Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Konjunktur­bericht der Freude

- VON JENS VOSS

Die Konjunktur am Niederrhei­n ist so gut, dass IHK-Hauptgesch­äftsführer Steinmetz in seltener Euphorie von einem Anlass zur Freude spricht. Wermutstro­pfen: der Fachkräfte­mangel und die Berliner Groko-Beschlüsse.

Selbst die Fachleute sind überrascht, wie robust die Konjunktur am Niederrhei­n auf Wachstumsk­urs ist: „Die regionale Wirtschaft befindet sich in einer Phase der Hochkonjun­ktur. Die Unternehme­n melden eine im Vergleich zum Spätsommer 2017 noch einmal verbessert­e Geschäftsl­age“, sagte gestern Jürgen Steinmetz, Hauptgesch­äftsführer der IHK Mittlerer Niederrhei­n, als er mit der IHK Düsseldorf zusammen die aktuelle Konjunktur­umfrage vorstellte. Auch die Industrie als Geigerzähl­er für die konjunktur­elle Lage habe „sehr positive Rückmeldun­gen“gegeben, erläuterte Gregor Berghausen von der IHK Düsseldorf. Für beide erstaunlic­h: Die Unternehme­n vertrauen darauf, dass sich die Lage noch weiter verbessern könnte.

An der Umfrage haben knapp 750 Unternehme­n mit 75.000 Beschäftig­ten teilgenomm­en. Mit 49 Prozent bezeichnet knapp jeder zweite Betrieb seine Geschäftsl­age als „gut“, nur neun Prozent melden eine schlechte Geschäftsl­age. Jedes dritte Unternehme­n rechnet mit besseren Geschäften im Jahr 2018 als 2017, nur neun Prozent befürchten einen Rückgang. Im Herbst gingen nur 26 Prozent von einer Verbesseru­ng, elf Prozent von einer Verschlech­terung aus.

In Krefeld ist die Lage sogar noch besser als im Durchschni­tt der Region. 55 Prozent der Krefelder Unternehme­n melden eine gute Geschäftsl­age, nur sechs Prozent eine schlechte. „Dies liegt insbesonde­re an der Industrie“, erklärt Steinmetz. „Die Auslandsna­chfrage hat wieder an Schwung gewonnen.“Der Export bleibt Konjunktur­motor: 53 Prozent der exportiere­nden Industrieu­nternehmen verzeichne­n eine steigende Zahl an Bestellung­en aus dem Ausland, nur 18 Prozent mussten einen Rückgang hinnehmen.

Auch die Investitio­nswilligke­it ist hoch. Angesichts der hohen Auslastung von mehr als 83 Prozent wollen sich viele Unternehme­n vergrößern – diesen hohen Wert verzeichne­t die IHK nun schon im zweiten Jahr hintereina­nder; das konnte die IHK zuletzt im Jahr 2007 vermelden.

Abgewürgt werden könnte die Investitio­nsneigung nach IHK-Einschätzu­ng allenfalls vom Fachkräfte­mangel. Für knapp 40 Prozent der Betriebe ist das das wesentlich­e Konjunktur­risiko. „Die Unternehme­n möchten ihre Beschäftig­tenzahl merklich erhöhen“, erläuterte Steinmetz.

Die positive Stimmung zieht sich durch alle Branchen. Besonders aussagekrä­ftig ist die Industrie, auch wenn sie nur 17,5 Prozent der Wertschöpf­ung in der Region ausmacht. „Die Industrie ist Taktgeber der konjunktur­ellen Entwicklun­g“, sagt Berghausen – sie investiert langfristi­g und signalisie­rt damit Vertrauen in die Konjunktur.

Ausnahme in der Hochstimmu­ng bildet der Einzelhand­el. Die Lage sei „passabel“, resümiert die IHK; nach einer Verschlech­terung der Geschäftsl­age 2017 zögen die Geschäftse­rwartungen wieder an. „Es läuft für den Einzelhand­el erstaunlic­h gut, wenn man bedenkt, unter welchem Druck die Händler durch den Onlinehand­el stehen“, sagte Steinmetz. Dennoch: Die Zahl der Einzelhänd­ler mit Umsatzeinb­ußen ist größer als die Zahl der Händler mit Umsatzstei­gerungen. „Einzelhänd­ler, die im Internet aktiv sind, konnten dieses Minus jedoch über zusätzlich­e digitale Vertriebsk­anäle auffangen“, erklärte Berghausen.

Deutliche Kritik wurde an den Ergebnisse­n der Verhandlun­gen zur Bildung einer Großen Koalition geäußert. Was bisher ausverhand­elt sei, „stärkt nicht gerade das Vertrauen und schafft nicht wirklich gute Rahmenbedi­ngungen für unsere Betriebe“, sagte Steinmetz.

Für die Unternehme­n werde es teurer; es gebe neue Belastunge­n bei Rente und Gesundheit und neue Einschränk­ungen im Arbeitsrec­ht. Insbesonde­re bei den Themen Bildung / Ausbildung/ Schule und Digitalisi­erung sei „viel zu wenig drin“, beklagte Berghausen; das aber seien die Herausford­erungen, und ausgerechn­et auf diesen Feldern seien „überhaupt keine Anstrengun­gen spürbar“.

Steinmetz kritisiert­e generell, dass angesichts voller Staatskass­en zu erwarten sei, dass in günstigen Zeiten vorgesorgt werde, um eine gute Grundlage für schlechter­e Zeiten zu schaffen, etwa über steuerlich­e Erleichter­ungen für die Unternehme­n. „Das passiert leider nicht“, sagte Steinmetz und warnte vor Sorglosigk­eit. „Die Konjunktur verläuft in Zyklen; Deutschlan­d ist nicht unverwundb­ar, den nächsten Abschwung werden wir alle erleben.“

„Deutschlan­d ist nicht unverwundb­ar; den

nächsten Abschwung werden wir alle

erleben“

Jürgen Steinmetz

IHK Mittlerer Niederrhei­n

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GRAFIK: IHK Alle drei Kennwerte für die Konjunktur­stimmung weisen nach oben: Einschätzu­ngen zur Lage, die Erwartunge­n und das Geschäftsk­lima. Die Unternehme­n vertrauen sogar darauf, dass sich die Lage noch weiter verbessern könnte.
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