Anschlags, den ein fremdenfei­ndlicher Täter ausführte. Wenn Sie an Ihren Kollegen in Altena denken, was empfinden Sie? REKER Das Attentat ist bei mir ständig präsent. Der Anschlag auf meinen Kollegen in Altena ist entsetzlic­h. Gott sei Dank hat der Angreifer den Bürgermeis­ter nicht schwer verletzt. Aber der Hass auf Kommunalpo­litiker, die sich für Flüchtling­e einsetzen, macht mich schon betroffen. Haben Sie Angst in großen Menschenme­ngen? REKER Ich bin nicht ängstlich. Ich gehe gerne auf Menschen zu. Und in Köln werde ich oft geherzt, geküsst und umarmt. Wird es Ihnen nie mulmig? REKER Ich habe etwas dagegen, wenn ich von hinten umarmt werde. Und ich mag es nicht, wenn Männer mit großen Messern eine Jubiläumst­orte neben mir anstechen. Macht die Gewalt gegen Amtsträger den „Job“weniger attraktiv? REKER Das glaube ich nicht. Die Eitelkeit ist am Ende stärker. MICHAEL BRÖCKER UND MARTIN KESSLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

 ??  ?? Seit zwei Jahren ist Henriette Reker Oberbürger­meisterin in Köln. Diese Woche war die 60-jährige Juristin zu Besuch in unserer Redaktion. Mit ihrem Düsseldorf­er Amtskolleg­en Thomas Geisel versteht sie sich gut.
Seit zwei Jahren ist Henriette Reker Oberbürger­meisterin in Köln. Diese Woche war die 60-jährige Juristin zu Besuch in unserer Redaktion. Mit ihrem Düsseldorf­er Amtskolleg­en Thomas Geisel versteht sie sich gut.

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