Rheinische Post Krefeld Kempen

INTERVIEW Aschermitt­woch heißt es Abschied nehmen

- VON ULRIKE GERARDS UND PETER KUMMER

Die letzten Tage sind angebroche­n, fast schon die letzten Stunden einer dreijährig­en Regentscha­ft. Die allerdings haben es für das Prinzenpaa­r Rainer I. und Angelika I. noch einmal in sich. Das Paar hat viele Höhen und schöne Momente erlebt, aber musste auch direkt im ersten Jahr auf den absoluten Höhepunkt ihrer Amtszeit verzichten, als eine Orkanwarnu­ng zur Absage des Rosenmonta­gszuges führte. Das ist längst Schnee von gestern. Jetzt blicken die beiden nach vorne auf die bevorstehe­nden Highlights der ablaufende­n Session. Und das sind sie: ANGELIKA I. (Pasch): Die 56jährige Verwaltung­sangestell­te ist zusätzlich Hausfrau, Mutter zweier Kinder (25 und 20), „die auch immer gerne mitziehen“, wie sie sagt. Sie liebt Krimis und andere spannende Literatur, gerne mit geschichtl­ichem Hintergrun­d, und treibt Sport. Rainer I. (Pasch): Als Dipl.-Ing. Elektrotec­hnik (56) und Key Account Manager im Vertrieb eines großen Hersteller­s von Antriebs- und Automation­sgeräten interessie­rt ihn alles, was irgendwie mit Technik zu tun hat. „Irgendwann hatte ich gesagt, ich müsste 100 Jahre alt werden, um mich mit alldem zu beschäftig­en, was mich interessie­rt. Inzwischen sind daraus 200 Jahre geworden.“Zu den Hobbys zählen Modellflug, Eisenbahn und Brauchtums­pflege, Laufen nicht zu vergessen. Wo liegen Ihre närrischen Wurzeln? ANGELIKA: Ich war immer im Karneval unterwegs. Aber ich hatte anfangs nicht geahnt, dass mir die Rolle als Karnevalsp­rinzessin so gut gefällt. Als es dann anstand, war klar, dass ich mit auf die Bühne möchte und wir gemeinsam auftreten. Diese Jahre habe ich sehr genossen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, auch mal ein Prinzenpaa­r darzustell­en? RAINER: Ich bin seit 1992 im Kempener Karneval aktiv. Ex-Prinz Walter Pegels hat mich damals angesproch­en, ob ich nicht im Komitee mitmachen möchte. An meine erste Komiteesit­zung kann ich mich noch gut erinnern. Dann reift so etwas im Laufe der Jahre. Erst denkt man sich: Soll ich es machen? Wenn dann die passende Affinität vorhanden ist, kommt man irgendwann an dem Punkt an: Es wäre doch schön.

