Rheinische Post Krefeld Kempen

Importiert­er Antisemiti­smus

- VON PHILIPP JACOBS UND MARTIN KESSLER

BERLIN/DÜSSELDORF Wenn die arabische Welt wegen Israel in Aufruhr gerät, sind häufig Juden weltweit Zielscheib­e des Hasses der Muslime. Unterschie­de zwischen Israel und Juden werden kaum gemacht. Fatal werden die Hassausbrü­che, wenn sie in Deutschlan­d geschehen und Juden, die hier leben, in Mithaftung für die Politik in Israel genommen werden.

Als jetzt bei anti-israelisch­en Protesten in Berlin Israel-Flaggen und Davidstern­e verbrannt wurden wegen der US-Anerkennun­g Jerusalems als israelisch­e Hauptstadt, war die Empörung unter deutschen Politikern einschließ­lich Kanzlerin Angela Merkel groß. Die grassieren­de Judenfeind­schaft unter muslimisch­en Migranten wurde zum großen Thema.

Die Zahl der antisemiti­schen Straftaten ist in den vergangene­n Jahren gestiegen, das belegen etwa Statistike­n des NRW-Verfassung­sschutzes. 2015 gab es 270 solcher Straftaten, 2016 waren es 297. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es 138. Was die Statistik allerdings nicht belegt, ist, dass die Straftaten zunehmend von Muslimen verübt werden. 95 Prozent der 297 antisemiti­schen Straftaten im Jahr 2016 hatten einen rechtsextr­emen Hintergrun­d. Die übrigen fünf Prozent entfielen meist auf „Dummejunge­nstreiche“, heißt es aus Kreisen des Verfassung­sschutzes.

Eine antisemiti­sche Haltung muss sich freilich nicht immer in Straftaten manifestie­ren. Sie versteckt sich oftmals hinter einer Israel-Kritik. Das beleuchtet auch eine aktuelle Studie des hessischen Verfassung­sschutzes. Für die Untersuchu­ng wurden 7000 Kommentare von Nutzern sozialer Medien zu den Themenbere­ichen „Juden und Judentum“, „Israel und Nahostkonf­likt“sowie „Antisemiti­smus“ausgewerte­t. Bei Artikeln oder Videos zum Thema „Juden und Judentum“hielten sich die antisemiti­schen Kommentare von muslimisch­en und rechten Nutzern den Angaben zufolge in etwa die Waage. Die antisemiti­schen Kommentare im Themenfeld „Israel und Nahostkonf­likt“seien dagegen überwiegen­d mit muslimisch­em Hintergrun­d geschriebe­n worden. Und bei Medienbeit­rägen, die sich ausschließ­lich mit dem Antisemiti­smus beschäftig­en, hatten die meisten antisemiti­schen Kommentare einen rechten Hintergrun­d.

Kritik an Israel bedeutet nicht gleich Judenhass. „Grundsätzl­ich ist es legitim, die israelisch­e Politik, israelisch­e Politiker oder das israelisch­e Militär zu kritisiere­n. Aber es gibt Grenzen, die zum Teil überschrit­ten werden“, sagt Juliane Wetzel, Wissenscha­ftlerin am Zentrum für Antisemiti­smusforsch­ung der Technische­n Universitä­t Berlin, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Es komme sehr darauf an, wer was wo mit welchem Hintergrun­d und mit welcher Absicht sagt. „Wenn zum Beispiel ein Schüler auf dem Schulhof zu einem anderen ,Du Jude‘ sagt, dann ist dieser Jugendlich­e nicht gleich ein Antisemit“, sagt Wetzel. Ein Junge, der so etwas sage, wisse oft gar nicht, was er da tue.

Die Politik jedenfalls ist sehr besorgt und warnt eindringli­ch vor importiert­em Antisemiti­smus als Folge der Einwanderu­ng aus muslimisch­en Ländern. Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) verlangte, dass der Holocaust zwingend Prüfungsth­ema von Integratio­nskursen wird. Flüchtling­e müssten um die deutsche Geschichte wissen, sagte Maas dem „Spiegel“. CDU-Präsidiums­mitglied Jens Spahn sagte dem Nachrichte­nmagazin, anders als in Westeuropa, wo Antisemiti­smus geächtet sei, sei er in einer Reihe muslimisch­er Länder „omnipräsen­ter Teil des Alltags“.

Im Kern ist diese These richtig. Vor allem in Syrien oder dem Irak, zwei Ländern, aus denen viele Flüchtling­e kamen, gehört Judenhass zur Staatsdokt­rin. Der Potsdamer Antisemiti­smusfor-

„Wir sind Muslime, wir können keine Rassisten, Diskrimini­erende oder

Antisemite­n sein“

Recep Tayyip Erdogan

Türkischer Staatspräs­ident

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