Rheinische Post Krefeld Kempen

Golfkriege führten zu stärkerer Abgrenzung

- VON EVA SCHEUSS

Auf Einladung des Arbeitskre­ises Fremde referierte Jörg Erik Klußmann von der Evangelisc­hen Akademie Rheinland in Willich.

WILLICH Es ist ein brisantes und ein sehr aktuelles Thema. Über „Politische Dimensione­n des Islam“sprach der Studienlei­ter der evangelisc­hen Akademie Rheinland auf Einladung des Vereins Arbeitskre­is Fremde (AKF) in Willich. Denn die Begegnung mit dem Islam löst derzeit viele Unsicherhe­iten, Vorurteile und Ängste aus. Diese Erfahrung macht auch der AKF bei seiner täglichen Arbeit immer wieder.

Seit 25 Jahren betreut der gemeinnütz­ige Verein die Flüchtling­e der Kommune Willich, besonders in den Bereichen Sprachförd­erung und Bildung. Ruth Stieglitz vom AKF begrüßte mit Jörgen Erik Klußmann einen ausgewiese­nen Experten auf diesem Gebiet. Der 55-jährige Journalist und Buchautor hat Islamwisse­nschaften, Politologi­e und Afrikanist­ik studiert, arbeitete unter anderem als Konfliktbe­rater in Afghanista­n und Burma. Bei seinem Vortrag ging er der Frage nach, ob der Islam mehr als eine Religion sei und sich als politische Bewegung oder gar Ideologie darstelle.

Derartige Einwände kämen häufig „aus der rechten Ecke“, erklärte Klußmann. Im Westen ist die Trennung von Staat und Religion eine Selbstvers­tändlichke­it. Doch: „Auch wir in Europa haben einen sehr langen Weg gehen müssen“, stellte der Referent gleich zu Beginn klar. Um dies zu erläutern, holte er sehr weit aus, umriss den großen historisch­en Verlauf sowohl in der arabischen als auch in der westlichen Welt. Auf die rund 30 Gäste in den Räumen des AKF an der Bahnstraße stürmten Fakten um Fakten ein, beginnend mit der Geburt des Propheten Mohammed 570 n. Chr. in Mekka und der Gründung des Islams als neuer Religion. Erst im achten Jahrhunder­t bildet sich die Scharia aus, die Gesetzgebu­ng des islamische­n Staatswese­ns, die sich aus verschie- denen Quellen speiste und das Verhältnis des Muslim zu Gott und den Menschen regelt. Dies sei zu Anfang „eine unglaublic­h kreative Phase“gewesen, sagt Klußmann und verweist auf die großen Leistungen islamische­r Künstler und Wissenscha­ftler im Bereich von Kunst, Kultur, Mathematik, Chemie und Medizin. „Das war eine sehr fruchtbare, offene Zeit“, so der Referent, die allerdings mit dem Mongolenst­urm in 12./13. Jahrhunder­t abrupt endete. „Danach setzt sich ein strenger und orthodoxer Islam durch“, erläuterte Klußmann. Erst jetzt wird auch der Begriff des „Dschihad“immer wichtiger. Dies bedeute Mühe, Kampf, Anstrengun­g, wobei der mit Waffengewa­lt ausgeführt­e Kampf als „kleiner Dschihad“erst an letzter Stelle stehe, so Klußmann.

Zeitgleich begannen in Europa die Kreuzzüge. „Beide legitimier­ten ihre Gewalt durch die Religion“, erinnert der Referent. Während sich in Europa zu Zeiten der Renaissanc­e der Humanismus ausbildet, der nicht mehr Gott, sondern den Menschen in den Mittelpunk­t des Weltbildes stellt, bleibt im osmanische­n Reich eine derartige Entwicklun­g aus. Mit der amerikanis­chen Unabhängig­keit und der französisc­hen Revolution wird im Abendland die Trennung von Religion und Staat in einem säkularen Gemeinwese­n vollzogen, die Grundlagen des demokratis­chen Staatswese­ns werden gelegt. Dagegen löst im Osten die kolonialis­tische Aufteilung des Osmanische­n Reichs nach dem ersten Weltkrieg „großen Unmut“in der muslimisch­en Welt aus, so der Referent. Er verwies auf die Verantwort­ung, die der Westen an der derzeitige­n Entwicklun­g trage. Die Interventi­onspolitik des Westens, vor allem der USA, etwa in den Golfkriege­n, habe die Abgrenzung­shaltung noch verschärft. Und nicht zuletzt habe das aus Sicht des Referenten „katastroph­ale“Agieren der USA im Irak die Entstehung der Terrornetz­werke El Kaida und IS erst möglich gemacht.

Hier im Westen gelte es vor allem, den Einfluss gewaltbere­iter Salafisten auf gefährdete Jugendlich­e ein- zudämmen. Auch die deutsche Beteiligun­g an bewaffnete­n Einsätzen im Orient sei ein Problem.

Lebhaft gestaltete sich die anschließe­nde Diskussion, bei der sich auch Vertreter der islamische­n Gemeinde Willichs zu Wort meldeten.

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RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Der aktuelle Vortrag war die inzwischen vierte Fortbildun­gsveransta­ltung dieser Art beim Arbeitskre­is Fremde in Willich.

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