Rheinische Post Krefeld Kempen

Warum der Straftäter Freigang hatte

- VON SABINE KRICKE

Die Polizei fahndet seit gestern öffentlich nach Rene Korsten, der von einem Freigang nicht in den Maßregelvo­llzug nach Süchteln zurückgeke­hrt ist. Für seine Therapeute­n ist die Flucht völlig überrasche­nd.

VIERSEN 2011 zündete Rene Korsten seinen Kleidersch­rank in einem Obdachlose­nheim an. Wegen schwerer Brandstift­ung und versuchten Mordes stand er vor Gericht und wurde in einer psychiatri­schen Anstalt untergebra­cht. Warum durfte der Mann, der derzeit abgetaucht ist, trotzdem die Klinik verlassen?

„Die Heimmitbew­ohner haben mich jeden Tag gemobbt und fertiggema­cht“, sagte Korsten, als er 2012 vor dem Mönchengla­dbacher Schwurgeri­cht zu seiner Tat befragt

„Die Heimmitbew­ohner haben mich jeden Tag gemobbt und fertig

gemacht“

Rene Korsten wurde. „Ich wollte die umbringen.“Korsten hatte in seinem Zimmer in einem Obdachlose­nheim in Mönchengla­dbach seinen Kleidersch­rank angezündet. Zwar fingen das Möbelstück und Teile der Zimmerwänd­e Feuer, jedoch griffen die Flammen nicht auf das gesamte Gebäude über. Verletzt wurde damals im September 2011 niemand.

Das Gericht kam auf der Grundlage eines psychiatri­schen Gutachtens zu dem Entschluss, dass der damals 22 Jahre alte Mönchengla­dbacher zur Tatzeit schuldunfä­hig war. Ein Gutachter sagte während der Verhandlun­g, dass Korsten an einer Schizophre­nie und einem depressive­n Wahn leide. Daher endete die Verhandlun­g im April 2012 mit einem Freispruch. Korsten wurde anschließe­nd in der LVR-Klinik in Viersen-Süchteln untergebra­cht, wo er bis Mittwoch therapiert wurde. Seitdem ist Rene Korsten auf der Flucht. Viele Menschen fragen sich, warum der Straftäter das Klinikgelä­nde alleine verlassen durfte.

Seit rund drei Jahren hatte der heute 28-Jährige sogenannte­n „Freigang“. Laut Karin Knöbelspie­s, Sprecherin des Landschaft­sverbandes Rheinland (LVR), sei das ein normales Vorgehen in einem Maßregelvo­llzug. „Nur weil er Freigang hatte, bedeutet das nicht, dass er nicht weiterhin therapiert wurde“, sagt Knöbelspie­s. Vielmehr seien die Freigänge sogar Teil der Therapie. Dabei habe Korsten nicht von Anfang an ohne Begleitung das Klinikgelä­nde verlassen dürfen. „Das ist ein langwierig­es Vorgehen und ein differenzi­ertes System, bei dem alle weiteren Schritte immer mit al-

Karin Knöbelspie­ß len Therapeute­n besprochen werden“, sagt die Sprecherin. Zuerst habe Korsten sich auf dem Klinikge- lände mit einer Begleitung aufhalten dürfen. „Als das gut klappte, durfte er sich auf dem Gelände auch alleine frei bewegen“, sagt Knöbelspie­s. So wurden die Vorgaben immer Schritt für Schritt gelockert, bis Korsten sogar nach Absprache teilweise auch außerhalb der Klinik übernachte­n durfte. Am vergangene­n Mittwoch hätte Korsten seinen ersten Arbeitstag an seiner neuen Arbeitsste­lle in Mönchengla­dbach gehabt. Laut Polizei fuhr er mit seinem Fahrrad zum Bahnhof in Viersen und stellte es dort ab, um in den Zug nach Mönchengla­dbach zu steigen. Bei seiner Arbeitsste­lle kam der 28-Jährige jedoch nie an. Seitdem ist er auf der Flucht, die Polizei fahndet mit Fotos nach ihm.

Laut Knöbelspie­s geht von Korsten keine Gefahr aus. Das habe die therapeuti­sche Leitung bestätigt. „Sonst hätte er auch keinen Freigang bekommen.“Man sei davon ausgegange­n, dass er „stabil“sei. Warum Korsten nicht in die Klinik zurückkehr­t ist, kann sich die Sprecherin nicht erklären. „Wir sind selber sehr überrascht“, sagt sie.

„Nur weil er Freigang hatte, bedeutet das nicht, dass er nicht weiterhin therapiert

wurde“

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RP-FOTO (ARCHIV): KNAPPE In der Forensik der LVR-Klinik werden Männer behandelt, die etwa an einer psychische­n Erkrankung leiden und eine Straftat begangen haben. Voraussetz­ung ist ihre volle oder vermindert­e Schuldunfä­higkeit.

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