Rheinische Post Krefeld Kempen
INTERVIEW Miteinander und füreinander
Im Hagelkreuz-Viertel haben die ersten Projekte konkrete Gestalt angenommen. Eine Zwischenbilanz.
KEMPEN. Ingo Behr leitet das Hagelkreuz-Projekt. Der 58Jährige ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern, Diplom-Sozialwissenschaftler sowie Master of Arts (M.A.) im Fach Soziale Arbeit.
Ein kurzer Rückblick: Zu Beginn im Januar 2016 waren Bürger wie auch die hier aktiven Vereinen und Institutionen zu einem Forum eingeladen. Vertreter von Schulen, Kindertagesstätten, Kirchen, sozialen Diensten und Hausverwaltungen nahmen daran teil. Ebenso der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft des Kreises Viersen, die im Viertel viele Wohnungen anbietet.
Über allem schwebte die Frage: Wie lässt sich die Lebensqualität verändern? Die Besucher hatten zahlreiche Vorschläge. Sie reichten von barrierefreien Wohnungen über ein gutes Miteinander vieler Menschen unterschied- lichen Alters oder mit Migrationshintergrund bis hin zu einer lebendigen Freizeitgestaltung im Viertel. In weiteren Foren wurden diese Ideen immer wieder diskutiert. Nun legte Quartierentwickler Behr eine Bilanz des Projektes vor. Die Rheinische Post fragte nach: Fehlt Ihnen bei der Menge der ursprünglich vorgestellten Planungen noch die Durchsetzung der einen oder anderen Idee? BEHR: Die vom Fördergeber, dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, vorgegebenen Schwerpunkte der Quartiersentwicklung sind durch verschiedene Projekt mit Inhalt gefüllt worden. Die Schwerpunkte sind: Gemeinschaft erleben, sich beteiligen, sich versorgen, sich in verschiedene Handlungsfelder einzubringen. In der Entwicklung befindet sich das Projekt Tauschring. Er soll im Sommer gegründet werden. Was ist sein Ziel? BEHR: Er soll Bürgerinnen und Bürger zusammenzubringen, die über verschiedene Talente verfügen. Beispielsweise bietet eine Dame an, Kuchen zu backen. Ein Herr kann seine Erfahrung über die Nutzung von Smartphones anbieten. Falls die Dame eine Einführung in die Handhabung ihres Smartphones benötigt und der Herr gerade einen Kuchen braucht, können sie ihre Angebote gegenseitig direkt austauschen. Und wenn nun zwei Angebote gerade nicht zusammenpassen? BEHR: Ansonsten wird die für eine Tätigkeit benötigte Zeit mit sogenannten Talenten bewertet. Man kann Talente ansammeln und gleichzeitig auch wieder eintauschen. Man setzt also seine Zeit und seine Fähigkeiten ein. Wichtig ist dabei, dass bei jeder Transaktion ein persönlicher Kontakt erforderlich ist und man miteinander ins Gespräch kommt. So entstehen soziale Netzwerke, die sich mittel- bis langfristig etablieren. Im Rahmen der Quartiersentwicklung hat sich inzwischen ein regelrechtes Netzwerk im Viertel entwickelt. Wie beurteilen Sie dies? Und wird dieses Netzwerk auf Dauer Bestand haben? BEHR: Die Förderung von tragfähigen sozialen Netzwerken ist ein langfristiger Prozess. Im Rahmen der Quartiersentwicklung im Hagelkreuz wurden durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit identitätsfördernde Prozesse ausgelöst, wie z.B. durch die Projekte „Wünsche Box“und den „Fotowettbewerb Hagelkreuz“. Ein weiterer Schritt zur Bildung von sozialen Netzwerken sind die Freizeitangebote im Rahmen des Projektes „Freizeit im Hagelkreuz“. Auch das neue Projekt „Gemeinsames Wohnen in Kempen“führt Menschen bewusst zusammen, die eine gemeinsame Alternative zum Wohnen im Alter und allen Generationen entwickeln und umsetzen wollen. Wie arbeiten denn die Netzwerke? BEHR: Je nach Verbindlichkeit können sie selbständig ohne hauptamtliche Moderation weiter bestehen. Vorausgesetzt, es findet sich nach Ablauf der Projektphase im November 2018 eine Moderation des Netzwerkes. Unbegleitete Netzwerke haben es ohne eine geregelte hauptamtliche Begleitung häufig schwer, weiter zu bestehen. RP: Wie steht es um die Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund im Viertel? BEHR: Aktuell wird das Projekt mit dem Arbeitstitel „Café International“mit Akteuren (Kirchen, Kindergärten, Schule, Vereine) aus dem Hagelkreuz entwickelt. Ziel ist es, Menschen mit Migrationshintergrund im Hagelkreuz (560 Menschen aus 32 Nationen) zu erreichen und regelmäßig mit verschiedenen Nationalitäten einen Nachmittag zu gestalten. Dann werden einerseits Interessantes aus dem Heimatland vermittelt und anderseits ein kulinarisches Gericht aus der Heimat angeboten. Hier können sich alle Nationalitäten zwanglos und unverbindlich begegnen. Was verbirgt sich hinter dem intergenerativen Projekt OmaOpa-Service? BEHR: Es stellt einen Kontakt zwischen drei Generationen her. Ehrenamtliche „Omas und Opas“haben Kontakt zu Kindern und deren Eltern. Sie alle profitieren von den sozialen Kontakten, und es entstehen oft intensive Beziehungen. In den Pavillons der Astrid Lindgren Schule haben die Jugendlichen ein neues Domizil gefunden. BEHR: Hier sind die Kontakte zum Quartiersprojekt Hagelkreuz noch eher lose. Im vergangenen Jahr hat das Quartiersprojekt einen Billardtisch der katholischen Gemeinde Christ König an den Jugendtreff „Alte Post“vermittelt. Zukünftig soll die Kooperation mit dem Jugendtreff „Alte Post“nach Möglichkeit intensiviert werden.