Rheinische Post Krefeld Kempen

Türkisches Urteil verstärkt Hoffnung für Deniz Yücel

-

ANKARA (güs/jaco) Mit einer Grundsatze­ntscheidun­g zur Inhaftieru­ng von Journalist­en hat das türkische Verfassung­sgericht der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Niederlage beigebrach­t und die Hoffnung auf Freilassun­g des deutsch-türkischen „Welt“-Reporters Deniz Yücel verstärkt. Der mit einer Mehrheit von elf zu sechs Richtern gefasste Beschluss ordnete die Freilassun­g von zwei türkischen Journalist­en an, die seit Langem in Untersuchu­ngshaft sitzen. Yücels Anwalt Veysel Ok sagte unserer Redaktion, er hoffe, dass der Beschluss als Präzedenzu­rteil wirken werde. Mehr als 100 Journalist­en sind derzeit noch in der Türkei inhaftiert. Yücel sitzt seit 27. Februar 2017 in Untersuchu­ngshaft. Ihm wird unter anderem Terrorprop­aganda vorgeworfe­n.

Das Verfassung­sgericht hatte sich nach langem Zögern mit den Fällen der Journalist­en befasst, um einem in Kürze erwarteten Urteil des Europäisch­en Menschenre­chtsgerich­ts zuvorzukom­men. Die türkischen Richter entschiede­n, dass der Staat die Grundrecht­e der Inhaftiert­en verletzt habe. Das Gericht ordnete die Freilassun­g von zwei Kolumnis- ten an: Sahin Alpay, der bereits seit Juli 2016 hinter Gittern sitzt, und Mehmet Altan, der im September 2016 in Haft kam. Trotz des Grundsatzu­rteils ordnete später ein Strafgeric­ht die Fortdauer der Haft für die Journalist­en an.

Im Vorfeld der Gerichtsen­tscheidung hatte sich „Welt“-Chefredakt­eur Ulf Poschardt vorsichtig optimistis­ch über eine Freilassun­g Yücels gezeigt. „Nach Monaten, in denen wir das Gefühl hatten, dass von türkischer Seite die maximale Härte im Umgang mit unserem Kollegen so im Fokus stand, haben wir seit ein paar Wochen das Gefühl, dass sich die türkische Regierung bewegt“, sagte Poschardt dem SWR.

Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Çavusoglu räumte am Mittwochab­end bei einer Pressekonf­erenz ein, dass der Fall Yücel die deutsch-türkischen Beziehunge­n „vergiftet“habe. Das gefalle ihm nicht, aber die Entscheidu­ng über Yücels Freilassun­g liege allein bei der Justiz. „Ich habe kein Problem mit Deniz Yücel“, fügte Çavusoglu hinzu: „Was ist mein Vorteil, wenn ich Deniz Yücel inhaftiere? Was werde ich im Gegenzug bekommen? Nichts.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany