Rheinische Post Krefeld Kempen
„Wir wollen und werden es besser machen“
Der NRW-Ministerpräsident kündigt ein umfassendes Sicherheitspaket an. In den Behörden und Ministerien will er Stellen einsparen.
DÜSSELDORF Wir treffen den Ministerpräsidenten in der neuen Staatskanzlei am Rheinufer. Das Licht ist gedämmt. An den Wänden hängt abstrakte Kunst. Armin Laschet öffnet sich ein Cola-Fläschchen. Herr Laschet, wo feiern Sie Silvester? LASCHET In Veere an der niederländischen Nordsee. Mit meiner Frau, ohne Böller und mit viel Ruhe. Zeitgleich schickt der Innenminister 5700 Polizisten auf die Straße – doppelt so viele wie an normalen Sonntagen. Ist das übertrieben? LASCHET Nein. Dass man sich da vorbereitet, ist zwingend, erst recht nach den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht 2015/16. Ist NRW nach dem Regierungswechsel schon sicherer geworden? LASCHET Es gibt eine andere Haltung der Führungskräfte bei den Sicherheitsbehörden, dass bestimmte Dinge nicht mehr geduldet werden. Exemplarisch wurde das deutlich bei der Kurdendemonstration im November in Düsseldorf, auf der verbotene PKK-Symbole gezeigt wurden. Diesmal hat die Polizei die Versammlung nach wiederholten Verstößen aufgelöst. Birgt Ihre Null-Toleranz-Strategie die Gefahr der Übertreibung? LASCHET Nein. Wenn ich feststelle, dass bei den Landfriedensbrüchen rund um den Braunkohletagebau kaum Identitäten der Täter festgestellt werden, sehe ich eher noch Nachholbedarf. Wann kommt die Schleierfahndung? LASCHET Wir haben uns als Koalition die Einführung einer strategischen Fahndung vorgenommen. Ich bin überzeugt, dass dies ein Instrument ist, das bei Wahrung der Bürgerrechte die positiven Effekte der Schleierfahndung aufnimmt. Das sieht die FDP anders ... LASCHET Tatsächlich? Künftig wird die Polizei Kontrollen von Personen und Fahrzeugen ohne konkreten Verdacht durchführen können. Das nennen manche „Schleierfahndung“. Strategische Fahndung ergänzt dies um den wichtigen Rechtsstaatsaspekt. Es muss ein Anlass vorliegen, also eine bestimmte Lage. Wann kommt die elektronische Fußfessel für Gefährder? LASCHET Wir werden die elektronische Fußfessel für terroristische Gefährder im Sinne des BKA-Gesetzes im nordrhein-westfälischen Polizei- gesetz verankern, und zwar rechtskonform. Innenminister Herbert Reul arbeitet mit Hochdruck an umfassenden Verbesserungen. Es ist vorgesehen, dass wir die Details zum Plan für die Fußfessel schon im neuen Jahr vorlegen. Wäre der Anschlag von Anis Amri unter der heutigen Landesregierung verhindert worden? LASCHET Auch mit einem Jahr Abstand ist unbegreiflich, was da alles schiefgelaufen ist. Wir wollen und werden es besser machen. Wir brauchen eine Politik des Hinsehens und werden, soweit rechtlich möglich, Gefährder abschieben. Wann kommt denn endlich die neue Sicherheitskommission? LASCHET Sie ist bereits da. Die Tatsache, dass auch die Opposition ständig danach gefragt hat, zeigt ja, dass auch die Opposition den Bedarf sieht. Sie haben den Arbeitsbeginn der Kommission unmittelbar nach der Regierungsbildung angekündigt. LASCHET Die Kommission wurde noch innerhalb des ersten halben Jahres nach Regierungsübernahme konzipiert und offiziell präsentiert. Gerhart Baum war als Mitglied angekündigt und macht nicht mit. LASCHET Herr Baum ist nicht Mitglied der Kommission. Nicht mehr… LASCHET Gerhart Baum hat persönliche Gründe dafür angegeben, das er selbst nicht Mitglied werden werden wollte. Das akzeptiere ich. Herr Laschet, mit Verlaub. FDP-Chef Christian Lindner hat gesagt, Baum wird Mitglied. LASCHET Noch einmal: Wir haben eine hervorragende Aufstellung, die dem Willen der Koalition entspricht. Ich habe im Wahlkampf eine Kom- mission unter der Führung von Wolfgang Bosbach angekündigt. Das wird eingelöst. Ankündigung und Handeln sind 1:1 deckungsgleich. Warum haben Sie die Abschaffung des Sozialtickets angekündigt und dann wieder zurückgezogen? LASCHET Das war in der Tat einer der wenigen inhaltlichen Kritikpunkte, hatte sich aber nach einer Woche wieder gelegt, da wir sofort gehandelt haben. Zu meinem Verständnis von Politik gehört es, Fehler zu korrigieren. Wann fangen Sie an zu sparen? LASCHET Wir sind schon dabei. Als erste Landesregierung seit 44 Jahren planen wir einen Haushalt ohne neue Schulden. Wir wollen über die gesamte Legislaturperiode ohne neue Schulden auskommen. Das ist ein kompletter Paradigmenwechsel in der Landespolitik. Wo wollen Sie sparen? LASCHET Wir wollen den bürokratischen Überbau und die Überregulierung in den Behörden abbauen. Warum haben Sie dann 421 zusätzliche Stellen in den Ministerien geschaffen? LASCHET Das sind nicht 421. 139 Stellen im Nachtragshaushalt 2017 und im Haushalt 2018 weitere 282. LASCHET Ja, aber die haben spezielle, unverzichtbare Aufgaben, um zwingende Verbesserungen einzuleiten, etwa bei der inneren Sicherheit. Aber es sind zusätzliche Stellen. LASCHET Mal langsam. Wenn wir etwa beim Verfassungsschutz oder für die Kriminalitätsbekämpfung über 100 Leute im Bereich des Innenministeriums einstellen, ist das nicht Bürokratie, sondern innere Sicherheit. Wo wird es am Ende Ihrer Amtszeit weniger Beamte geben als vorher? LASCHET Wir haben gesagt, Konzentration auf die Kernaufgaben, also schnelle Genehmigungen, Polizei und Schule. Um hier verstärken zu können, muss alles andere überprüft werden – Ministerien und Landesbehörden. Die Kosten für die Stellen, die wir für die Regierungsneubildung einrichten mussten, werden wir über die Legislatur wieder einsparen. Eine solche Selbstverpflichtung gab es bisher bei keiner neuen Landesregierung. 2018 wollen Sie allen Sparankündigungen zum Trotz 527 Millionen Euro mehr ausgeben. LASCHET Ja, dort wo Ausgaben für Verbesserungen bei Bildung und innerer Sicherheit notwendig sind, wird es sie geben. Finanzminister Lutz Lienenkämper macht aber Schluss mit der Neuverschuldung. Kommt die große Koalition? LASCHET Ich sehe die Chancen größer als 50 zu 50. Teile der NRW-SPD, vor allem offenbar im Ruhrgebiet, machen Stimmung gegen eine neue große Koalition. Wenn ich den SPDVorsitzenden Michael Groschek in der Sache höre, nehme ich an, er sieht die Vorteile einer großen Koalition in Berlin für Nordrhein-Westfalen. MICHAEL BRÖCKER UND THOMAS REISENER FÜHRTEN DAS INTERVIEW.