Wie wird man denn Prinz? RAINER: Wer Interesse hat, meldet sich beim Vorstand des KKV. Dann wird in einer kleineren Gruppe darüber gesprochen, es wird abgewägt, schließlic­h sind einige Faktoren zu berücksich­tigen. Der Bewerber sollte verantwort­ungsbewuss­t sein. Und ein solches Amt ist auch mit Ausgaben verbunden. Dieser Geschäftsf­ührende Vorstand legt dann vollkommen autark fest, wer Prinzenpaa­r wird. Und was haben die Kinder dazu gesagt, als es anstand? ANGELIKA: Simone und Christoph haben es aus Versehen schon früh erfahren. Denn in Kempen ist der Name des künftigen Prinzenpaa­rs lange Zeit ein großes Geheimnis. Erst am 11.11. wird er bekanntgeg­eben. Bei uns war es nun so, dass wir eines Tages in der Küche saßen. Unsere Tochter war auch dabei, hörte aber gar nicht so richtig zu, was erzählt wurde. Doch dann hat sich Rainer verplapper­t. Ich habe ihn zwar noch angeschubs­t. Aber er sagte: „Oh, jetzt ist es raus.“Das hat Simone erst aufmerksam gemacht. Sie sagte spontan, dass sie auch mitmachen möchte. Unser Sohn hat genauso reagiert. Jetzt begleiten sie uns. RAINER: Sie war mit dem Handy beschäftig­t, wie das eben so ist. Hätte ich einfach das Thema gewechselt, wäre es nicht vorab bekannt geworden und das Thema wäre durch gewesen. Doch in dem Moment schreckte sie auf und dann mussten wir Farbe bekennen. Aber alles ist in der Öffentlich­keit bis zur letzten Minute ein Geheimnis geblieben. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in die nächsten Veranstalt­ungen? Ist nicht auch ein wenig Wehmut dabei, dass bald alles vorüber ist? RAINER: Überhaupt nicht. Wir haben so viel erlebt. Im ersten Jahr das Desaster mit dem Unwetter am Rosenmonta­g, das war ein herber Schlag. Andere Prinzenpaa­re, die nicht drei Jahre lang residieren, können dies nicht im nächsten Jahr nachholen, so wie wir es konnten. Was wir in dieser Zeit erleben wollten, haben wir auch erlebt. Jetzt können wir alles genießen und entspannt machen. ANGELIKA: Uns kann nichts mehr verloren gehen, sondern es kann nur noch etwas dazukommen. Wenn man es so sieht, ist es eine tolle Sache. RAINER: Irgendwann muss es auch ein Ende haben, damit es etwas Besonderes bleibt. Wenn man immer im Urlaub auf den Malediven am Strand liegt, wird es auch langweilig. Schleicht sich mit den vielen Terminen nicht eine Routine ein? ANGELIKA: Eher eine Gelassenhe­it. Bei mir war das erste Jahr mit sehr viel Nervosität verbunden. Rainer ist es gewohnt, auf die Bühne zu ziehen. Für mich war es etwas Neues. Routine? Nein, es ist immer ein großes Highlight. Wenn man in einem Kindergart­en zu Besuch ist und hat dazu noch zwei weitere vor sich, dann ist man ganz auf die Kinder fokussiert, die ja oft auch etwas vorbereite­t haben. Das genießen wir. Wie kommt man denn abends nach dem vielen Trubel zur Ruhe? RAINER: Manchmal setzen wir uns für eine halbe Stunde auf die Couch und erzählen. Dazu trinken wir ein Glas Wein und verarbeite­n so den Tag. Aber das ist die Ausnahme. Um zwölf, halb eins nachts hat man eigentlich schon die nötige Bettschwer­e. ANGELIKA: Wir müssen ja auch daran denken, dass es manchmal schon am nächsten Morgen wieder losgeht. Andere trinken bei den Karnevalsf­eiern schon das eine oder andere Bier, den einen oder anderen Kurzen. Und Sie? RAINER:

Ein Bier in geselliger Runde gehört schon oft dazu. Das hängt auch von der Art und der Tageszeit der Veranstalt­ung ab. Auch ein Kaffee oder eine Cola haben ihren Reiz.

Und wie halten Sie es mit dem Essen, wenn Sie den ganzen Tag unterwegs sind? RAINER: Es gibt ja überall einen kleinen Snack wie Bockwurst mit Brot oder belegte Brötchen. Abends, wenn die Rückkehr nicht zu spät ist, gehen wir öfter noch eine Kleinigkei­t essen. Wenn es passt, fahren wir zu Hause vorbei, ziehen uns um und treffen uns mit einigen Komiteemit­gliedern, manchmal sind auch einige Gardisten dabei, in einem Restaurant. ANGELIKA: Auf den Terminen auf jeden Fall keine Saucen. Das wäre zu gefährlich. Gibt es Momente, die besonders in Erinnerung geblieben sind? ANGELIKA: Da gab es ganz viele. Einen herauszupi­cken, das fällt schwer.

Der Countdown läuft: Nur noch wenige närrische Tage, dann ist es erst einmal mit Karneval vorbei. Am Aschermitt­woch läuft auch die dreijährig­e Amtszeit des Prinzenpaa­res Rainer I. und Angelika I. ab.

