Rheinische Post Krefeld Kempen
INTERVIEW Aschermittwoch heißt es Abschied nehmen
Die letzten Tage sind angebrochen, fast schon die letzten Stunden einer dreijährigen Regentschaft. Die allerdings haben es für das Prinzenpaar Rainer I. und Angelika I. noch einmal in sich. Das Paar hat viele Höhen und schöne Momente erlebt, aber musste auch direkt im ersten Jahr auf den absoluten Höhepunkt ihrer Amtszeit verzichten, als eine Orkanwarnung zur Absage des Rosenmontagszuges führte. Das ist längst Schnee von gestern. Jetzt blicken die beiden nach vorne auf die bevorstehenden Highlights der ablaufenden Session. Und das sind sie: ANGELIKA I. (Pasch): Die 56jährige Verwaltungsangestellte ist zusätzlich Hausfrau, Mutter zweier Kinder (25 und 20), „die auch immer gerne mitziehen“, wie sie sagt. Sie liebt Krimis und andere spannende Literatur, gerne mit geschichtlichem Hintergrund, und treibt Sport. Rainer I. (Pasch): Als Dipl.-Ing. Elektrotechnik (56) und Key Account Manager im Vertrieb eines großen Herstellers von Antriebs- und Automationsgeräten interessiert ihn alles, was irgendwie mit Technik zu tun hat. „Irgendwann hatte ich gesagt, ich müsste 100 Jahre alt werden, um mich mit alldem zu beschäftigen, was mich interessiert. Inzwischen sind daraus 200 Jahre geworden.“Zu den Hobbys zählen Modellflug, Eisenbahn und Brauchtumspflege, Laufen nicht zu vergessen. Wo liegen Ihre närrischen Wurzeln? ANGELIKA: Ich war immer im Karneval unterwegs. Aber ich hatte anfangs nicht geahnt, dass mir die Rolle als Karnevalsprinzessin so gut gefällt. Als es dann anstand, war klar, dass ich mit auf die Bühne möchte und wir gemeinsam auftreten. Diese Jahre habe ich sehr genossen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, auch mal ein Prinzenpaar darzustellen? RAINER: Ich bin seit 1992 im Kempener Karneval aktiv. Ex-Prinz Walter Pegels hat mich damals angesprochen, ob ich nicht im Komitee mitmachen möchte. An meine erste Komiteesitzung kann ich mich noch gut erinnern. Dann reift so etwas im Laufe der Jahre. Erst denkt man sich: Soll ich es machen? Wenn dann die passende Affinität vorhanden ist, kommt man irgendwann an dem Punkt an: Es wäre doch schön.
Wie wird man denn Prinz? RAINER: Wer Interesse hat, meldet sich beim Vorstand des KKV. Dann wird in einer kleineren Gruppe darüber gesprochen, es wird abgewägt, schließlich sind einige Faktoren zu berücksichtigen. Der Bewerber sollte verantwortungsbewusst sein. Und ein solches Amt ist auch mit Ausgaben verbunden. Dieser Geschäftsführende Vorstand legt dann vollkommen autark fest, wer Prinzenpaar wird. Und was haben die Kinder dazu gesagt, als es anstand? ANGELIKA: Simone und Christoph haben es aus Versehen schon früh erfahren. Denn in Kempen ist der Name des künftigen Prinzenpaars lange Zeit ein großes Geheimnis. Erst am 11.11. wird er bekanntgegeben. Bei uns war es nun so, dass wir eines Tages in der Küche saßen. Unsere Tochter war auch dabei, hörte aber gar nicht so richtig zu, was erzählt wurde. Doch dann hat sich Rainer verplappert. Ich habe ihn zwar noch angeschubst. Aber er sagte: „Oh, jetzt ist es raus.