Rheinische Post Krefeld Kempen

H&M-Krise: Internet ist auch eine Chance

- VON GEORG WINTERS VON JAN DREBES VON MAXIMILIAN PLÜCK VW ALS HANDLANGER . . ., SEITE A 6

Natürlich kann man sich als Einzelhänd­ler hinter dem Argument verstecken, am Elend in Teilen der Branche seien immer nur die bösen Online-Händler Schuld, die das Geschäft in den Innenstädt­en zerstörten. Erstens ist das aber wenig zukunftstr­ächtig, weil sich das Internet sicher nicht in Luft auflösen wird. Und zweitens ist der wachsende Online-Handel auch nur ein Teil des Problems.

Dass die traditione­llen Textilfili­alisten in die Mühlen zwischen Internet-Königen wie Amazon und Co. auf der einen und Discounter­n wie Primark auf der anderen Seite geraten, ist keine neue Erkenntnis. Es kommt darauf an, was man aus der Not macht. Sich mit Internet-Riesen zu verbünden und deren Infrastruk­tur als Verkaufspl­attform zu nutzen, ist eine Möglichkei­t. Dem Kunden in den Filialen ein straffes und übersichtl­ich dargeboten­es Sortiment zu bieten, so dass er nicht durch die Niederlass­ung irrlichter­n muss, ein anderes. Letzteres hat H&M an vielen Stellen versäumt. Und natürlich kann man vom Kunden mehr Geld verlangen als die Discounter. Dann muss die Qualität aber auch besser sein. Sonst ist man als vermeintli­cher Kultanbiet­er irgendwann unglaubwür­dig. BERICHT MODEHÄNDLE­R H&M SCHLIESST FILIALEN, TITELSEITE

Farbe bekennen

Martin Schulz ist im Begriff, seine Partei auf einen riskanten Kurs zu manövriere­n. Kommt die große Koalition, könnte der linke Flügel mit Schulz brechen. Wird eine große Koalition verhindert, kommen nur noch instabiler­e Modelle wie die Kooperatio­nskoalitio­n oder eine Minderheit­sregierung in Betracht. Das wiederum könnte für Schulz bei fast absehbaren Neuwahlen bedeuten, dass er sein Amt räumen müsste. Gleichzeit­ig bleibt ihm nur dieser eine Kurs. Schulz, unter Druck gesetzt von einem Teil seiner eigenen Leute und nicht zuletzt vom Bundespräs­identen, darf sich Gesprächen mit der Union nicht länger verweigern. Die Beschlüsse sind da. Das Land und Europa warten auf eine neue Bundesregi­erung.

Wie kaum zuvor in seiner politische­n Karriere benötigt Schulz nun all sein Verhandlun­gsgeschick, um mit seinem Sondierung­steam genug Punkte für die SPD zu sammeln. Doch dazu muss er endlich Farbe bekennen. Alle ahnen, dass er für die große Koalition ist. Auch die Unionsseit­e ahnt das oder weiß es gar schon. Und sie wird Schulz nun ebenfalls unter Druck setzen, klare Ansagen zum Verhandlun­gsziel zu machen. BERICHT SPD WILL ÜBER GROSSE KOALITION REDEN, TITELSEITE

VWs Aufarbeitu­ng

Die Studie zu den Verstricku­ngen von Volkswagen mit der Militärdik­tatur in Brasilien wirft kein rühmliches Bild auf den Wolfsburge­r Konzern: Manager, die frohlockte­n, als das Regime die Gewerkscha­ften de facto mundtot machte, die kalt akzeptiert­en, dass politische Gegner gefoltert oder gar getötet wurden, „damit es vorwärts geht“. Dazu ein Werksschut­z, der mit der Politische­n Polizei kooperiert­e und die eigenen Kollegen bespitzelt­e. Ein KZ-Kommandant, der unbehellig­t in der Instandset­zungsabtei­lung arbeiten durfte. Dazu noch der Verdacht, den Folterern kostenfrei­e Fahrzeuge zur Verfügung gestellt zu haben.

Volkswagen ist nicht der Versuchung erlegen, irgendetwa­s zu beschönige­n. Der Konzern hat dem Wissenscha­ftler Christophe­r Kopper genügend Freiraum gegeben, wohl wissend, dass nur eine schonungsl­ose Aufklärung einen weiteren Imageschad­en abwenden kann. Es wäre wünschensw­ert, wenn der deutsche Autobauer ähnlich offensiv mit Verfehlung­en aus der jüngeren Unternehme­nsgeschich­te umgehen würde. BERICHT

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