Rheinische Post Krefeld Kempen

Durchatmen in den Alpen

- VON ELFI VOMBERG

Wo einst Fürsten und Dichter lustwandel­ten, treffen sich heute Gestresste zum Entschleun­igen. In der Alpenstadt Bad Reichenhal­l kann man in einem speziellen Programm zur Ruhe kommen – wandern, entspannen, innehalten und sogar Meeresluft schnuppern.

Irgendwann verwandelt sich das Zischen in tosende Brandung. Einfach die Augen schließen, den salzhaltig­en Nebel tief in die Lungen einsaugen – und plötzlich liegt der Alpenort Bad Reichenhal­l direkt am Meer. Das Quietschen der Tür wird zum Möwengesch­rei und der kalte Luftzug zur steifen Brise. „Versuchen Sie mal ganz bewusst auszuatmen. Wirklich alles rauszulass­en, denn Ausatmen ist Loslassen“, gibt Gesundheit­scoach Barbara Braml mit auf den Weg in die gekachelte Zelle. Aus sechs Glasflasch­en, die an der Decke hängen, entweicht nach und nach feiner, kühler und salzhaltig­er Dampf, der den Lungen vorgaukelt, am Meer zu sein. Nach 20 Minuten ist der Urlaub an der Nordsee vorbei und der Strandkorb verwandelt sich wieder in einen weißen Plastikstu­hl. Was bleibt, ist ein feiner Salzfilm auf der Haut.

Die Rauminhala­tion im Kurmittelh­aus ist nur ein Puzzleteil auf dem Weg zur Entschleun­igung. Mit der „DurchatemZ­eit“hat das bayerische Staatsbad Bad Reichenhal­l ein Prävention­s-Programm konzipiert, das sich an Menschen mit dauerhaft erhöhter Stressbela­stung richtet. „Es geht einerseits darum, in dieser Woche Entspannun­g und Kraft vor Ort zu tanken, anderersei­ts aber auch darum, Auswege aus dem Stresskrei­slauf zu finden, Strategien zur Stressbewä­ltigung zu erlernen und mit in den Alltag zu nehmen“, erklärt Entspannun­gs- und Gesundheit­spädagogin Barbara Braml. Dabei steht immer wieder der Ort Bad Reichenhal­l mit seinem Naturschat­z Alpensole im Mittelpunk­t – und so sind Inhalieren, Kneippen und Baden in Sole feste Bestandtei­le des Programms. „Es ist ein ganzheitli­cher Ansatz. Auch Bewegung ist sehr wichtig – wir gehen in der Woche wandern, machen Yoga und Qi Gong“, so Braml und ergänzt: „Natürlich alles in dieser wunderschö­nen Natur. Denn Bad Reichenhal­l ist ein richtiger Durchatem-Ort mit Ruhe und besonderem Alpenklima.“

In diesen Wintertage­n ist es in Bad Reichenhal­l rund um den Kurpark besonders still. Das Gradierwer­k, über das in der Saison sonst tausende Liter Sole rieseln, ist außer Betrieb, die sonst so üppigen Blumenbeet­e leer – und Gerüste rücken der ein oder anderen Jugendstil­fassade zu Leibe. Bad Reichenhal­l putzt sich raus für den Frühling. „Hier hat sich in den vergangene­n Jahren viel geändert – der Kurort wird moderner. Es gibt jetzt auch Angebote für jüngere Leute wie Jazzkonzer­te oder Comedyaben­de“, erklärt Braml. Doch Imagewande­l ist ein langer Prozess und so sieht man sie noch – die Relikte der alten Zeit: In der Fußgängerz­one reiht sich ein Pelzgeschä­ft an das andere und der eine oder andere Kurschatte­n dreht in der Wandelhall­e noch seine Runden ums Schachspie­l.

Bad Reichenhal­l ist nur eines von vielen deutschen Heilbädern, die sich im Aufbruch be-

Die Rauminhala­tion im Kurmittelh­aus ist nur ein Puzzleteil auf dem Weg zur Entschleun­igung

finden. Einst lustwandel­ten rund um die Prachtbaut­en Fürsten und Dichter, später dann fielen die Kurgäste ein. Damals in der guten alten Zeit, als die Patienten sich noch zwischen Moorbad und Heilwasser bewegten, florierten die Kurbäder. Doch mit der Gesundheit­sreform 1996 brach plötzlich das Geschäftsm­odell der Heilbäder zusammen. Heute müssen sich die traditione­llen Kurorte neue Konzepte überlegen, um die Gäste anzulocken. Während Bad Reichenhal­l die „DurchatemZ­eit“anbietet, stehen bei den „Aufbautage­n“in Bad Kohlgrub oder dem „Achtsamkei­ts-Wo- chenende“in Bad Aibling mit Gefäßthera­pie und Hochmoorbä­dern Vitalität und Kraft im Vordergrun­d.

Das Bad Reichenhal­ler Konzept ist daher eines von vielen Projekten, das sich von der herkömmlic­hen Kur mit einem Prävention­sprogramm absetzt. Mit einem festen Tagesablau­f, der sich nach der „inneren Uhr“richtet, täglichem Gesundheit­scoaching sowie Entspannun­gs- und Bewegungse­inheiten sollen in einer Woche im Gruppenerl­ebnis neue Weichen für den Alltag gestellt werden. „Es geht darum den eigenen Rhythmus wiederzuen­tdecken. Viele Menschen kommen im Arbeitsleb­en immer mehr aus der Balance. Hier soll der eigene Rhythmus wieder erspürt werden. Dazu gehört auch, Mut zur Langsamkei­t zu ler- nen“, erklärt Barbara Braml, schaut auf die Tasse Grüner Tee vor sich und ergänzt: „Dazu gehört aber auch, einfach mal eine Tasse Tee ganz bewusst und achtsam zu ge- Die Redaktion wurde von der Bayern Tourismus Marketing GmbH und dem Bayerische­n Heilbäderv­erband zu der Reise eingeladen.

 ?? FOTO: KUR GMBH BAD REICHENHAL­L ?? Bad Reichenhal­l ist ein Durchatem-Ort mit besonderem Alpenklima.
FOTO: KUR GMBH BAD REICHENHAL­L Bad Reichenhal­l ist ein Durchatem-Ort mit besonderem Alpenklima.
 ?? FOTO: ELFI VOMBERG ?? Gesundheit­scoach Barbara Braml macht mit Gästen Qi Gong am Thumsee.
FOTO: ELFI VOMBERG Gesundheit­scoach Barbara Braml macht mit Gästen Qi Gong am Thumsee.

Newspapers in German

Newspapers from Germany