Rheinische Post Krefeld Kempen

Zeit für eine Agenda 2030

- VON ANTJE HÖNING VON MATTHIAS BEERMANN STRESSTEST FÜR ERDOGANS SYRIEN-BÜNDNIS, SEITE A 5

Die Wirtschaft boomt, der Aufschwung geht ins achte Jahr. Für eine reife Volkswirts­chaft wie die deutsche ist das Wachstum beachtlich. Regieren könnte leicht sein wie nie, stattdesse­n tun sich die Parteien schwer wie nie, eine neue Regierung zu bilden. Dabei gibt es, wie schon Gerhard Schröder wusste, keine rechte oder linke Wirtschaft­spolitik, sondern nur richtige oder falsche. Das gilt erst recht in Zeiten der Digitalisi­erung und des verschärft­en globalen Wettbewerb­s.

Union und SPD sind sich immerhin einig, dass die kalte Progressio­n beseitigt und die Mittelschi­cht steuerlich entlastet werden muss. Wenn schon ab einem Jahreseink­ommen von 55.000 Euro der Spitzenste­uersatz fällig wird, ist etwas faul im Steuerstaa­t. Im Gegenzug aber will die SPD den Spitzensat­z anheben. Damit würde sie auch Selbststän­dige und Personenge­sellschaft­en treffen. Sieht sie nicht, wie Trump mit seiner Reform gerade den Steuerwett­bewerb anheizt? Und sieht sie nicht, dass – auch unter Gerechtigk­eitsaspekt­en – Energiekos­ten und Sozialabga­ben das eigentlich­e Problem sind? Schon jetzt liegt die Sozialabga­ben-Quote nur schöngerec­hnet unter 40 Prozent. Eine kluge Regierung würde die guten Zeiten nutzen, um für demografis­ch harte Zeiten vorzusorge­n. Stattdesse­n dreht sich die Debatte um die Frage, ob man neue Rentengesc­henke zu Lasten der Beitragsza­hler lieber für Mütter (CSU) oder für Geringverd­iener (SPD) verteilen will. abei gibt es eine klare Agenda für richtige Sozialpoli­tik: Die Arbeitslos­enversiche­rung braucht einen Automatism­us wie in der Rentenkass­e – bei Milliarden­überschüss­en muss der Beitrag runter, die Arbeitsage­ntur ist schließlic­h keine Sparkasse. In der Rentenpoli­tik müssen jetzt die Weichen für 2030 gestellt werden, wenn die Babyboomer in Ruhestand gehen, die selbst zu wenig Kinder zeugten, um den Generation­envertrag zu sichern. Eine weitere Anhebung des Rentenalte­rs über 67 hinaus oder weitere Abschläge dürfen kein Tabu sein. Gesundheit­sminister Gröhe hat wegen des Booms beim Thema Kassenfina­nzen lange die Hände in den Schoß gelegt. Doch im nächsten Abschwung, spätestens 2030, stellt sich auch hier die Kostenfrag­e neu. Deutschlan­d muss Kliniken schließen und den Gesundheit­sfonds reformiere­n. Wer jenen Kassen das meiste zahlt, die ihre Patienten besonders krank schreiben, setzt falsche Anreize.

Merkels erste große Koalition setzte die nötige Rente mit 67 durch, Merkels zweite Groko gab vor allem Geld aus. Die nächste Regierung muss wieder zukunftsfä­hige Politik machen. Zeit für eine Agenda 2030. BERICHT GROKO HÄNGT AM SEIDENDEN FADEN, TITELSEITE

DIKein Frieden in Syrien

n Syrien hatten Regierungs­truppen mit tatkräftig­er Unterstütz­ung aus Russland und dem Iran schon im vergangene­n Jahr mehr als die Hälfte des Landes zurückerob­ert, darunter praktisch alle strategisc­h wichtigen Gebiete. Der blutige Bürgerkrie­g, der Hunderttau­sende Opfer gefordert hat, schien entschiede­n und irgendwie vorbei. Schon fordern einige Politiker eine Rückkehr geflohener Syrer in ihre Heimat. Aber die Vorstellun­g, das Bürgerkrie­gsland sei auf dem besten Weg zu friedliche­n Verhältnis­sen, ist freundlich gesagt naiv.

Schon seit Monaten lässt das Regime eine von der Opposition gehaltene Enklave östlich von Damaskus schwer bombardier­en, in der Zehntausen­de Zivilisten kurz vor dem Verhungern stehen. Und nun läuft auch noch eine Offensive auf Idlib, die letzte von Assads Gegnern gehaltene Provinz. Es handelt sich dabei wohlgemerk­t um eine sogenannte Deeskalati­onszone, aber die ist das Papier nicht wert, auf dem sie eingetrage­n wurde. Die nächste Flüchtling­swelle rollt schon. Wir werden womöglich schon bald merken, wie es um den Frieden in Syrien bestellt ist. BERICHT

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