“Das hat Simone erst aufmerksam gemacht. Sie sagte spontan, dass sie auch mitmachen möchte. Unser Sohn hat genauso reagiert. Jetzt begleiten sie uns. RAINER: Sie war mit dem Handy beschäftigt, wie das eben so ist. Hätte ich einfach das Thema gewechselt, wäre es nicht vorab bekannt geworden und das Thema wäre durch gewesen. Doch in dem Moment schreckte sie auf und dann mussten wir Farbe bekennen. Aber alles ist in der Öffentlichkeit bis zur letzten Minute ein Geheimnis geblieben. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in die nächsten Veranstaltungen? Ist nicht auch ein wenig Wehmut dabei, dass bald alles vorüber ist? RAINER: Überhaupt nicht. Wir haben so viel erlebt. Im ersten Jahr das Desaster mit dem Unwetter am Rosenmontag, das war ein herber Schlag. Andere Prinzenpaare, die nicht drei Jahre lang residieren, können dies nicht im nächsten Jahr nachholen, so wie wir es konnten. Was wir in dieser Zeit erleben wollten, haben wir auch erlebt. Jetzt können wir alles genießen und entspannt machen. ANGELIKA: Uns kann nichts mehr verloren gehen, sondern es kann nur noch etwas dazukommen. Wenn man es so sieht, ist es eine tolle Sache. RAINER: Irgendwann muss es auch ein Ende haben, damit es etwas Besonderes bleibt. Wenn man immer im Urlaub auf den Malediven am Strand liegt, wird es auch langweilig. Schleicht sich mit den vielen Terminen nicht eine Routine ein? ANGELIKA: Eher eine Gelassenheit. Bei mir war das erste Jahr mit sehr viel Nervosität verbunden. Rainer ist es gewohnt, auf die Bühne zu ziehen. Für mich war es etwas Neues. Routine? Nein, es ist immer ein großes Highlight. Wenn man in einem Kindergarten zu Besuch ist und hat dazu noch zwei weitere vor sich, dann ist man ganz auf die Kinder fokussiert, die ja oft auch etwas vorbereitet haben. Das genießen wir. Wie kommt man denn abends nach dem vielen Trubel zur Ruhe? RAINER: Manchmal setzen wir uns für eine halbe Stunde auf die Couch und erzählen. Dazu trinken wir ein Glas Wein und verarbeiten so den Tag. Aber das ist die Ausnahme. Um zwölf, halb eins nachts hat man eigentlich schon die nötige Bettschwere. ANGELIKA: Wir müssen ja auch daran denken, dass es manchmal schon am nächsten Morgen wieder losgeht. Andere trinken bei den Karnevalsfeiern schon das eine oder andere Bier, den einen oder anderen Kurzen. Und Sie? RAINER:
Ein Bier in geselliger Runde gehört schon oft dazu. Das hängt auch von der Art und der Tageszeit der Veranstaltung ab. Auch ein Kaffee oder eine Cola haben ihren Reiz.
Und wie halten Sie es mit dem Essen, wenn Sie den ganzen Tag unterwegs sind? RAINER: Es gibt ja überall einen kleinen Snack wie Bockwurst mit Brot oder belegte Brötchen. Abends, wenn die Rückkehr nicht zu spät ist, gehen wir öfter noch eine Kleinigkeit essen. Wenn es passt, fahren wir zu Hause vorbei, ziehen uns um und treffen uns mit einigen Komiteemitgliedern, manchmal sind auch einige Gardisten dabei, in einem Restaurant. ANGELIKA: Auf den Terminen auf jeden Fall keine Saucen. Das wäre zu gefährlich. Gibt es Momente, die besonders in Erinnerung geblieben sind? ANGELIKA: Da gab es ganz viele. Einen herauszupicken, das fällt schwer.
Der Countdown läuft: Nur noch wenige närrische Tage, dann ist es erst einmal mit Karneval vorbei. Am Aschermittwoch läuft auch die dreijährige Amtszeit des Prinzenpaares Rainer I. und Angelika I. ab.
