Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Herrenausstatter
Bert Jerabeck kleidete in den 1970ern Profis von Borussia Mönchengladbach ein. Auch beim Rivalen 1. FC Köln gewannet er prominente Kunden. Vor dem morgigen Derby blickt der 93-Jährige in vielen Anekdoten zurück.
MÖNCHENGLADBACH/KÖLN Peter Weiand ist entsetzt, als er in das Innere des Jackets schaut und dort den Schriftzug „Exquisit Herrenmoden Mönchengladbach“entdeckt. „Was ist das denn?“, fragt der Präsident des 1. FC Köln pikiert. Hennes Weisweiler zuckt mit den Schultern und winkt ab: „Chef, da machen Sie sich mal keine Gedanken. Der Laden hat auch einen Sitz in Rodenkirchen. Das hat nichts weiter zu bedeuten.“Natürlich hatte der große Weisweiler da ein wenig geflunkert. Denn sein Herrenausstatter hatte nie ein Geschäft im Kölner Stadtteil. Doch Weisweiler wollte eben unbedingt Anzüge von seinem Stammladen für die Auswärtsreise im Juni 1977 nach Japan. Bert Jerabeck, der Modeunternehmer, riskierte dafür Kopf und Kragen. Um rechtzeitig vor dem Abflug am Geißbockheim zu sein, war der Unternehmer im ambitionierten Tempo von Mönchengladbach nach Köln gefahren. In Neuss hielten ihn zwei Motorradpolizisten wegen seiner rasanten Fahrweise an. Jerabeck erklärte, dass er im Wagen eine wichtige Lieferung für den 1. FC Köln und Weisweiler habe. Statt eines Knöllchens eskortierten ihn die Ordnungshüter bis zum Geißbockheim. Dort wurde er schon von Weisweiler erwartet. „Bert“, sagte er, „Bert, du bist minge Fründ.“Eine Freundschaft, die ein paar Jahre zuvor in Mönchengladbach entstanden war.
Jerabeck sitzt an diesem Nachmittag am Kaffeetisch in seiner Eigentumswohnung im Mönchengladbacher Stadtteil Venn und blättert durch alte Alben. Zu jedem Foto hat er mindestens eine Geschichte zu erzählen. Man muss sich Zeit nehmen, wenn man mit ihm spricht, und man muss Lust haben auf Geschichten. Jerabeck ist 93 Jahre alt und ein begnadeter Geschichtenerzähler. Er hatte in Mönchengladbach und dem damals noch eigenständigen Rheydt zur Blütezeit drei Geschäfte. Exklusive Oberbekleidung. Jerabeck war Unternehmer in einer Zeit, in der man nicht zig verschiedene Größen per Mausklick am anderen Tag geliefert bekam. Er holte die Welt nach Mönchengladbach. Man brauchte gute Kontakte, um sehr gute Mode überhaupt anbieten zu können. Feinste Stoffe vor allem aus Italien. Wer etwas Besonderes haben wollte, der kam zu ihm.
Weisweiler war sein erster Kunde von Borussia. Der brachte Helmut Grashoff, den Manager, irgendwann in den Laden. Am Ende war Jerabeck mit „Exquisit“der inoffizielle Herrenausstatter des Vereins. Jerabeck hat alles besorgt, Jerabeck hat alles möglich gemacht. Er hat die Spieler begleitet, als sie selbst in Gladbach kaum jemand kannte, sie hielten ihm die Treue, selbst als ihnen Weltkarrieren gelangen. Günter Netzer hat er mal ein weißes DinnerJacket geliehen, weil er es für ausschließlich einen Anlass brauchte und sich zierte, ein eigenes zu kaufen. „Ich kannte von jedem Spieler die Größe und den Geschmack. Wenn einer in den Laden kam, wurde er dementsprechend versorgt“, erzählt der gebürtige Erkelenzer. Ein Hemd kostete damals rund 180 D-Mark (92 Euro), Anzüge bis zu 2000 Mark (1022 Euro). Einmal hat ein Vertreter von Hermès ihm Krawatten angeboten, die er für 229 Mark (117 Euro) anbieten sollte. Jerabeck winkte zunächst ab, probierte es dann aber doch. Nach zwei Tagen waren alle Schlipse weg. „Je teurer, desto besser“, erzählt er.