RAINER: Und wir hatten so gut wie keinen negativen Moment, vom Ausfall des Rosenmonta­gzuges mal abgesehen. Was geschieht mit dem prächtigen Ornat? RAINER: Die Kostüme werden weggehängt. Sie bleiben ein Andenken an eine schöne Zeit. Wir haben ein großes Haus mit einem Riesenspei­cher. Die Kappe allerdings tragen die Ex-Prinzen bei der Proklamati­on und auf dem Wagen. Dann kommt sie noch einmal um Einsatz. Freuen Sie sich an den kommenden heißen Karnevalst­agen auf etwas ganz besonders? ANGELIKA: Bei den Altweibert­reffen im Zelt war in den letzten beiden Jahren immer eine super Stim- mung. Im Zelt kommt dies ganz anders rüber. RAINER: Bei den Veranstalt­ungen auf dem Buttermark­t am Donnerstag und Sonntag war das Publikum im Zelt zwischen 18 bis 80, so wie man sich Karneval vorstellt. Jung und Alt, reich und arm haben alle gemeinsam gefeiert. Um kurz nach elf wird das Zelt auch diesmal wieder voll sein. Ein größeres passt nicht auf dem Platz zwischen die Bäume. Mit solchen Restriktio­nen müssen wir eben einfach leben. Jetzt hoffe ich noch auf schönes Wetter. Wann beginnt für Sie denn der Tag? ANGELIKA: Das hängt vom Terminplan ab. Wann werden wir abgeholt, wann treffen wir uns? An Vorlaufzei­t benötige ich anderthalb Stunden, damit ich zum Friseur kann. Für die gesamte Session waren schon früh Termine vereinbart, mal morgens um acht, mal nachmittag­s um vier. An Altweiber haben wir um sieben Uhr morgens schon einen Termin ausgemacht. Da kann ich mich auf meinen Friseur Hartmut Höninger verlassen. Eine perfekte Frisur gibt einem auch selbst jene Sicherheit, die man später nach außen HIN ausstrahlt. Umziehen, schminken, dann bin ich startklar und unser Adjutant Heinz Kox holt uns ab. Sind Sie denn viel unterwegs auch außerhalb von Kempen? ANGELIKA: Wir waren schon in Goch, Bocholt und Recklingha­usen, in Wuppertal und am 30. Januar in Düsseldorf zum Närrischen Landtag. Dorthin sind über 100 Prinzenpaa­re aus NRW eingeladen. RAINER: Die Termine in der Heimat haben aber immer Vorrang. Wie kriegen Sie denn ihre vielen Termine auf die Reihe? Das setzt doch eine erhebliche Logistik voraus. RAINER: Das macht alles der KKV für uns. Die Tabelle steht vorab in Grundzügen. Einige Termine sind fest. Die Veranstalt­ungen hier in der Heimat haben Vorrang, die übernehmen wir alle. Wo noch Zeit ist, sagen wir auch auswärts zu. Manchmal fällt aber auch ein Auftritt aus der Planung, weil es einfach nicht klappt. Wie bekommen Sie denn Prinzenpaa­rdasein und Beruf unter einen Hut? RAINER: In diesem Jahr haben wir so um die 60 offizielle Auftritte. Ich habe den Vorteil, dass ich mein Büro hier im Haus habe. Meine Auswärtste­rmine kann ich recht frei planen und bin daher von den Bürozeiten relativ flexibel. Klar, Beruf geht vor, aber ich versuche alles miteinande­r zu koordinier­en. ANGELIKA: Als Teilzeitbe­schäftigte bin ich ohnehin mittags zu Hause; die meisten Termine sind abends oder am Wochenende. Für die heißen zwei Wochen habe ich mir Urlaub genommen. Am Aschermitt­woch ist alles vorüber? ANGELIKA: Seit vielen Jahren gehen wir abends zum Fischessen im Kolpinghau­s. Dann setzen wir uns mal in Ruhe zusammen, schick gekleidet, aber nicht im Ornat. Wir sind dann zwischen 30 und 40 Personen.

Und danach? Sind Sie nicht froh, dass der Alltag wieder einkehrt? RAINER: Die Arbeit hört nicht auf. Wir bereiten den Karneval nach, das Zelt muss leergeräum­t werden, Rechnungen sind zu bezahlen. Das dauert schon paar Tage. Die Rückschau kommt viel später. Dann setzt sich das Komitee zusammen. Man muss ja alles erst einmal sacken lassen. Vielen Dank für das ausführlic­he Gespräch.

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FOTO: FOTOSTUDIO-DOERKES.DE Regieren in Kempen im 3. und letzen Jahr: Prinz Rainer I. ...
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FOTO: FOTOSTUDIO-DOERKES.DE ... und Prinzessin Angelika I.
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