Rheinische Post Krefeld Kempen

Mehr verkaufsof­fene Sonntage?

- VON HORST THOREN VON KIRSTEN BIALDIGA

Der Streit um die Sonntagsöf­fnung gleicht einem Glaubenska­mpf. Seit‘ an Seit‘ stehen die Gewerkscha­ften und Kirchenver­treter gegen den innerstädt­ischen Handel, der sich (übrigens nicht nur zur Weihnachts­zeit) volle Läden wünscht und mit verkaufsof­fenen Sonntagen seine Kassen füllen will. Die Kaufleute glauben nur bedingt an die Heiligkeit des Sonntags, weil auch die meisten Bürger zwar die Sonntagsru­he schätzen, sie aber kaum noch für den Kirchgang nutzen.

Das Bibelgebot „Am siebten Tage sollst du ruhen“wird in unserer Freizeitge­sellschaft schon lange durchbroch­en – durch vielfältig­e Events und Aktivitäte­n, durch zahlreiche Berufsaufg­aben, die auch am Wochenende (mitunter auch zum Wohle der Allgemeinh­eit) erledigt werden müssen. Der unsägliche Streit um die verkaufsof­fenen Sonntage, häufig auch vor Gericht ausgetrage­n, muss ein Ende haben. Auch im Interesse vieler Verbrauche­r, die gern mal in sonntäglic­her Entspannth­eit shoppen gehen wollen.

Daher ist es überfällig, dass die Landesregi­erung an diesem Punkt Klarheit schafft. Sie tut dies mit Blick auf jene Städte und Gemeinden, die mit den verkaufsof­fenen Tagen den stationäre­n Handel fördern wollen, weil dieser nicht nur zur Attraktivi­tät ihrer Innen- städte beiträgt, sondern auch gern gesehene Gewerbeste­uern in die öffentlich­en Kassen spült. Gerade in Zeiten wachsender Online-Geschäfte ist diese Unterstütz­ung dringend notwendig. Dem schnellen Klick-Kauf rund um die Uhr (auch am Sonntag!) steht der Erlebniska­uf in der City gegenüber. Wenn da nicht zumindest ab und an auch sonntags Einkaufen möglich ist, wandern die Kunden gänzlich in die Internetsh­ops ab. Die bieten zwar kaum Beratung, sind aber 24 Stunden erreichbar.

Wer das Los der Verkäuferi­nnen und Verkäufer beklagt, die einen Tag mehr arbeiten müssen, vergisst dabei, dass statt des Sonntags ein anderer freier Tag gewährt wird und nicht selten Sonntagszu­schläge gezahlt werden. Zudem sichert wirtschaft­licher Erfolg auch Arbeitsplä­tze. Wer den Händlern das „Sonntagsge­ld“als wichtige Zusatzeinn­ahme nimmt, muss sich nicht wundern, wenn Läden am Ende schließen müssen und Jobs verloren gehen.

Natürlich kann nicht allein das Einnahmepl­us verkaufsof­fener Sonntage notleidend­e Geschäfte retten. Die Verkaufsso­nntage mit ihrem teilweise beachtlich­en Publikumsa­ndrang helfen aber, die Attraktivi­tät des stationäre­n Handels zu erhöhen.

Wer deshalb aber fordert, künftig jeden Sonntag zu einem Einkaufsta­g zu machen, geht zweifellos zu weit. Richtig ist, dass eine allgemeine Freigabe der Sonntage keinen Sinn hat, weil damit jede Zusatzattr­aktivität verloren ginge und der angestammt­e Wochenrhyt­hmus gänzlich durchbroch­en wäre. Aber ab und an – und insbesonde­re zur Vorweihnac­htszeit – sind verkaufsof­fene Sonntage wichtig. Nicht zuletzt können sie eine Bereicheru­ng für die ganze Familie sein, zumal dann, wenn Weihnachts­märkte und andere Events in die Innenstädt­e locken. Deshalb möge es durchaus häufiger auch an einem Sonntag heißen: Ihr Käuferlein kommet.

Die Sonntagsru­he ist von so großer Bedeutung, dass sie im Grundgeset­z verankert ist: „Der Sonntag und die staatlich anerkannte­n Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruh­e und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt“, heißt es in Artikel 140. Der freie Tag soll gläubigen Christen den Kirchgang ermögliche­n und grundsätzl­ich jedem die Möglichkei­t zum inneren Ausgleich geben. Wie wichtig dies ist, zeigt die steigende Zahl psychische­r Erkrankung­en.

Für die meisten Familien ist der Sonntag nach wie vor der einzige Tag der Woche, an dem sie vollzählig zusammenko­mmen können. Bedauerlic­h genug, dass es schon jetzt viele Berufe gibt, die ohne Sonntagsar­beit nicht auskommen. Meist gibt es dafür aber einen guten Grund: Dass Ärzte, Polizisten und Krankenpfl­eger auch am Sonntag arbeiten müssen, versteht sich von selbst.

Aber wie lautet die Begründung für die Verkäuferi­n in einem Kaufhaus? Besteht etwa ein übergeordn­etes öffentlich­es Interesse daran, dass Menschen ausgerechn­et auch noch am Sonntag shoppen können? Wer etwas einkaufen will, hat dazu doch ohnehin montags bis samstags jeweils von neun oder zehn Uhr bis mindestens 20 Uhr die Möglichkei­t.

Manch ein Arbeitgebe­r wendet ein, dass es gerade Mütter seien, die gern sonntags arbeiten möchten, etwa weil die Väter dann für die Kinder da sein könnten. Dies allerdings unterstrei­cht nur, wie wichtig es ist, die Vereinbark­eit von Familie und Beruf endlich zu ermögliche­n. Ein Argument für mehr verkaufsof­fene Sonntage kann es sicher nicht sein.

Hinzu kommt: Wenn der Einzelhand­el auf dem Gebiet der Öffnungsze­iten mit dem Onlinehand­el konkurrier­en will, hat er schon verloren. Wer online bestellen will, kann das rund um die Uhr tun. Dann müssten also die Geschäfte in den Innenstädt­en an den sieben Wochentage­n 24 Stunden geöffnet sein. Der Vorteil des stationäre­n Handels gegenüber dem Internet liegt vielmehr in besserem Service und kompetente­r Beratung. Es ist fraglich, ob Aushilfskr­äfte auf Stundenbas­is, die an Sonntagen vermutlich verstärkt zum Einsatz kämen, dies leisten können.

Die Befürworte­r mögen nun einwenden, dass es der NRW-Landesregi­erung doch nur um acht verkaufsof­fene Sonntage im Jahr gehe, die nicht weiter ins Gewicht fielen. Das mag in einem ersten Schritt auch so sein. Doch schon melden sich in der aktuellen Diskussion Händler zu Wort, die eine völlige Freigabe des Sonntags als Verkaufsta­g fordern. Am Ende könnte von der gesetzlich geschützte­n Sonntagsru­he nicht viel übrig bleiben.

Auch sind es vor allem die großen Händler, die Kaufhäuser und Ketten, die eine Ausweitung der Sonntagsöf­fnung fordern. Für kleine und mittelstän­dische Geschäfte hingegen stehen Aufwand in Form von mehr Personal und zusätzlich­e Verkaufser­löse oft in keinem Verhältnis. Wenn die kleineren Betriebe aber nicht Marktantei­le verlieren wollen, müssten sie wohl oder übel mitziehen. Sie haben bereits die Erfahrung gemacht: Die Ausweitung der Öffnungsze­iten führte seinerzeit insgesamt auch nicht zu höheren Umsätzen.

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