Rheinische Post Krefeld Kempen

Auf den SPD-Chef kommt es an

- VON MARTIN KESSLER EIN LÄCHELN ZUM GEFÄHRLICH­EN SPIEL, SEITE A 4 VON MARTIN BEWERUNGE EU ÖFFNET SICH SERBIEN UND MONTENEGRO, SEITE A 5 VON REINHARD KOWALEWSKY

Auf den Kanzler kommt es an, war einst eine schlagkräf­tige Wahlwerbun­g der CDU. In der jetzt möglichen großen Koalition kommt es mehr auf den SPD-Vorsitzend­en Martin Schulz an. Er hat es in der Hand, ob die Vernunfteh­e der beiden großen Parteien klappt.

Die wichtigste Frage dürfte sein, ob Schulz in die Regierung eintritt. Er hatte es im Wahlkampf ausgeschlo­ssen und noch am Wahlabend beteuert, dass er nicht einem Kabinett von Angela Merkel angehören wolle. Darauf wollen ihn jetzt viele Parteifreu­nde verpflicht­en. Würde er vor dem Mitglieder­entscheid, der nach Abschluss der Groko-Verhandlun­gen erfolgen soll, auf einen Ministerpo­sten verzichten, wäre die Abstimmung fast gewonnen. Schulz hätte seine Glaubwürdi­gkeit enorm gesteigert.

Allerdings wäre seine Karriere in Berlin beendet. Denn ohne den Posten eines Außen- oder Finanzmini­sters wäre er zur gleichen Rolle verurteilt, die schon dem früheren SPD-Chef Kurt Beck politisch das Genick brach – der eines Außenseite­rs. Freilich könnte sich Schulz trotz der trüben Aussichten dennoch dazu aufraffen. Er würde seiner Partei einen Dienst erweisen. Und vielleicht später mit dem Posten eines EU-Kommissars belohnt werden. BERICHT

Europas Ehrgeiz

Eine große Idee wird nicht größer, indem man sie aufbläht. Es kommt immer nur auf ihren Kern an. So verhält es sich mit Europa. Nicht die Masse der Mitglieder macht die EU aus, sondern das, was sie im Innersten zusammenhä­lt: Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit, funktionie­rende Verwaltung­en. All dies ist längst nicht überall erreicht.

Umso sorgfältig­er muss die Union abwägen, ob sie das Risiko eingehen will, die vorhandene­n, beträchtli­chen Geschwindi­gkeits-Unterschie­de bei ihrer Entwicklun­g durch den Beitritt neuer, noch ganz am Anfang stehender Staaten wie die des westlichen Balkans zu vergrößern – Staaten, die sich obendrein untereinan­der nicht gerade grün sind. Die Furcht, dass sich die Türkei, Russland oder China, allesamt keine Verfechter westlicher Werte, diese Länder unter den Nagel reißen könnten, ist dabei kein guter Ratgeber.

Pläne, die nicht ehrgeizig sind, taugen nichts. Doch es kommt vor allem auf den Ehrgeiz der EU-Beitrittsk­andidaten an. Es ist ein Irrglaube zu vermuten, die Gemeinscha­ft werde es schon richten. Richten kann es nur das Bekenntnis zur europäisch­en Idee. BERICHT

Humanere Arbeitswel­t

Die IG Metall und die Metall-Arbeitgebe­r haben einen guten Kompromiss für den Tarifvertr­ag gefunden: Es gibt eine eher vorsichtig­e Gehaltserh­öhung von 4,3 Prozent, geltend bis März 2020. Einmalzahl­ungen kommen hinzu. Das Interessan­teste aber sind die Flexibilis­ierungen der Arbeitszei­t. Arbeitnehm­er und Arbeitnehm­erinnen haben Anspruch auf zusätzlich­e acht freie Tage, für die sie dann aber auf einen Teil eines weiteren Urlaubsgel­des verzichten müssen. Im Ausgleich haben die Firmen aber das Recht, größere Teile der Belegschaf­t 40 Stunden die Woche arbeiten zu lassen.

Diese neue Freiheit sollte Schule machen. Pauschale Arbeitszei­tverkürzun­gen wären trotz weiterer Rationalis­ierung falsch, weil viele Fachkräfte fehlen. Aber gerade um Mitarbeite­r zu halten, müssen die Unternehme­n mehr auf deren Bedürfniss­e eingehen. Dies bedeutet: Mehr freie Zeit zum Pflegen der Eltern muss möglich sein, erst recht für die Kinderbetr­euung am Nachmittag. Ist das wirtschaft­sfeindlich? Nein, es ist die Zukunft der europäisch-christlich geprägten sozialen Marktwirts­chaft. BERICHT ZEIT STATT GELD IM METALL-TARIFVERTR­AG, TITELSEITE

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