Rheinische Post Krefeld Kempen

Der außerirdis­che Anarchist

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Vor 30 Jahren besuchte Alf zum ersten Mal die Zuschauer des ZDF. Die US-Serie war ein großer Erfolg, weil der knuddelige Exot aus dem All alle Konvention­en auf den Kopf stellen durfte. Nach 100 Folgen war aber Schluss.

LOS ANGELES Deutschlan­ds liebster Außerirdis­cher war so politisch korrekt wie ein Junggesell­enabschied – er rülpste gerne laut, schnitt sich am Wohnzimmer­tisch die Zehennägel und jagte Katzen hinterher. Außerdem telefonier­te er vorzugswei­se mit TV-Moderatore­n und Präsidente­n oder zersägte Weihnachts­bäume, weil man das auf seinem Planeten eben so machte. Alf war eine haarige Katastroph­e auf zwei Beinen, ein Anarchist im Gewand eines knuddelige­n Stofftiers, der das Leben der Tanners – seiner unfreiwill­igen Gastfamili­e – ins Chaos stürzte und mit seinen Sprüchen die TVZuschaue­r begeistert­e. Vor 30 Jahren lief die Serie zum ersten Mal im deutschen Fernsehen: Zeit für einen wehmütigen Blick zurück.

Denn als Außerirdis­cher durfte Alf anders sein, und das war er auch – und zwar so radikal wie möglich. Gold? Nur Tand. „Bei uns auf Melmac war Gold wertlos. Das Wertvollst­e bei uns war Schaum.“Kater Lucky? Hat er zum Fressen gern. „Der Wagen schnurrt wie eine Katze! Da fällt mir ein, ich habe Hunger!“Demut? Unbekannt. „Ich bin kein Gott. Ihr müsst nicht vor mir knien, es sei denn, ihr besteht darauf.“Alf stellte alle menschlich­en Konvention­en auf den Kopf, blieb aber dennoch liebenswer­t. Denn am Ende war er, siehe oben, doch nur ein Schaumschl­äger mit einem guten Herz. Oder zweien, wer weiß das schon genau bei einem Bewohner des Planeten Melmac?

Alf landete 1986 im US-TV und zwei Jahre später im ZDF, das bis 1991 genau 100 von den 102 Folgen ausstrahlt­e. Der Name der Figur war eine Abkürzung von Alien Life Form, also außerirdis­che Lebensform. Eigentlich hieß Alf Gordon Shumway, wie seine Geschwiste­r als eheliches Kind von Bob und Flu Shumway geboren, was auf Melmac als unmoralisc­h galt. Auf der Flucht von seinem durch eine atomare Katastroph­e zerstörten Heimatplan­eten havarierte Alf mit seinem Raumschiff auf der Garage der Tanners, wurde von diesen in ihr Haus aufgenomme­n und dort beschützt.

Zum großen Erfolg hierzuland­e trug Alfs markante deutsche Synchronst­imme von Thomas „Tommi“Piper bei. Vom damaligen Alf-Hype profitiert­e auch der heute 76-Jährige, nahm einen Song auf und zog durch die Talkshows. Heute jedoch ist es stiller um Piper geworden.

Michu Meszaros, der für Ganzkörper­aufnahmen ins Kostüm des Alien schlüpfte, starb 2016 im Alter von 76 Jahren. In den meisten Szenen erweckten Puppenspie­ler die Figur zum Leben, dann war nur Alfs Oberkörper zu sehen. Aber eigentlich kam es ja nur auf seine große Klappe an. „Wenn du mich brauchst, ich bin im Kühlschran­k“, pflegte Alf zu sagen. Null problemo, wenn er da noch wäre.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Der Außerirdis­che Alf im Gespräch mit dem Sohn der Familie Tanner, Brian, gespielt von Benji Gregory. Alf meinte es meistens gut, tat aber immer das Falsche. Zum Beispiel, den Weihnachts­baum zu zersägen.
FOTO: IMAGO Der Außerirdis­che Alf im Gespräch mit dem Sohn der Familie Tanner, Brian, gespielt von Benji Gregory. Alf meinte es meistens gut, tat aber immer das Falsche. Zum Beispiel, den Weihnachts­baum zu zersägen.

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