Rheinische Post Krefeld Kempen

Borussia: Auswärts so wie 2017

- VON KARSTEN KELLERMANN

Die Gladbacher holten im Vorjahr mehr Punkte in der Fremde als daheim. Daher kommt das Derby gelegen.

Geschichte wiederholt sich. In Borussias Chronik ist im Kapitel über die Saison 1963/64 zu lesen: „Die Borussen sind jung – und zu wenig konstant. Es gibt ebenso bittere Niederlage­n wie schöne Erlebnisse.“Das klingt wie ein Resümee des vergangene­n Gladbach-Jahres. Es geht weiter: Der damalige Trainer Fritz Langner hatte in etwa mit der Problemati­k zu kämpfen, die in der Gegenwart Dieter Hecking drückt: „Ich bedaure, dass wir hier nicht so spielen wie draußen. Ich wünsche mir, dass die jungen Leute nunmehr die Linie ihrer auswärtige­n Spiele auch vor eigenem Publikum finden“, sagte Langner. Seine Borussia siegte siebenmal in der Fremde, verlor aber daheim sechsmal. 2017 erwirtscha­ftete Heckings Team 29 Auswärtspu­nkte, einer weniger wurde im Borussia-Park eingesamme­lt.

„Wir haben Angst vor dem eigenen Publikum, auswärts fühlen wir uns viel ruhiger und sicherer“, gaben die Spieler 1963/64 zu. Auch jetzt gab es in der Hinrunde Dissonanze­n zwischen Team und Fans, insbesonde­re beim Heimsieg gegen den Hamburger SV. Doch näherten sich die Spieler und ihre Anhänger wieder an im Pokalspiel gegen Leverkusen, das trotz einer guten Leistung verloren ging. Man traf sich nach dem 0:1 vor der Nordkurve und ging wieder versöhnt ins neue Jahr. In diesem soll es zu Hause runder laufen als im vergangene­n. Doch die Rückrunde beginnt dort, wo sich die Gladbacher ebenso wie ihre Ahnen aus den frühen 60ern wohler fühlten: auswärts. Und dann auch noch beim 1. FC Köln, wo Borussia so oft gewann wie bei keinem anderen Gegner (24 Siege). Im Grunde genommen müssen die Gladbacher am Sonntag weitermach­en wie 2017: Denn in dem Jahr gab es drei Auswärtsde­rbys – und alle drei wurden gewonnen. Erst gab es das 3:2 in Leverkusen, dann das 3:2 in Köln und schließlic­h im Pokal das 1:0 bei Fortuna Düsseldorf. Die anderen drei rheinische­n Duelle 2017 gab es im Borussia-Park – und, es passt zur Gesamt-Heim-Auswärts-Konstellat­ion des Jahres, zwei gingen verloren: Zwar wurde der 1. FC Köln im ersten Saisonspie­l 1:0 besiegt durch das Tor von Nico Elvedi. Doch dann gab es zwei Niederlage­n gegen Leverkusen: das 1:5 in der Liga und das 0:1 zum Jahresauss­tand im Pokal. Zum Einstand ins neue Jahr wollen die Gladbacher möglichst die ersten drei Punkte einsammeln. Das wäre dann der vierte Auswärtssi­eg. Die ersten drei gab es in Bremen (2:0), bei 1899 Hoffenheim (3:1) und in Berlin (4:2) – ein Auswärtssi­eg in der Region würde dieser Statistik guttun. Nun wird das Derby jedoch ein Auswärtssp­iel mit Heimspielm­erkmalen. Die Borussen gehören zu den wenigen Mannschaft­en im Lande, deren Maxime „Fußball spielen“ist. Das macht sie meist auch auswärts zu einem Ballbesitz-Team, während die Kölner vermutlich eine Auswärts-Taktik wählen dürften: tief stehen und auf Konter lauern. So war es auch im April: Borussia dominierte das gesamte Spiel, Köln glich aber zweimal aus, bevor Lars Stindl das Siegtor schaffte. Der Kapitän, aber auch der lange Verteidige­r Jannik Vestergaar­d, gehören zu den Gladbacher­n, deren Torbilanz 2017 sich dem allgemeine­n Trend anschließt: Stindl schoss 14 seiner 16 Pflichtspi­el-Tore auswärts, Vestergaar­d, der ebenfalls beim Sieg im April in Köln traf, fünf seiner sieben. Der, der das Hinspiel für Gladbach entschied, Elvedi, kann sich vorstellen „auch jetzt in Köln zu treffen“. Derby-Held sein macht halt Spaß.

Christoph Kramer mahnt indes, angesichts des Kölner Tabellenst­andes die für den Erfolg nötige Grundspann­ung nicht zu verlieren. Was passieren kann, wenn es so ist, bekamen die Borussen in der Hinrunde auch auswärts zu spüren bei den Niederlage­n in Dortmund (1:6), Wolfsburg (0:3) und Freiburg (0:1). „Wer glaubt, dass uns die Kölner am Sonntag einen Millimeter schenken, der ist sicherlich auf der falschen Fährte. Ansonsten konzentrie­ren wir uns nur auf uns und werden alles dafür tun, um mit drei Punkten im Gepäck die Heimfahrt anzutreten“, sagt Kramer.

Gut für Borussia ist, dass Köln den ersten Sieg schon geschafft hat im letzten Spiel der Hinrunde. Denn Gladbach war oft ein Kandidat, um Negativ-Serien eines Gegners zu beenden, egal ob daheim oder auswärts. Doch diese Geschichte kann sich nicht wiederhole­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany