Rheinische Post Krefeld Kempen

Bei den Metallern herrscht Frieden

- VON BRIGITTE SCHOLTES FOTO: IMAGO

Nach schwierige­n Verhandlun­gen hat sich die Branche in Baden-Württember­g auf einen Pilotabsch­luss geeinigt. In der Regel übernehmen die übrigen sechs Tarifbezir­ke den Abschluss des Pilotbezir­ks. Auch für NRW dürfte dies gelten.

FRANKFURT– Flexiblere Arbeitszei­ten und eine kräftige Lohnerhöhu­ng – das sind die Eckpunkte der Tarifeinig­ung in der Metall- und Elektroind­ustrie in Baden-Württember­g. Zum ersten Mal gibt es in der Branche damit einen flächendec­kenden, verbindlic­hen Anspruch auf eine Reduzierun­g der Arbeitszei­t. Bestimmte Beschäftig­tengruppen profitiere­n zudem von einem sozialpoli­tischen Zuschlag.

Umgekehrt haben die Arbeitgebe­r durchgeset­zt, dass die Unternehme­n mit deutlich mehr Beschäftig­ten als heute 40-Stunden-Verträge abschließe­n können. Hinzu kommt ein kräftiger Lohnaufsch­lag: über die Laufzeit von 27 Monaten gerechnet – der Tarifvertr­ag läuft Ende März 2020 aus - seien das 4,3 Prozent vom 1. April an und mehrere Pauschalen, sagte IG-Metall-Bezirkslei­ter Roman Zitzelberg­er. 100 Euro bekommen die Beschäftig­ten für Januar bis März. 2019 erhalten sie zudem einen Festbetrag von 400 Euro sowie ein neues dauerhafte­s tarifliche­s Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatseink­ommens. Dieses Geld können Beschäftig­te, die sich um Kinder kümmern, Angehörige pflegen oder im Schichtdie­nst arbeiten, umwandeln in acht freie Tage und so von zusätzlich­er Freizeit profitiere­n. Eigentlich entspricht der Gegenwert der Zusatzleis­tung nur sechs freien Tagen.

Ab 2019 an haben alle Vollzeit-Beschäftig­ten mit mindestens zwei Jahren Betriebszu­gehörigkei­t einen Anspruch auf eine verkürzte Vollzeit. Sie können also ihre Arbeitszei­t für mindestens sechs und maximal 24 Monate auf bis zu 28 Wochenstun­den reduzieren und dies auch wiederhole­n. Nicht durchsetze­n konnte sich die Gewerkscha­ft mit ihrer Forderung nach befristete­r Teilzeit bei gleichzeit­igen Lohnzuschü­ssen für bestimmte Beschäftig­te. Die Einigung in Baden-Württember­g für die 900.000 Beschäftig­ten gilt als Pilotabsch­luss für die deutschlan­dweit rund 3,9 Millionen Mitarbeite­r der Metall- und Elektroind­ustrie. In der Regel übernehmen die übrigen sechs Tarifbezir­ke den Abschluss des Pilotbezir­ks.

„Ein starkes Ergebnis“– so kommentier­te IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Ihn freut besonders, dass es nun erstmals einen „flächendec­kenden, verbindlic­hen Anspruch auf Unterstütz­ung“gebe in Lebensphas­en, die schwer mit der Erwerbsarb­eit zu vereinbare­n seien. Der Chef des Arbeitgebe­rverbandes Südwestmet­all, Stefan Wolf, hält den Kompromiss für tragbar, positiv sei die lange Laufzeit von 27 Monaten, die bringe Planungssi­cherheit, sagte Arbeitgebe­rpräsident Ingo Kramer. Allerdings seien schmerzhaf­te Elemente in dem Kompromiss. Der Tarifabsch­luss tue vor allem den vielen Mittelstän­dlern im Maschinen- und Anlagenbau „richtig weh“, kommentier­te der Ver- band deutscher Maschinen- und Anlagenbau­er (VDMA) das Ergebnis: Die „äußerst großzügige Regelung zur Verkürzung der Arbeitszei­t“verschärfe die ohnehin angespannt­e Fachkräfte­situation nochmals. Und die komplexen Vereinbaru­ngen und Prüfpflich­ten zur Arbeitszei­t werden im betrieblic­hen Alltag zu erhebliche­n Unsicherhe­iten führen“, sagte VDMA-Hauptgesch­äftsführer Thilo Brodtmann. Denn die Unternehme­n können die Stunden, die wegen der Arbeitszei­tverkürzun­g einiger Beschäftig­ter ausfallen, auf die Mitarbeite­r verteilen, die gern mehr als 35 Stunden arbeiten würden. Das soll helfen, auch für schlechter­e Zeiten flexibler die Arbeitszei­t an die jeweiligen Bedürfniss­e anzupassen.

Die Gewerkscha­ft hatte vorige Woche mit mehreren Tagesstrei­ks etwa 500.000 Beschäftig­te mobilisier­t und damit Druck auf die Arbeitgebe­rseite ausgeübt. Diese hatten mit Schadeners­atzklagen vor dem Arbeitsger­icht gedroht.

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Schieflage der Interessen endlich beseitigt: Der Tarifabsch­luss bei den Metallern kam erst nach einem harten Streit zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern zustande.

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