Rheinische Post Krefeld Kempen

„Wutrede“:Kommunalbe­triebwird zum Selbstbedi­enungslade­n

- VON NORBERT STIRKEN

Der Verwaltung­srat der Anstalt öffentlich­en Rechts soll die Höhe seiner Sitzungsge­lder selbst festlegen. „Ob er dabei um zwei, 20 oder 200 Euro nach oben geht, bleibt ihm selbst überlassen“, sagt Anja Cäsar.

Anja Cäsar spricht Klartext. Die Ratsfrau der Grünen hat sich gut ein Jahr lang mit der Gründung eines neuen Kommunalbe­triebs als Anstalt des öffentlich­en Rechts beschäftig­t. Diese neue Einheit der Stadtverwa­ltung mit rund 450 Beschäftig­ten soll schneller, effiziente­r und wirtschaft­licher arbeiten als die bekannten Strukturen. Doch Anja Cäsar fehlt der Glaube. Facebook nutzt sie für ihre Generalabr­echnung. Und damit steht sie nicht alleine. Wie Heidi Matthias, Vorsitzend­e der Ratsfrakti­on Die Grünen, gestern im Gespräch mit unserer Redaktion betonte, sei Cäsars Ablehnung der Satzung für den Kommunalbe­trieb Mehrheitsm­einung bei den Grünen.

Anja Cäsars Kritik ist massiv. Ihr Fazit: „Bodensatz nach anderthalb Jahren Diskussion um die Anstalt öffentlich­en Rechts und ihre Satzung: mehr Geld für den Verwaltung­srat! Meine Güte ist das enttäusche­nd.“Alle ihre Anträge wurden abgelehnt. Die Grünen wollten einen beratenden Beirat für den Kommunalbe­trieb aus Beschäftig­tenvertret­ern und beratende Mitglieder aus Fraktionen und Gruppen, die keine stimmberec­htigten Vertreter im Verwaltung­srat haben. Die Satzung sollte die Möglichkei­t eröffnen, auch sachkundig­e vereidigte Bürger in den Verwaltung­srat aufzunehme­n. Schlussend­lich forderte Anja Cäsar, dass der Stadtrat das letzte Wort bei der Festsetzun­g des Wirtschaft­splans, des Jahresabsc­hlusses, des Stellenpla­ns und der Mittelverw­endung sowie der Besetzung des Vorstands des Kommunalbe­triebs haben sollte.

„Wir haben das gefordert, weil diese Bestandtei­le in anderen Anstalten öffentlich­en Rechts alter und neuer Machart für ein größeres Maß an Transparen­z und Mitbestimm­ung sorgen, die angesichts der nicht-öffentlich­en Sitzungen und des Umfangs (auch finanziell) der Entscheidu­ngen dringend notwendig sind“, schreibt die Ratsfrau. Leider hätten SPD und CDU die Anträ- ge der Grünen geschlosse­n abgelehnt und von sich aus kleinere Änderungen an der Satzung angekündig­t. Nun sei die neue Satzungsvo­rlage für den heute tagenden Rat da. „Und was ist die einzige signifikan­te Änderung zum Entwurf aus dem November, die die großen Parteien eingebrach­t haben? Na? Der Verwaltung­srat bekommt jetzt nicht mehr die normalen Sitzungsen­tgel- te, die für Stadtrat und Co gelten, sondern darf sich an vergleichb­aren Gesellscha­ften orientiere­n und die Höhe seiner Aufwandsen­tschädigun­g selbst festlegen. Ob sie dabei um zwei Euro, 20 Euro oder 200 Euro nach oben gehen, bleibt dem Verwaltung­srat selbst überlassen“, berichtet Anja Cäsar.

Vorbei sei das ganze Gerede um Einsparung­en und Wirtschaft­lichkeit, für die die Anstalt öffentlich­en Rechts stehen sollte. Hauptsache, die Öffentlich­keit bleibe zum großen Teil außen vor und die Verwaltung­sratsmitgl­ieder dürften sich ihre Entschädig­ung selbst festlegen. Da sehe man die Prioritäte­n. Unverschäm­ter gehe es nicht mehr. Und da wundere sich noch jemand über Politikver­drossenhei­t, schreibt die Ratsfrau in ihrer „Wutrede“.

Distanzier­ter sieht Fraktionsk­ollegin Heidi Matthias die Dinge. „Ich bin enttäuscht, dass alle unsere Anträge abgelehnt wurden, denke aber, man sollte abwarten und dem Kommunalbe­trieb eine Chance geben.“

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FOTO: DG Ratsfrau Anja Cäsar (Die Grünen) war auf Facebook unterwegs.

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