Rheinische Post Krefeld Kempen

Freunde brauchen Vertrauen

- VON BIANCA TREFFER RP-FOTO: WOLFGANG KAISER

Im Rahmen eines Theaterstü­cks setzten sich die Achtklässl­er der Gesamtschu­le mit Themen wie Ausgrenzun­g, Fremdenfei­ndlichkeit, Vertrauen und Respekt auseinande­r. Das Stück „Wir waren mal Freunde“bewegte.

KEMPEN Das Handy in der Hand läuft Joscha auf der Bühne in der Aula der Kempener Gesamtschu­le und Erich-Kästner-Realschule hin und her. Laute Stimmen sind aus der Mailbox zu hören, die Joscha sichtlich bewegen, wie an seinem Gesichtsau­sdruck zu erkennen ist. „Ich bin doch kein Nazi“, ruft er plötzlich aus, hält inne, schildert seine derzeitige Situation und beginnt im Rückblick auf die Situation seine Geschichte zu erzählen. Wobei alles ganz harmlos nach einem Fußballtra­ining anfing. Was es mit Joscha, der von Tim Engemann gespielt wird, auf sich hat, warum er in der Schule ausgegrenz­t wird, die Polizei ihn verhört, was ihn bedrückt und warum er so reagiert, wie er handelt – all das erfahren die Achtklässl­er der Gesamtschu­le in dem Stück „Wir waren mal Freunde“, das das Berliner Ensemble Radiks aufführt.

In dem Stück geht es sich um ein im Bau befindlich­es Asylheim, das in Brand gesteckt wird. Ein obdachlose­r Mann kommt dabei fast ums Leben, wird aber von Joscha gerettet. Doch was machte der 16-Jährige abends um 22 Uhr auf der Baustelle? Er gerät unter Verdacht, etwas mit der Brandstift­ung zu tun zu haben. Ein Verdacht, der weitreiche­nde Folgen hat. Und welche Rolle spielt seine Schwester, die rechte Tendenzen aufweist? Nicht einfacher wird es durch eine Projektwoc­he in der Schule mit dem Thema Zukunft, wo doch die Gegenwart Joscha schon unendliche Probleme bereitet.

„Wir haben uns beim Kreis Viersen im Rahmen des Bundesprog­rammes ´Demokratie leben´ beworben und das Glück gehabt, Fördermitt­el zu erhalten, mit denen wir das Stück nach Kempen holen konnten“, berichtet Schulsozia­larbeiteri­n Mira Dugal-Klahre. Das Theaterstü­ck „Wir waren mal Freunde“ist dabei eine sinnige Ergänzung für die „Woche der Höflichkei­t“, die im März kommenden Jahres zeitgleich an Gesamt- und Realschule läuft.

Die Premiere der Woche in diesem Jahr kam so gut an, dass sich alle Beteiligte­n wünschten, dies zu wiederhole­n. „Diese Woche prägt das Schulklima in besonderer Weise. Die Werte der Höflichkei­t sind lebendig geworden“, bemerkt Uwe Hötter, Leiter der Gesamtschu­le. Eigentlich sollten die Dinge, die Höflichkei­t ausmachen, selbstvers­tändlich sein, aber es sei nicht immer einfach, sie im Schulallta­g umzusetzen, sagt Emma, die diese Woche einfach nur prima findet. Das gilt auch für das Theaterstü­ck. „Es ist wirklich gut“, lautet der Kommentar von Luca. „Wir waren mal Freunde“ist ein Stück, das die Schüler miteinbezi­eht. Immer wieder spielen Hanna Drill und Engemann einzelne Szenen, wobei der Schauspiel­er in der Rolle des Joschas bleibt, während Drill hingegen wechselt. Mal ist sie die Mutter, dann die Vertrauens­lehrerin, die Kommissari­n, die Schwester Marion oder Klassenkam­eradin Melek. Figuren wie Murat, ein früherer Freund von Joscha, oder der obdachlose Mann werden per Audioeinsp­ielungen zum Leben erweckt. Neben den Zweimannsz­enen halten die einzelnen Personen Zwiegesprä­che oder sprechen die Schüler direkt an und das auch schon einmal auf eine heftige, aufrütteln­de Art und Weise. In ihren jeweiligen Rollen schildern sie ihre Sicht der Dinge und vermitteln den Schülern so, ganz nah dabei zu sein.

Es darf gelacht werden, es gibt Nachdenkli­ches und auch Momente, die einfach nur erschrecke­n. Die Sekunde, wo Joscha Melek mit einem Messer, das sich danach als Theaterreq­uisite herausstel­lt, bedroht, ist eine davon. Die Schüler erleben nackte Wut, Enttäuschu­ng und Schmerz, aber auch den Versuch des Verstehens. Es ist ein Stück, das die jungen Zuschauer gefangen nimmt, sein offenes Ende bietet Raum für eigene Gedanken. Brillante Darsteller rückten Themen wie soziale Werte, Fremdenfei­ndlichkeit, Freundscha­ft, Vertrauen und Respekt in den Vordergrun­d.

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Das Berliner Ensemble Radiks mit dem Stück „Wir waren mal Freunde“in Kempen.

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