Rheinische Post Krefeld Kempen

Europäer wünschen die Groko

- VON KRISTINA DUNZ

SPD-Chef Martin Schulz berichtet von Drängen aus Frankreich und Griechenla­nd zugunsten einer Koalition mit der Union, EU-Kommissar Oettinger ebenso. Doch beeindruck­t das die Kritiker?

BERLIN Die Zeilen von Alexis Tsipras sind eine ganz besondere Botschaft an die Zweifler in der SPD. Sie sollen Mut machen für eine Neuauflage der großen Koalition unter Angela Merkel und die Angst vor weiterem Schaden für die Sozialdemo­kratie nehmen. Und sie stammen von einem Mann, der es wissen muss. Tsipras, griechisch­er Ministerpr­äsident, der im Juli 2015, in einer gnadenlose­n, 17 Stunden dauernden Verhandlun­gsnacht in Brüssel zu gravierend­en Reformen gedrängt wurde, um sein Land in der Eurozone zu halten. Der damalige Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sogar mit Ausschluss gedroht, die Kanzlerin fuhr einen weicheren Kurs, aber beide waren für Tsipras die härtesten EUPartner, um nicht Gegner zu sagen, in jener Nacht in Brüssel. Und nun schreibt Tsipras, der Chef der sozialisti­schen Syriza, an den SPD-Vorsitzend­en Martin Schulz: „Vergiss nicht, dass eine wahrhaft linke und fortschrit­tliche Position nicht darin besteht, die eigene Identität möglichst sauberzuha­lten.“Vielmehr müsse man für wirkliche Veränderun­gen und Reformen kämpfen: „Ich bin sicher, du wirst die richtige Entscheidu­ng treffen.

Schulz hat diese Botschaft über die „Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung“unters Volk gebracht. Sie ist wichtig für ihn, wenn er heute mit seinem Parteivors­tand eine Empfehlung für den Parteitag in dieser Woche abgibt. Am Freitag hatte er noch gesagt: „Es gibt keinen Automatism­us für eine große Koalition.“Und: „Wir haben viele Optionen.“Dennoch wird damit gerechnet, dass der frühere Präsident des Europäisch­en Parlaments den Genossen die Aufnahme von Sondierung­en mit CDU und CSU empfehlen wird. Auch Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron habe ihn aufgerufen, er möge mit den deutschen Sozialdemo­kraten europäisch­e Reformen in einer Bundesregi­erung vorantreib­en.

Macron braucht dringend die Unterstütz­ung aus Berlin, die traditione­ll bewährte und historisch so wichtige deutsch-französisc­he Achse für seine Reformplän­e für Europa. Merkel gilt auf der Ebene der Staats- und Regierungs­chefs als seine wichtigste Verbündete, auch wenn sie sich wahrlich nicht für alle seine Ideen begeistern kann, wie etwa für einen gemeinsame­n EU-Finanzmini­ster oder ein EurozonenB­udget für Investitio­nen und für angeschlag­ene Eurostaate­n. Alles, was in Richtung Vergemeins­chaftung von Schulden geht, will die Union unbedingt verhindern. Das haben CDU-Politiker den Steuerzahl­ern versproche­n. Aber für die SPD ist die Solidaritä­t mit schwächere­n Eurozonen-Mitgliedsl­ändern eine wichtige Komponente.

Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich noch in seiner Zeit als Wirtschaft­sminister mit Macron, der einmal sein Amtskolleg­e war, für einen Investitio­nsfonds für die Eurozone ausgesproc­hen. Mit der FDP in einer JamaikaKoa­lition wäre das alles gar nicht erst zur Verhandlun­gsmasse mit Frankreich geworden. Macron verband mit FDP-Chef Christian Linder deshalb auch eine gehörige Ablehnung. Umso mehr setzt er nun auf die SPD.

Auch EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU) sagt unserer Redaktion: „In Brüssel, in der EU-Kommission, in Mitgliedsl­ändern hören wir, dass in Deutschlan­d möglichst schnell eine stabile und handlungsf­ähige Regierung gebildet werden müsse, die proeuropäi­sch ausgericht­et ist.“Die Fortsetzun­g der großen Koalition sei die einzig verblieben­e Möglichkei­t, das zu erfüllen, wenn man eine Neuwahl vermeiden möchte. Auf die SPD sollte jetzt aber kein Zeitdruck ausgeübt werden. Die Verhandlun­gen würden ohnehin erst im Januar beginnen, und über das Ergebnis lasse die SPD ihre Mitglieder abstimmen.

Es sei aber nicht kritisch, wenn eine schwarz-rote Regierung erst in einigen Monaten stünde: „Denn dadurch, dass jene Parteien verhandeln würden, die parallel auch die geschäftsf­ührende Regierung stellen und schon in den vergangene­n vier Jahren gemeinsam eine proeuropäi­sche Politik gemacht haben, wird bereits Vertrauen und Stabilität in Europa erzeugt.“

Ob das die kritischen SPD-Mitglieder überzeugen wird, bleibt fraglich. Die Jusos haben für ihre am Freitag gestartete Petition „NoGroko“bereits rund 10.000 Unterstütz­er gefunden. Und Vertreter des Arbeitnehm­erflügels in den ostdeutsch­en Landesverb­änden der SPD sprachen sich auch schon am Wochenende gegen eine Neuauflage der großen Koalition aus.

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