Die Spieler von Borussia seien neuen Trends fast alle aufgeschlossen gegenüber gewesen. Einmal stand Karl del’Haye zur Anprobe im Laden. In Trainingsklamotten. Berti Vogts, sagt Jerabeck, war ebenfalls dort und nicht amüsiert über den Auftritt seines Kollegen. „Karl“, soll er gesagt haben. „Karl, du gehst jetzt erstmal nach Hause und ziehst dich
Die große Zeit der Erbsenzähler ist wieder gekommen. Sie rechnen im stillen Kämmerlein anhand aktueller Ergebnisse aus, wie viele Medaillen sie demnächst in Pyeongchang für „ihr“vieles Geld, das ja unseres ist, erwarten dürfen. Das teilen sie dann in der sogenannten Eröffnungspressekonferenz am Vorabend der Olympischen Spiele an Ort und Stelle den Medien mit. Am Tag, an dem das Feuer erlischt, legen sie schließlich dar, ob die Athleten ihre Erwartungen erfüllt haben – und in welchen Bereichen nachgebessert werden muss.
Da kommt es – wie bei den Fechtern, die ja einst führend in der Welt waren – auch schon mal vor, dass den Versagern künftig die Fördermittel gekürzt werden, was bei mir schon immer die Frage hervorgeru- um, dann kannst du wieder kommen und dir hier einen Anzug aussuchen.“
Zu vielen seiner prominenten Kunden hat Jerabeck bis heute einen engen Kontakt. Mit Rainer Bonhof, Borussias heutigem Vizepräsident, ist er seit 35 Jahren Mitglied in einer exklusiven Männerrunde. Zu
Bert Jerabeck Jupp Heynckes und seiner Frau Iris haben er und seine Gattin Karoline bis heute ein enges freundschaftliches Verhältnis. „Der Jupp“, sagt er, „ist der bescheidenste Mensch, den ich kenne. Ein unfassbar toller Kerl. Immer ehrlich und total loyal.“
Es gibt so viele Anekdoten. Zum Beispiel über Albert Brülls, einer der ersten deutschen Fußballer, der als Legionär nach Italien ging. „In den ersten Jahren war der Albert total bescheiden“, sagt er. „Doch dann wurde er Nationalspieler, und er wollte von allem nur noch das Beste.“Oder Toni Schumacher, der Kölner Torwart. Der „Tünn“kam über den Kontakt Weisweiler, als der nach einer Zwischenstation beim FC Barcelona wieder den FC trainierte. „Der Toni war ein total Lieber. Der hatte nur so extreme X-Beine, dass ich ihm alle Hosen ändern musste“, erinnert sich Jerabeck. Oder Allan Simonsen. Von der Verpflichtung des Dänen erfuhr Weisweiler von Grashoff im Geschäft des Modehändlers. „Was soll ich mit so einem kleinen Männeken“, polterte Weisweiler. Simonsen wurde zu einem der besten Spieler in der Geschichte des Vereins.
Jerabeck geht schon seit Jahren nicht mehr ins Stadion. „Mein Geist ist noch fit, aber mein Körper spielt nicht mehr mit. Nach ein paar Metern bekomme ich Atemnot.“Das Derby zwischen Köln und Gladbach sieht er sich vom Sofa aus an. „Ich mag Köln, das sind immer sechs si- chere Punkte in einer Saison.“Er hat noch die Zeiten erlebt, in der diese Begegnung nicht mit Emotionen so überladen war wie heute. Als man sich gegenseitig auf den Arm genommen hat, aber keine Fäuste flogen wie seit den 1980er-Jahren sehr zuverlässig, wenn die beiden Mannschaften aufeinandertreffen.
Bert Jerabeck schließt das Fotoalbum. Zum Abschied sagt er, über die Mode, die die Spieler heute so tragen, wolle er sich kein Urteil erlauben. Alles habe seine Zeit. Aber eines verstehe er nicht. „Wieso müssen die jungen Burschen sich heute immer ein ganzes Telefonbuch auf ihren Körper tätowieren lassen? Was tragen die für schreckliche Frisuren?“Seine Frau kommt dazu. „Bert“, sagt sie. „Der Günter hatte aber auch sehr lange Haare.“Bert Jerabeck überlegt. „Genau, das war auch Günter Netzer“, sagt er und lacht. „Der Günter hat sich ja auch im Pokal gegen Köln selbst eingewechselt und das entscheidende Tor geschossen. Legenden dürfen das.“
„Wieso müssen die Burschen sich heute immer ein ganzes Telefonbuch
tätowieren lassen?“ Kaviar fürs Volk Ist das Geld, das der Staat in den Spitzensport investiert, gut angelegt? Unser Autor findet: ja. Solange man den Gegenwert nicht rein in Edelmetall bei Großereignissen bemisst.