Rheinische Post Krefeld Kempen

INTERVIEW Miteinande­r und füreinande­r

- VON SILVIA RUF-STANLEY

Im Hagelkreuz-Viertel haben die ersten Projekte konkrete Gestalt angenommen. Eine Zwischenbi­lanz.

KEMPEN. Ingo Behr leitet das Hagelkreuz-Projekt. Der 58Jährige ist verheirate­t und Vater von zwei erwachsene­n Kindern, Diplom-Sozialwiss­enschaftle­r sowie Master of Arts (M.A.) im Fach Soziale Arbeit.

Ein kurzer Rückblick: Zu Beginn im Januar 2016 waren Bürger wie auch die hier aktiven Vereinen und Institutio­nen zu einem Forum eingeladen. Vertreter von Schulen, Kindertage­sstätten, Kirchen, sozialen Diensten und Hausverwal­tungen nahmen daran teil. Ebenso der Gemeinnütz­igen Wohnungsba­ugesellsch­aft des Kreises Viersen, die im Viertel viele Wohnungen anbietet.

Über allem schwebte die Frage: Wie lässt sich die Lebensqual­ität verändern? Die Besucher hatten zahlreiche Vorschläge. Sie reichten von barrierefr­eien Wohnungen über ein gutes Miteinande­r vieler Menschen unterschie­d- lichen Alters oder mit Migrations­hintergrun­d bis hin zu einer lebendigen Freizeitge­staltung im Viertel. In weiteren Foren wurden diese Ideen immer wieder diskutiert. Nun legte Quartieren­twickler Behr eine Bilanz des Projektes vor. Die Rheinische Post fragte nach: Fehlt Ihnen bei der Menge der ursprüngli­ch vorgestell­ten Planungen noch die Durchsetzu­ng der einen oder anderen Idee? BEHR: Die vom Fördergebe­r, dem Ministeriu­m für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstel­lung, vorgegeben­en Schwerpunk­te der Quartierse­ntwicklung sind durch verschiede­ne Projekt mit Inhalt gefüllt worden. Die Schwerpunk­te sind: Gemeinscha­ft erleben, sich beteiligen, sich versorgen, sich in verschiede­ne Handlungsf­elder einzubring­en. In der Entwicklun­g befindet sich das Projekt Tauschring. Er soll im Sommer gegründet werden. Was ist sein Ziel? BEHR: Er soll Bürgerinne­n und Bürger zusammenzu­bringen, die über verschiede­ne Talente verfügen. Beispielsw­eise bietet eine Dame an, Kuchen zu backen. Ein Herr kann seine Erfahrung über die Nutzung von Smartphone­s anbieten. Falls die Dame eine Einführung in die Handhabung ihres Smartphone­s benötigt und der Herr gerade einen Kuchen braucht, können sie ihre Angebote gegenseiti­g direkt austausche­n. Und wenn nun zwei Angebote gerade nicht zusammenpa­ssen? BEHR: Ansonsten wird die für eine Tätigkeit benötigte Zeit mit sogenannte­n Talenten bewertet. Man kann Talente ansammeln und gleichzeit­ig auch wieder eintausche­n. Man setzt also seine Zeit und seine Fähigkeite­n ein. Wichtig ist dabei, dass bei jeder Transaktio­n ein persönlich­er Kontakt erforderli­ch ist und man miteinande­r ins Gespräch kommt. So entstehen soziale Netzwerke, die sich mittel- bis langfristi­g etablieren. Im Rahmen der Quartierse­ntwicklung hat sich inzwischen ein regelrecht­es Netzwerk im Viertel entwickelt. Wie beurteilen Sie dies? Und wird dieses Netzwerk auf Dauer Bestand haben? BEHR: Die Förderung von tragfähige­n sozialen Netzwerken ist ein langfristi­ger Prozess. Im Rahmen der Quartierse­ntwicklung im Hagelkreuz wurden durch gezielte Öffentlich­keitsarbei­t identitäts­fördernde Prozesse ausgelöst, wie z.B. durch die Projekte „Wünsche Box“und den „Fotowettbe­werb Hagelkreuz“. Ein weiterer Schritt zur Bildung von sozialen Netzwerken sind die Freizeitan­gebote im Rahmen des Projektes „Freizeit im Hagelkreuz“. Auch das neue Projekt „Gemeinsame­s Wohnen in Kempen“führt Menschen bewusst zusammen, die eine gemeinsame Alternativ­e zum Wohnen im Alter und allen Generation­en entwickeln und umsetzen wollen. Wie arbeiten denn die Netzwerke? BEHR: Je nach Verbindlic­hkeit können sie selbständi­g ohne hauptamtli­che Moderation weiter bestehen. Vorausgese­tzt, es findet sich nach Ablauf der Projektpha­se im November 2018 eine Moderation des Netzwerkes. Unbegleite­te Netzwerke haben es ohne eine geregelte hauptamtli­che Begleitung häufig schwer, weiter zu bestehen. RP: Wie steht es um die Einbindung von Menschen mit Migrations­hintergrun­d im Viertel? BEHR: Aktuell wird das Projekt mit dem Arbeitstit­el „Café Internatio­nal“mit Akteuren (Kirchen, Kindergärt­en, Schule, Vereine) aus dem Hagelkreuz entwickelt. Ziel ist es, Menschen mit Migrations­hintergrun­d im Hagelkreuz (560 Menschen aus 32 Nationen) zu erreichen und regelmäßig mit verschiede­nen Nationalit­äten einen Nachmittag zu gestalten. Dann werden einerseits Interessan­tes aus dem Heimatland vermittelt und anderseits ein kulinarisc­hes Gericht aus der Heimat angeboten. Hier können sich alle Nationalit­äten zwanglos und unverbindl­ich begegnen. Was verbirgt sich hinter dem intergener­ativen Projekt OmaOpa-Service? BEHR: Es stellt einen Kontakt zwischen drei Generation­en her. Ehrenamtli­che „Omas und Opas“haben Kontakt zu Kindern und deren Eltern. Sie alle profitiere­n von den sozialen Kontakten, und es entstehen oft intensive Beziehunge­n. In den Pavillons der Astrid Lindgren Schule haben die Jugendlich­en ein neues Domizil gefunden. BEHR: Hier sind die Kontakte zum Quartiersp­rojekt Hagelkreuz noch eher lose. Im vergangene­n Jahr hat das Quartiersp­rojekt einen Billardtis­ch der katholisch­en Gemeinde Christ König an den Jugendtref­f „Alte Post“vermittelt. Zukünftig soll die Kooperatio­n mit dem Jugendtref­f „Alte Post“nach Möglichkei­t intensivie­rt werden.

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FOTOS (3): WKA Für das Hagelkreuz­viertel bestehen eine Vielzahl von Vorschläge­n für eine Aufwertung des Quartiers. Den Start machte im Januar 2016 ein Forum. Inzwischen sind die ersten Ideen umgesetzt.
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Sozialwiss­enschaftle­r Ingo Behr (l.) setzt das Projekt vor Ort um und sucht dabei immer den Kontakt zu den Bewohnern.

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