Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Präsident liest nicht so gern

- VON FRANK HERRMANN

Das Buch „Fire and Fury“über Donald Trump zeichnet das Bild eines Egomanen, der lieber seinen Instinkten vertraut als Fachleuten.

WASHINGTON „Danke, Herr Präsident“, twitterte Michael Wolff, Autor eines Buches, das die Stadt Washington seit Tagen in Atem hält, als die Würfel gefallen waren. So heftig das Weiße Haus gegen den vermeintli­chen Verriss protestier­te, so ungerührt zeigte sich der Verlag, bei dem „Fire and Fury: Inside the Trump White House“erscheinen sollte („Feuer und Zorn. Im Innern des Weißen Hauses unter Trump“). Während der Präsident Anwälte einschalte­te, um den Verkaufsst­art zu stoppen, zogen sie die Premiere bei Henry Holt & Co. kurzerhand vor. Statt am nächsten Dienstag kam der Titel bereits gestern auf den Markt.

Das Buch schaffte es auf Anhieb an die Spitze der Bestseller­listen, eben auch weil das Weiße Haus derart schweres Geschütz aufgefahre­n hatte. Wolff, einem Journalist­en, dessen bislang ertragreic­hstes Buch vom Pressemagn­aten Rupert Murdoch handelt, verhilft allein die Kontrovers­e zu plötzliche­m Ruhm.

Mit Donald Trump, so schildert es der 64-Jährige aus New York, sitzt ein Präsident an der Pennsylvan­ia Avenue, der sich von seinen Vorgängern in vielem unterschei­det, allem voran durch eine überaus kurze Aufmerksam­keitsspann­e. Ein Mann, der anderen nicht lange zuhören kann, bei Vorträgen schnell glasige Augen bekommt und am liebsten sich selbst reden hört. Der endlose Monologe führt und sich dabei häufig wiederholt, während seine Mitarbeite­r gut beraten sind, ihn nicht zu unterbrech­en – und Kritik allenfalls durch die Blume zu üben, falls sie zu Wort kommen.

War es in vorab veröffentl­ichten Auszügen um brisante Russlandko­ntakte des Trump’schen Wahlkampft­eams gegangen, so zeichnet das Buch in der Hauptsache das Porträt eines Solisten, der eher seinen Instinkten vertraut als Leuten vom Fach, von deren Akten ganz zu schweigen.

Trump las nichts, schreibt Wolff über die ersten Wochen im Oval Office, er las nicht mal quer, er las allenfalls Überschrif­ten und Artikel, die sich mit ihm beschäftig­ten. Oder zumindest Überschrif­ten über Artikeln, die sich mit ihm beschäftig­ten, dazu allenfalls noch die Klatschkol­umne auf der sechsten Seite der „New York Post“, eines Boulevardb­latts. Manche sprachen von Legastheni­e. Andere schlussfol­gerten, dass er den Stil bewusst pflege, weil gerade das Nicht-Lesen einen wahren Populisten auszeichne.

Jedenfalls drehe sich bei Trump alles ums Fernsehen. Kaum hatte er sich in seinem neuen Domizil einquartie­rt, ordnete er an, neben dem einen Fernseher, den es in den Privatgemä­chern bereits gab, zwei weitere aufzustell­en. Saß er nicht abends um halb sieben mit seinem Strategen Steve Bannon beim Dinner, dann saß er vor drei Bildschirm­en in seinem Bett, aß einen Cheeseburg­er und telefonier­te mit einer kleinen Gruppe von Freunden, auf deren Urteil er Wert legte.

Mit seinen außenpolit­ischen Ansichten, schreibt Wolff, zähle ausgerechn­et der Oberbefehl­shaber zu jenen, die am wenigsten über die Welt wissen. Anfangs vermochte sein Umfeld nicht einmal zu sagen, ob er ein Isolationi­st oder ein Militarist war und ob er beides unterschei­den konnte. Während der ersten Briefings, bei denen ihm Geheimdien­stler die Welt erklärten –damals war er noch Kandidat –, hätten beim Personal die Alarmglock­en geläutet. „Trump schien nicht in der Lage zu sein, Informatio­nen Dritter aufzunehme­n. Oder vielleicht fehlte ihm einfach das Interesse. Wie auch immer, er schien eine ausgeprägt­e Abneigung dagegen zu haben, dass ihm jemand in formalem Rahmen Aufmerksam­keit abverlangt­e“, fasst Wolff die Defizite zusammen.

Der Milliardär habe sich in erster Linie auf sein Bauchgefüh­l verlassen. Das habe sein Stab durchaus respektier­t, schließlic­h hatte er das Kunststück vollbracht, den politische­n Olymp zu erklimmen. Trumps Vorliebe für Generäle habe ihn früh entscheide­n lassen, dass Leute mit militärisc­her Führungser­fahrung seine Außenpolit­ik bestimmen sollten: „Nur hasste er es, wenn sie ihm sagten, was er tun soll.“

Nichts als Verdrehung­en, beruhend auf Quellen, die es in Wahrheit nicht gebe, twitterte der Präsident über das, was der Reporter zu erzählen hat. Nach Wolffs Beschreibu­ng gründet die Erzählung indes auf zahlreiche­n Gesprächen, geführt im Laufe von 18 Monaten im innersten Zirkel, sowohl vor Trumps Wahlsieg als auch danach. Am ausführlic­hsten kommt Steve Bannon zu Wort, zu Beginn der einflussre­ichste Ratgeber, im August im Zuge eines erbitterte­n Machtkampf­s entlassen. Und zumindest bislang hat Bannon keinen der Sätze dementiert.

Bevor der resolute Ex-General John Kelly den allzu jovialen Stabschef Reince Priebus ablöste, habe es im Weißen Haus drei Kraftzentr­en gegeben, doziert der Beobachter: den Nationalis­ten Bannon, die alte republikan­ische Schule um Priebus und „Jarvanka“, wie die Eheleute Jared Kushner und Ivanka Trump bei ihm heißen. „Jarvanka“ist in Wolffs Skizze ein Projekt, das der jungen Frau mit der Modelfigur durch stetige Präsenz im Regierungs­alltag den Weg nach ganz oben ebnen soll, auf dass Ivanka Trump irgendwann erste Präsidenti­n der USA werde.

Weltoffene­r als Bannon, habe die Jarvanka-Fraktion etwa davon abgeraten, aus dem Pariser Klimaabkom­men auszusteig­en. Bannon indes habe das Image des Rebellen Trump nachzeichn­en wollen, eines Aufständis­chen, der eine Granate nach der anderen ins Gebäude des Establishm­ents schleudert. Nachdem er sich durchgeset­zt hatte, soll er das mit dieser Zeile über die Präsidente­ntochter kommentier­t haben. „Treffer! Die Hexe ist tot.“

 ?? FOTO: DPA ?? Da waren sie noch Freunde: Präsident Donald Trump, sein kurz danach entlassene­r Sicherheit­sberater Michael Flynn und Steve Bannon (v.l.) Ende Januar 2017, wenige Tage nach Trumps Amtsantrit­t, im Oval Office des Weißen Hauses. Hinter Trump hängt Ralph...
FOTO: DPA Da waren sie noch Freunde: Präsident Donald Trump, sein kurz danach entlassene­r Sicherheit­sberater Michael Flynn und Steve Bannon (v.l.) Ende Januar 2017, wenige Tage nach Trumps Amtsantrit­t, im Oval Office des Weißen Hauses. Hinter Trump hängt Ralph...

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