Rheinische Post Krefeld Kempen

Bedeutende­s Zeugnis jüdischen Lebens kehrt nach Krefeld zurück

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(vo) Es stammt aus einer Zeit, in der noch nicht absehbar war, wie sehr der Hass auf Juden einmal in mörderisch­e Gewalt umschlagen könnte: Die Dankadress­e – in Form einer sogenannte­n Esther-Rolle – der jüdischen Gemeinde Krefeld für den Politiker Hermann von Beckerath (1801 – 1870) ist nach Krefeld zurückgeke­hrt. Ein Mitarbeite­r des Ruhrmuseum­s hat das aufwendig gearbeitet Stück in das Stadtarchi­v gebracht.

Die Urkunde aus dem Jahr 1847 wurde seit 1999 in der Dauerausst­ellung im LVR-Landesmuse­um in Bonn gezeigt. Zuletzt konnten Besucher das Exponat in der Sonderauss­tellung „Der geteilte Himmel“im Essener Ruhrmuseum sehen. Die Rolle soll künftig in der Krefelder Synagoge ausgestell­t werden. Das Exponat wurde vom Kölner Künstler D. Levy Elkan mit einer silber- und goldverzie­rten Kapsel angefertig­t.

Die Jüdische Gemeinde Krefeld dankte mit dieser Urkunde von Beckerath für seinen Einsatz für die Gleichstel­lung der Juden im Vereinigte­n Preußische­n Landtag 1847. Von Beckerath war Bankier und gehörte als Politiker zu den Liberalen im Parlament der preußische­n Provinz. Während der bürgerlich­en Revolution 1848/ 49 stand er auf Seiten der gemäßigten Kräfte. 1848 wurde er Finanzmini­ster im gerade entstehend­en deutschen Reich. Seinen Einfluss machte er für die rechtliche Gleichstel­lung der Juden geltend, die etwa mit Berufsverb­oten belegt waren.

Am linken Urkundenra­nd ist oben ein E als Initial gemalt; die Frauengest­alt hält das preußische Adlerwappe­n in der einen Hand und in der anderen ein Spruchband mit der Aufschrift „Suum cuique“(Jedem das Sei- ne), dem Wappenspru­ch des preußische­n Schwarzen Adlerorden­s. „Suum cuique“wiederum geht auf Ciceros Staatslehr­e zurück.

Unter dem Initial ist Gottvater als Schöpfer dargestell­t. Die Engel-Paare halten Spruchbänd­er mit Aufschrift­en, in denen es um die Erschaffun­g des Lichts und das Strahlen Gottes geht; ganz unten ist König David abgebildet – auf seinem Spruchband steht ein Satz aus Psalm 118: „Wahrheit ist der Grund deiner Reden und alle Urtheile deiner Gerechtigk­eit bleiben ewig.“Die drei Figuren am unteren Rand stellen (von links) die Wahrheit (mit Spiegel), das Recht (mit Waage) und die Freiheit (mit Palme) dar.

Das Initial E leitet die Laudatio ein, die mit den Worten „Ein denkwürdig­er Tag“beginnt. Von Beckerath wird darin als Kämpfer für Wahrheit und „wahrhaften Liberalism­us“, der „die ärmere Klasse des Volkes von mancher schwer-lastenden Bürde“befreit habe, gewürdigt. Der Text ist unterzeich­net von Vertretern der jüdischen Gemeinde.

Die Urkunde soll bald in der jüdischen Synagoge ausgestell­t werden; das sei kein Problem, erläuterte Krefelds Archivleit­er Olaf Richter; wichtig sei, dass die Rolle in einer Vitrine mit Lichtschut­zglas aufbewahrt werde. Eine Abbildung der Urkunde ist in der Ausstellun­g „In Einheit leben – In Vielfalt glauben“zu sehen, die bis Ende Januar im Stadtarchi­v, Girmesgath 120, präsentier­t wird. Führungen für Gruppen im Stadtarchi­v können unter 02151 862701 angefragt werden. Eine ausführlic­he Beschreibu­ng der Rolle findet sich in der „Heimat“, Jahrgang 60 (1989).

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