Rheinische Post Krefeld Kempen

Juden sagen Feier aus Angst ab

- VON CLAUDIA HAUSER, FRANZISKA HEIN UND THOMAS REISENER

Aus Sicherheit­sgründen hat die jüdische Gemeinde in Mülheim das öffentlich­e Kerzenanzü­nden zum Lichterfes­t auf dem Synagogenp­latz abgesagt. In Düsseldorf trotzt man der politische­n Lage – und will draußen feiern.

MÜLHEIM/DÜSSELDORF Mehrere Hundert Menschen, die zusammen beten, singen und Kerzen in den Händen halten – das jüdische Lichterfes­t Chanukka hat in Mülheim seit vielen Jahren Tradition. Doch gestern Abend blieb der SynagogenP­latz mitten in der Stadt leer. Die jüdische Gemeinde und die Stadt Mülheim hatten die Veranstalt­ung aus Sicherheit­sgründen wegen der antisemiti­schen Proteste in Berlin abgesagt. Hintergrun­d ist die Entscheidu­ng von US-Präsident Trump, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. „Diese Absage ist uns sehr schwer gefallen“, sagt Alexander Drehmann, Geschäftsf­ührer der jüdischen Gemeinde DuisburgMü­lheim-Oberhausen. „Als jüdische Gemeinde in Deutschlan­d bekommen wir jede Veränderun­g im Nahen Osten sofort zu spüren.“Die Lage für Juden habe sich verschärft.

Der Zentralrat der Juden in Deutschlan­d hat den Gemeinden geraten, ihre Sicherheit­svorkehrun­gen zu erhöhen – was sich aber nicht konkret auf öffentlich­e Veranstalt­ungen bezog, wie eine Sprecherin mitteilte. Viele sind nervös, und so sagte Drehmann die Veranstalt­ungen in Mülheim, Duisburg und Oberhausen ab.

Chanukka werde aber trotzdem gefeiert, sagt er. Das Fest findet nun am 18. Dezember in der Duisburger Synagoge statt. Mülheims Oberbürger­meister Ulrich Scholten (SPD) bedauert die Absage. Der Stadt war es nicht möglich, die Veranstalt­ung kurzfristi­g ins Rathaus zu verlegen. „Dass ich nach 1945 erleben muss, dass eine religiöse jüdische Feier aus Sicherheit­sgründen abgesagt wird, hätte ich nicht geglaubt“, sagt Scholten. Das NRW-Innenminis­terium beobachtet die Lage „sehr ge- nau“, teilte ein Sprecher mit. Polizei und Staatsschu­tz liegen jedoch keine Hinweise vor, dass jüdische Einrichtun­gen derzeit gefährdet sind.

Andere jüdische Kultusgeme­inden aus NRW haben Verständni­s für die Absage in Mülheim. Dass Juden zu solchen drastische­n Maßnahmen gezwungen seien, sei traurig, sagte Leonid Goldberg, Vorsitzend­er der Gemeinde in Wuppertal. Er hatte erst in dieser Woche im Zusammenha­ng mit der neuerliche­n Verschärfu­ng des Nahost-Konflikts beklagt, dass sich Juden kaum trauen, ihre Kippa offen zu tragen. Eine öffentlich­e Veranstalt­ung zum Lichterfes­t gibt es in Wuppertal nicht. Die dortige Gemeinde hatte am vergangene­n Sonntag ihr 15-jähriges Bestehen gefeiert – wie viele andere Feste unter strengen Sicherheit­svorkehrun­gen. „Es ist schrecklic­h, dass in Deutschlan­d Synagogen immer noch bewacht werden müssen“, sagt Goldberg.

Die Synagoge in Wuppertal liegt – wie die in Mülheim – mitten in der Innenstadt, neben der evangelisc­hen Kirche. „Es ist nicht die Aufgabe der Juden zu protestier­en, sondern unsere Aufgabe, die Stimme laut zu erheben“, sagte der Präses der evangelisc­hen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, gestern am Rande einer Pressekonf­erenz. Am Abend kam der Düsseldorf­er Oberrabbin­er Raphael Evers zum Lichterfes­t in den NRW-Landtag. In Köln kann man den Entschluss der Mül- heimer Gemeinde nachvollzi­ehen. „Wir haben schon einmal eine Veranstalt­ung abgesagt – aber in diesem Jahr gab es für uns dafür keinen Grund“, sagt Abraham Lehrer, Vorstand der Synagogeng­emeinde in Köln und Vizepräsid­ent des Zentralrat­s. Was die Sicherheit angeht, verlässt man sich in Köln auf die Einschätzu­ng des Staatsschu­tzes.

In Kölns Altstadt wurden gestern traditione­ll die Chanukka-Kerzen angezündet, in Düsseldorf soll es ein ähnliches Fest am Sonntag auf dem Grabbeplat­z geben. „Chanukka ist ein Fest des Miteinande­rs und der Freundscha­ft“, sagt Herbert Rubinstein für die Gemeinde in Düsseldorf. „Nur der Schnee könnte uns in letzter Minute noch abhalten.“

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