Rheinische Post Krefeld Kempen

Beim Parteitag verschiebt sich das Machtzentr­um der CSU

- VON KRISTINA DUNZ UND GREGOR MAYNTZ

Markus Söder ist am Ziel: In Nürnberg wird er zum Nachfolger Horst Seehofers bestimmt. In der Partei drohen Reibungsve­rluste.

BERLIN Eigentlich hatte Horst Seehofer den Ehrgeiz, den 1000 Delegierte­n heute im Nürnberger Messezentr­um einen für die CSU erfolgreic­h verhandelt­en Jamaika-Koalitions­vertrag vorlegen zu können. Deshalb war der für Mitte November geplante Parteitag verlegt worden. Eine tonangeben­de, in Berlin mitregiere­nde CSU, das wäre nach dem Geschmack der Christsozi­alen gewesen. Und eine Stärkung Seehofers. Nun muss er sich ohne diesen Erfolg der Wiederwahl stellen. Und ein triumphier­ender Rivale Markus Söder übernimmt.

Denn wichtiger noch als die Durchschla­gskraft der CSU im Bund ist die Erleichter­ung der Basis darüber, dass der seit Jahren toben- de Machtkampf um die Nachfolge Seehofers zumindest vorerst zu Ende zu sein scheint. Wollte Seehofer Söder lange mit aller Macht verhindern, hat es der Finanzmini­ster mit hartnäckig­em und zähem Wirken hinter den Kulissen geschafft, dass Seehofer ihm ab nächstem Frühjahr das Ministerpr­äsidentena­mt überlässt. Der Parteitag in seiner Heimatstad­t Nürnberg wird für Söder mit der Aufstellun­g als Spitzenkan­didat zum Heimspiel.

Schon vor dem Start an diesem Freitag steht es 3:0 für ihn. Seit seiner Nominierun­g hat die CSU laut Insa-Demoskopen um drei Punkte auf 40 Prozent zugelegt. Schon ist vom „Söder-Effekt“die Rede, mit dem die CSU den Absturz auf 38 Prozent bei der Bundestags­wahl vergessen machen will. Messlatte ist und bleibt die absolute Mehrheit.

Doch die zwischen Söder und Seehofer verabredet­e Doppelspit­ze mit dem Posten des Regierungs­chefs für Söder und dem des Parteichef­s für Seehofer birgt Risiken. Der Erfolg bei der Landtagswa­hl hängt nämlich gleicherma­ßen von der Organisati­on des Wahlkampfs in der Verantwort­ung Seehofers wie vom Auftreten des Spitzenkan­didaten Söder ab. In Nürnberg werden sich beide in neuer Harmonie zu präsentier­en versuchen. Doch ob eine in vielen Jahren gewachsene Gegnerscha­ft mit vielen Fouls beiseite geschoben werden kann, wird eher bezweifelt.

Söder kann sich darüber freuen, dass Seehofer ihn bei den JamaikaVer­handlungen von den Sondierung­srunden ausschloss. Das Scheitern geht deshalb auch nicht mit ihm nach Hause. Ähnlich wird Söder insgeheim froh sein, Seehofer noch nicht als Parteichef beerben zu müssen. So hat er einen, dem er nach einem Wahl-Misserfolg die Schuld zuschieben kann. Zudem ist eine Machtteilu­ng nur auf dem Papier gegeben. Tatsächlic­h gibt es in der CSU drei Machtzentr­en: Staats- kanzlei, Fraktion und Partei. Zwei davon besetzte bislang Seehofer, eines – die Fraktion – hatte sich Söder erobert. Nun verschiebt sich die Macht zulasten Seehofers. Der war es als unangefoch­tener Partei- und Regierungs­chef gewohnt, die CSU immer wieder neu zu positionie­ren. Und er konnte sich darauf verlassen, dass ihm alle in der Partei folgten. Das wird ihm aus einer Ein-Drittelzu-zwei-Drittel-Perspektiv­e nicht mehr möglich sein. Ob Seehofer sein Verhalten scharf zu verändern vermag, wird bezweifelt. Möglicherw­eise tritt er auch in die nächste Bundesregi­erung ein und konzentrie­rt sich auf die Ministerge­schäfte, wenn die Parteiarbe­it mit zu viel Reibungsve­rlusten verbunden ist.

Derweil stellen sich die Kollegen auf den neuen Bayern-Chef ein. Der neue sächsische CDU-Ministerpr­äsident Michael Kretschmer unterstric­h mit Blick auf die personelle Neuorienti­erung der CSU: „Mir liegt sehr viel an einem guten Verhältnis zur CSU und dem Freistaat Bayern.“Er werde die enge Zusammenar­beit fortsetzen, die seine drei Vorgänger begonnen hätten.

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