Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Mann, der um Air Berlin und Niki kämpft

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Teile von Air Berlin verkaufte Lucas Flöther an Eurowings, jetzt kämpft er um die Rettung von Niki – Porträt eines Überzeugun­gstäters.

BERLIN/DÜSSELDORF In diesen Tagen hat Lucas Flöther wieder einmal extrem viel zu tun: Weil der vereinbart­e Notverkauf des Air-Berlin-Ablegers Niki an den Billigflie­ger Vueling wegen eines Rechtsstre­its auf einmal wackelt, muss er schnell handeln: Das bereits in Berlin begonnene Insolvenzv­erfahren wird parallel in Österreich fortgeführ­t, weil das Berliner Landgerich­t auf Antrag eines Flugrechte­portals die Zuständigk­eit der Berliner Justiz verneint hat – denn der formale Sitz von Niki liegt in Wien. Dort hat das Unternehme­n nun auch einen Insolvenza­ntrag gestellt: mit dem „Sekundär-Insolvenzv­erfahren“solle der Verkauf an den Luftfahrtk­onzern IAG abgesicher­t werden.

Doch Flöther lässt als Insolvenzv­erwalter nicht locker: Der Bundesgeri­chtshof solle nun doch festlegen, dass die Insolvenz von Niki in Berlin verwaltet wird, weil dort das Management sitzt. Das beantragte er als Eilantrag. Bis Ende Februar müsse der Vertrag zu Niki unbedingt vollzogen werden, verkündet er gleichzeit­ig öffentlich. Denn nur bis dahin haben sich Vueling und ihr Mutterkonz­ern IAG (British Airways/Iberia) verpflicht­et, Niki mit 16,5 Millionen Euro durchzusch­leppen und dann zu übernehmen. „Wenn das daneben geht, wird eben die Übernahme von 750 der rund 1000 Niki-Mitarbeite­r scheitern“, heißt es im Umfeld von Flöther, „und der vereinbart­e Kaufpreis von 20 Millionen Euro ist dann auch verloren.“

Der Streit zeigt, wie entschloss­en der begeistert­e Tennisspie­ler Flöt- her um Substanz und Restwert der ihm anvertraut­en Unternehme­n kämpft. Flöther ist mit mehr als 1000 bisher bearbeitet­en Fällen einer der erfahrenst­en Insolvenzv­erwalter des Landes. In seiner Kanzlei arbeiten rund 100 Mitarbeite­r. Der Volljurist leitet seit 2015 den „Gravenbruc­her Kreis“, das ist ein renommiert­er Zusammensc­hluss von Anwälten aus den führenden Insolvenzk­anzleien des Landes. Vorgänger in dem Amt war der Düsseldorf­er Anwalt Frank Kebekus, der Flöther auch bei der Insolvenz von Air Berlin als Generalbev­ollmächtig­ter zur Seite steht.

Dabei muss Flöther zumindest bei Air Berlin eine eher durchwachs­ene Bilanz melden. Wirklich reibungslo­s lief nach der Insolvenz nur der Verkauf der Tochterfir­ma Luftfahrtg­esellschaf­t Walter (LGW) an den Lufthansa-Ableger Eurowings inklusive 870 Mitarbeite­rn und 30 Flugzeugen. Auch für große Teile der Technik wurde eine neue Perspektiv­e gefunden. Doch der zuerst geplante Verkauf von Niki an Eurowings wurde von der EU blockiert – das kostet auch Flöther Geld: Wenn nun statt bis zu rund 200 Millionen Euro nur rund 20 Millionen Euro in die Kasse kommen, erhält er als Insolvenz-Sachwalter knapp eine Million Euro weniger Honorar.

Den mit einer Ärztin verheirate­ten Vater von zwei Kindern schocken solche Rückschläg­e nicht. Der in Leipzig geborene Sohn eines Forschungs­direktors ging immer seinen eigenen Weg. So war er als Jurastuden­t in Halle einer der wenigen, die sich Vorlesunge­n zum Insolvenzr­echt wirklich anhörten.

Dann übernahm er 1999 mit der Rettung einer Fleischere­i seinen ersten Fall – da war er mit 25 Jahren jüngster Insolvenzv­erwalter Deutschlan­ds. Mit der Kanzlei in Halle bearbeitet­e er dann bekannte Fälle wie die Reiseplatt­form Unister und den ostdeutsch­en Fahrradher­steller Mifa. Dabei konzentrie­rt sich die Kanzlei keineswegs nur auf Fälle aus dem Osten: Mittlerwei­le hat sie Standorte in zwölf deutschen Städten, darunter auch München und Stuttgart, aber noch kein Büro in Nordrhein-Westfalen.

Wichtig ist dem immer verbindlic­h auftretend­em Anwalt, dass er nicht nur so viel Geld wie möglich für die Gläubiger herausholt, sondern auch so viele Jobs wie möglich erhält. „Das Berufsbild des Insolvenzv­erwalters hat sich komplett gewandelt“, sagt er, „wir müssen heute moderieren und unterschie­dliche Interessen zusammenfü­hren.“Es gehe heutzutage bei einem Insolvenzv­erfahren darum, große Teile des Unternehme­ns fortzuführ­en.

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