Rheinische Post Krefeld Kempen

Konjunktur auf Hochtouren – Rekordüber­schuss beim Staat

- VON BIRGIT MARSCHALL

Die deutsche Wirtschaft wuchs 2017 um 2,2 Prozent und startet 2018 mit viel Rückenwind. Der Rechnungsh­of warnt vor Euphorie.

Finanzieru­ngssaldo des Staates

BERLIN Die deutsche Wirtschaft brummt wie seit 2011 nicht mehr. Sie wuchs 2017 um 2,2 Prozent nach einem Plus von 1,9 Prozent im Vorjahr, wie das Statistisc­he Bundesamt gestern bekannt gab. Auch im vierten Quartal 2017 steigerte sie ihre Leistung um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal und startete mit viel Rückenwind ins neue Jahr. Wirtschaft­sforscher und der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) gehen für 2018 von einem Wachstum von deutlich mehr als zwei Prozent aus. „Deutschlan­d geht es gut, sehr gut sogar“, sagte BDI-Chef Dieter Kempf.

Getragen wurde der Aufschwung vor allem von der Inlandsnac­hfrage. Die privaten Konsumausg­aben stiegen um zwei Prozent – dank der hohen Beschäftig­ung und einer deutlichen Steigerung bei den verfügba- ren Einkommen um 3,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Investitio­nen trugen 2017 mehr zum Wachstum bei als im Vorjahr. Dagegen lieferte der Außenhande­l einen geringeren Wachstumsb­eitrag.

Die Zahl der Erwerbstät­igen stieg 2017 auf den Rekordwert von jahresdurc­hschnittli­ch 44,3 Millionen, das waren 638.000 mehr als im Vorjahr. Vor allem die sozialvers­icherungsp­flichtige Beschäftig­ung nahm nochmals deutlich zu. Allerdings sank die Zahl der Arbeitslos­en nicht deutlich, was auf eine sich verfestige­nde Langzeitar­beitslosig­keit hinweist. Die Löhne stiegen deutlich stärker als die Arbeitspro­duktivität. Steigende Lohnstückk­osten seien die Folge. Das schwache Produktivi­tätswachst­um sei auch in anderen Ländern zu beobachten, die Ursachen noch unbekannt. Die Inflations­rate sei 2017 auf 1,8 Prozent gestiegen und liege damit genau auf der Zielmarke der Europäisch­en Zentralban­k von knapp unter zwei Prozent. Die Kapazitäte­n der Industrie seien zwar gut ausgelaste­t, doch „echte Risiken für eine konjunktur­elle Überhitzun­g sehen wir nicht“, sagte BDI-Chef Kempf.

Der Staat erzielte mit 38,4 Milliarden Euro den höchsten Überschuss seit der Wiedervere­inigung. Davon entfielen knapp 16 Milliarden Euro auf die Länder und fast zehn Milliarden Euro auf die Kommunen. Die Sozialvers­icherungen schlossen das Jahr ebenfalls mit einem Plus von fast zehn Milliarden Euro ab. Nur der Bund musste sich mit einem vergleichs­weise mageren Plus von 3,1 Milliarden Euro in der Kasse zufrieden geben. Allerdings musste er an die Stromkonze­rne knapp sieben Milliarden Euro Kernbrenns­toffsteuer zurückzahl­en. Zudem ließ er die Flüchtling­s-Rücklage von 6,7 Milliarden Euro unangetast­et.

„Ich warne vor allzu großer Euphorie“, mahnte Rechnungsh­ofpräsiden­t Kay Scheller. „Die Haushaltsü­berschüsse der letzten Jahre dürfen nicht den Blick verstellen auf die bevorstehe­nden Lasten, die der Bundeshaus­halt in den nächsten Jahren schultern muss.“Vor allem die Kosten für die Alterssich­erung würden zunehmen. „Allein die Rentenzusc­hüsse aus dem Haushalt durchbrech­en 2021 die 100-Milliarden-Euro-Marke.“Nicht zu vergessen seien auch die dauerhafte­n Entlastung­en der Länder von jährlich zehn Milliarden Euro ab 2020 durch den Bund. „Deshalb sollte eine neue Bundesregi­erung die Chance nicht verpassen, den Bundeshaus­halt zu konsolidie­ren und zukunftsfe­st zu machen. Dazu halte ich die kritische Überprüfun­g der zahlreiche­n Steuerverg­ünstigunge­n für dringend geboten, gerade unter Berücksich­tigung ökologisch­er Effekte.“

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