RAINER: Und wir hatten so gut wie keinen negativen Moment, vom Ausfall des Rosenmontagzuges mal abgesehen. Was geschieht mit dem prächtigen Ornat? RAINER: Die Kostüme werden weggehängt. Sie bleiben ein Andenken an eine schöne Zeit. Wir haben ein großes Haus mit einem Riesenspeicher. Die Kappe allerdings tragen die Ex-Prinzen bei der Proklamation und auf dem Wagen. Dann kommt sie noch einmal um Einsatz. Freuen Sie sich an den kommenden heißen Karnevalstagen auf etwas ganz besonders? ANGELIKA: Bei den Altweibertreffen im Zelt war in den letzten beiden Jahren immer eine super Stim- mung. Im Zelt kommt dies ganz anders rüber. RAINER: Bei den Veranstaltungen auf dem Buttermarkt am Donnerstag und Sonntag war das Publikum im Zelt zwischen 18 bis 80, so wie man sich Karneval vorstellt. Jung und Alt, reich und arm haben alle gemeinsam gefeiert. Um kurz nach elf wird das Zelt auch diesmal wieder voll sein. Ein größeres passt nicht auf dem Platz zwischen die Bäume. Mit solchen Restriktionen müssen wir eben einfach leben. Jetzt hoffe ich noch auf schönes Wetter. Wann beginnt für Sie denn der Tag? ANGELIKA: Das hängt vom Terminplan ab. Wann werden wir abgeholt, wann treffen wir uns? An Vorlaufzeit benötige ich anderthalb Stunden, damit ich zum Friseur kann. Für die gesamte Session waren schon früh Termine vereinbart, mal morgens um acht, mal nachmittags um vier. An Altweiber haben wir um sieben Uhr morgens schon einen Termin ausgemacht. Da kann ich mich auf meinen Friseur Hartmut Höninger verlassen. Eine perfekte Frisur gibt einem auch selbst jene Sicherheit, die man später nach außen HIN ausstrahlt. Umziehen, schminken, dann bin ich startklar und unser Adjutant Heinz Kox holt uns ab. Sind Sie denn viel unterwegs auch außerhalb von Kempen? ANGELIKA: Wir waren schon in Goch, Bocholt und Recklinghausen, in Wuppertal und am 30. Januar in Düsseldorf zum Närrischen Landtag. Dorthin sind über 100 Prinzenpaare aus NRW eingeladen. RAINER: Die Termine in der Heimat haben aber immer Vorrang. Wie kriegen Sie denn ihre vielen Termine auf die Reihe? Das setzt doch eine erhebliche Logistik voraus. RAINER: Das macht alles der KKV für uns. Die Tabelle steht vorab in Grundzügen. Einige Termine sind fest. Die Veranstaltungen hier in der Heimat haben Vorrang, die übernehmen wir alle. Wo noch Zeit ist, sagen wir auch auswärts zu. Manchmal fällt aber auch ein Auftritt aus der Planung, weil es einfach nicht klappt. Wie bekommen Sie denn Prinzenpaardasein und Beruf unter einen Hut? RAINER: In diesem Jahr haben wir so um die 60 offizielle Auftritte. Ich habe den Vorteil, dass ich mein Büro hier im Haus habe. Meine Auswärtstermine kann ich recht frei planen und bin daher von den Bürozeiten relativ flexibel. Klar, Beruf geht vor, aber ich versuche alles miteinander zu koordinieren. ANGELIKA: Als Teilzeitbeschäftigte bin ich ohnehin mittags zu Hause; die meisten Termine sind abends oder am Wochenende. Für die heißen zwei Wochen habe ich mir Urlaub genommen. Am Aschermittwoch ist alles vorüber? ANGELIKA: Seit vielen Jahren gehen wir abends zum Fischessen im Kolpinghaus. Dann setzen wir uns mal in Ruhe zusammen, schick gekleidet, aber nicht im Ornat. Wir sind dann zwischen 30 und 40 Personen.
Und danach? Sind Sie nicht froh, dass der Alltag wieder einkehrt? RAINER: Die Arbeit hört nicht auf. Wir bereiten den Karneval nach, das Zelt muss leergeräumt werden, Rechnungen sind zu bezahlen. Das dauert schon paar Tage. Die Rückschau kommt viel später. Dann setzt sich das Komitee zusammen. Man muss ja alles erst einmal sacken lassen. Vielen Dank für das ausführliche Gespräch.