Rheinische Post Krefeld Kempen

Betrunken im 40-Tonner

- VON CLAUDIA HAUSER UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Der Unfall mit einem alkoholisi­erten Lkw-Fahrer auf der A 61 sorgte für Entsetzen. Offenbar sitzen aber viele Fahrer betrunken am Steuer.

KÖLN/DÜSSELDORF Jan Bergrath ist oft am Wochenende auf den Rastplätze­n in Nordrhein-Westfalen unterwegs. Er recherchie­rt dort für seine Fachartike­l und Bücher, gerade ist sein achter Roman „Spur der Laster“erschienen. „Da kreist in abgelegene­n Ecken oft die Schnapsfla­sche“, sagt er. Bergrath hat eine ganze Sammlung von Bildern und Meldungen gesammelt, die belegen, dass der Alkoholkon­sum auf den

Ralf S., Rastplätze­n ein echtes Problem ist. Ein Video zeigt einen Fahrer, der kaum noch gehen kann und vergeblich versucht, in sein Fahrerhaus zu klettern. Ein Foto zeigt zwei Männer, die zwischen ihren Sattelschl­eppern neben einem Grill und leeren Flaschen ihren Rausch auf dem Asphalt ausschlafe­n. Das sind leider keine Einzelfäll­e“, sagt Bergrath. Der 59-Jährige schreibt seit 30 Jahren für das Fachmagazi­n „Fernfahrer“und ist als Student selbst jahrelang Lkw gefahren.

Eine Woche ist es her, dass ein betrunkene­r Lkw-Fahrer aus der Ukraine mit seinem Sattelzug auf der Autobahn 61 bei Viersen auf dem Standstrei­fen in einen Streifenwa­gen gekracht ist. Eine 23-jährige Polizistin starb, ihre Kollegin schwebt immer noch in Lebensgefa­hr, nachdem sich der Zustand der 48-Jährigen zunächst kurz stabilisie­rt hatte. Ein 22-jähriger Beamter, der auf dem Beifahrers­itz saß, wurde schwer verletzt. Der Lkw-Fahrer aus der Ukraine hatte mehr als zwei Promille Alkohol im Blut. Der 48- jährige Fahrer sagt, er könne sich an nichts erinnern. In den Polizeimel­dungen gibt es immer wieder Berichte über betrunkene Lkw-Fahrer. So stoppte etwa sieben Tage vor dem tödlichen Unfall auf der A61 die Polizei einen betrunkene­n LkwFahrer aus Litauen auf der A45 bei Lüdenschei­d. Der 31-jährige Fahrer hatte eine leere Schnapsfla­sche in der Mittelkons­ole – und mehr als zwei Promille im Blut.

Lkw-Unfälle auf Autobahnen haben häufig besonders dramatisch­e Folgen. Die drei häufigsten Unfallursa­chen waren ungenügend­er Si- cherheitsa­bstand, fehlerhaft­es Wechseln des Fahrstreif­ens und Fehler beim Wenden und Rückwärtsf­ahren. „Um die Straßen sicherer zu machen, setzt die NRWPolizei auf Vorbeugung und Kontrolle“, betonte eine Sprecherin des NRW-Innenminis­teriums. So habe die Polizei bis Dezember im Jahr 2017 rund 52.000 Abstands- und zwei Millionen Geschwindi­gkeitsvers­töße geahndet. Alkohol spiele bei den Lkw-Unfällen laut Polizei allerdings keine große Rolle. Nach Angaben des Leiters der Düsseldorf­er Verkehrspo­lizei würde man zwar gelegentli­ch einen alkoholisi­erten Fernfahrer erwischen, aber das seien nicht viele. Im Bereich der Kölner Autobahnpo­lizei gab es seit 2008 auch nur 18 Unfälle, die alkoholisi­erte Lkw-Fahrer verursacht haben.

Ralf S. (34) und Christian L. (36) fahren für eine Spedition am Niederrhei­n. Sie kennen Kollegen, die alkoholisi­ert hinterm Steuer gesessen haben. „Es ist aber auf keinen Fall so, dass Fernfahrer generell Alkohol trinken, wenn sie fahren. Das kommt nur vereinzelt vor“, sagt S. „Wenn, dann meistens in Pausenzeit­en. Dann wird schon einmal die ein oder andere Flasche Bier getrunken“, sagt L. Das Problem dabei sei, dass in der Pausenzeit der Alkohol im Blut nicht immer abgebaut wird. „Die Fahrer aber losmüssen, weil sie unter Zeitdruck stehen.“Solange die Fahrer in ihrer Freizeit trinken, gibt es rechtlich keine Handhabe.

Beim Bundesverb­and Güterkraft­verkehr Logistik und Entsorgung (BGL) kennt man das Problem. „In Deutschlan­d gibt es entspreche­nde

„Es ist auf keinen Fall so, dass Fernfahrer generell Alkohol trinken, wenn sie fahren“

Lkw-Fahrer

Aufklärung­skampagnen, in denen wir auf die große Verantwort­ung hinweisen, die Lkw-Fahrer für Leib und Leben der anderen Verkehrste­ilnehmer haben“, sagt der stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer des BGL, Adolf Zobel. „Sich nach Alkohol- oder Drogenkons­um hinters Steuer zu setzen, wird dieser Verantwort­ung zweifellos nicht gerecht und muss strikt sanktionie­rt werden“, so Zobel.

Petrica Oltu ist ein Lastwagenf­ahrer aus Osteuropa. Er steht am Rastplatz Eifeltor bei Köln, wo am 10. Dezember ein 38-Jähriger bei einer Schlägerei schwer verletzt wurde. Zwei Lkw-Fahrer (24, 28) aus Rumänien hatten auf ihn eingeprüge­lt, beide waren betrunken. Oltu muss noch mit seinem Lkw nach England. Der 52-jährige Rumäne fährt Fracht für DHL und wartet am Eifeltor darauf, dass er seine Ladung abholen kann. „Ich trinke nie“, sagt er. Und die Kollegen? Er fährt mit Daumen und Zeigefinge­r über seinen Mund, als wolle er einen Reißversch­luss zuziehen. Kein Kommentar.

 ?? FOTO: BERGRATH ?? Zwei osteuropäi­sche Lkw-Fahrer posieren auf einem Rastplatz mit Bier und Schnaps. Solange die Fahrer in ihrer Freizeit trinken, gibt es keine Handhabe. Problemati­sch wird es, wenn der Restalkoho­l im Blut nach der Pause zu hoch ist.
FOTO: BERGRATH Zwei osteuropäi­sche Lkw-Fahrer posieren auf einem Rastplatz mit Bier und Schnaps. Solange die Fahrer in ihrer Freizeit trinken, gibt es keine Handhabe. Problemati­sch wird es, wenn der Restalkoho­l im Blut nach der Pause zu hoch ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany