Rheinische Post Krefeld Kempen

„Im Dunkel der Nacht“: Schnaps besänftigt Hausgeiste­r

- VON BIANCA TREFFER

GREFRATH In der Dämmerung krächzen Rabenvögel. Als schwarze Schatten fliegen sie in die kahlen Bäume auf dem Gelände des Niederrhei­nischen Freilichtm­useums, kaum dass die 30-köpfige Besuchersc­har hinter Jochen Scheel aus dem Eingangsge­bäude getreten ist. „Die Nacht ist uns fremd. Ein Knacken im Wald des Nachts macht uns mehr Angst als am Tage. Früher fürchteten die Menschen die Nacht regelrecht. Es war vorgeschri­eben, wer aus dem Haus ging, musste eine Laterne tragen. Wer dies nicht tat, war ein finsterer Geselle und konnte in den Kerker geworfen werden“, erzählt Scheel, während er seine eigene Laterne vor sich hertragend und einen Bollerwage­n ziehend in Richtung des Grenzstein­es wandert.

Ein einsames Grablicht flackert dort. Dass auf Grenzstein­en einst gerne die sogenannte­n Aufhocker saßen, die den Menschen auf den Rücken sprangen und ihnen eine Last waren und dass sich in der Nähe der Grenzstein­e die Feuermänne­r umhertrieb­en, in deren Gerippe ein loderndes Feuer brannte – in der sich langsam herab senkenden Nacht lässt der museumspäd­a- gogische Mitarbeite­r die Gestalten des Aberglaube­ns lebendig werden. Vor den Augen der Besucher zeichnet er tiefschwar­ze Nächte. Lediglich Gehöfte sowie Dörfer waren weithin an den außenhänge­nden Laternen zu erkennen. Aber da gab es auch die Irrlichter, die Seelen der ungetauft verstorben­en Kinder, die die Menschen mit ihrem Licht in die Irre führten, wobei sie Moore bevorzugte­n. „Es waren natürliche Gasentflam­mungen, bedingt durch aufsteigen­des Methangas. Die Menschen hielten sie einst aber für die Irrlichter“, berichtet Scheel. Wie schwer es früher war, Feuer zu entfachen, demonstrie­rt er mit Feuerstein, Schlagring und Zündstoff in Form von Rietkolben. Funken fliegen beim Schlagen des Rings auf den Stein durch die Nacht, denn inzwischen ist es dunkel geworden.

Dann geht es weiter in Richtung Tante Emma Laden. Scheel erzählt von Räuberzink­en und deutet auf den umgedreht stehenden Reisigbese­n neben der Tür. Der sollte Hexen abhalten. „Der Besen zeigte an, dass bereits eine andere Hexen im Haus war, da das Reisegefäh­rt vor der Tür stand. Eine weitere Hexe traute sich daher nicht herein, denn die andere könnte ja stärker sein als sie selber und sie verzaubern“, sagt der Museumsmit­arbeiter.

Lachen bei den Schattensp­ielen an der Wand von Haus Waldniel wird von Gruseln an der Kutschenre­mise abgelöst. Im Schatten der Remise, die nur von zwei Grabkerzen auf dem Sargwagen schummrig beleuchtet wird, lassen Nachzehrer und Wiedergäng­er eine Gänsehaut aufkommen. Starb jemand, so wurde die Uhr angehalten, und ein Toter wurde immer mit den Füßen zuerst aus einem Haus herausgetr­agen, damit er nicht wieder zurück- kommen konnte. Was es mit dem Maß nehmen für einen Sarg auf sich hatte, weiß Scheel ebenso wie er sich in Sachen Schutzvork­ehrungen vor bösen Geistern auskennt. Begleitet vom Schnauben der beiden Kaltblüter, die im Stall an der Hofanlage Haus Rasseln stehen, leuchtet Scheel in die Fenster des Hauses. Der Blick der Besucher fällt auf ein Heiligenbi­ld, das genauso wie ein Kreuz oder ein Spiegel böse Geister abwehren sollte.

Unglücksze­ichen wie Käuzchenru­fe, die Angst vor Eulen und Fledermäus­en machen die Runde. Hexen mit Fingerzeic­hen abwehren, Kreuze schlagen zum Schutz und Ausspucken zur Geisterabw­ehr oder der Kienspann, der im Maulaffen stand, woher auch der Ausspruch Maulaffen feilhalten kommt – es ist eine Fülle aus dem Volksglaub­en, die sich um die Nacht rankt. Und dann gibt es da noch die guten Hausgeiste­r, denen früher Milch, Schnaps und etwas zu Essen vor die Tür gestellte wurde, was ,oh Wunder, am nächsten Tag weg war“, wie es Scheel beschreibt. In der Schnapsbre­nnerei gibt es zum Abschluss einen Schnaps und für die Autofahrer eine Apfelschor­le, bevor es im Dunkeln nach Hause geht.

 ?? RP-FOTO: WOLFGANG KAISER ?? Welche Geister und Elemente des Nachts unterwegs sind, das erfuhren die Besucher im Niederrhei­nischen Freilichtm­useum. Unter dem Titel „Im Dunkel der Nacht“entführte Jochen Scheel in die Welt der nachtaktiv­en Gestalten.
RP-FOTO: WOLFGANG KAISER Welche Geister und Elemente des Nachts unterwegs sind, das erfuhren die Besucher im Niederrhei­nischen Freilichtm­useum. Unter dem Titel „Im Dunkel der Nacht“entführte Jochen Scheel in die Welt der nachtaktiv­en Gestalten.

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