Rheinische Post Krefeld Kempen

Kempens Burg soll den Kempenern gehören

- VON ANDREAS REINERS

Der Kempener Stadtrat hat beschlosse­n, dass die Stadt mit dem Kreis über die Übernahme des Denkmals verhandeln soll. Stadt übernimmt Verantwort­ung

KEMPEN Es war eine denkwürdig­e Sitzung des Kempener Stadtrates am Dienstagab­end. Zum einen war das Publikumsi­nteresse selten so groß, aber die Diskussion über die Zukunft des Wahrzeiche­ns hat in den vergangene­n Wochen die Bürger auch sehr bewegt. Viele Kempener – auch die Politiker – waren hinund hergerisse­n, was mit dem Denkmal geschehen soll, wenn das Kreisarchi­v Anfang 2021 ausgezogen sein wird.

In den vergangene­n Wochen wurde viel diskutiert, die Bürgerinit­iative „Denk mal an Kempen“initiierte eine Bürgerbefr­agung, es gab InfoStände, an denen die Parteien mit interessie­rten Bürgern ins Gespräch kamen, um ein Stimmungsb­ild aus der Bürgerscha­ft mit in die eigenen Beratungen zu nehmen. Und es gab den bislang einmaligen Vorgang, dass sich ein ehemaliger Bürgermeis­ter und Verwaltung­schef mit einem Offenen Brief an die politische­n Fraktionen im Stadtrat wandte. Alt-Bürgermeis­ter Karl Hensel gab seine öffentlich­e Zurückhalt­ung bei dem Thema auf, weil er befürchtet­e, dass die Politik aus seiner Sicht einen Fehler begehen würde, wenn sie sich gegen eine Übernahme der Burg vom Kreis ausgesproc­hen hät- te. Soweit ist es – wie bereits in der gestrigen Ausgabe berichtet – nicht gekommen. Mit 28:14 Stimmen hat der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, mit dem Kreis Gespräche aufzunehme­n, deren Ziel es sein soll, einen Vertrag zur Übernahme der Burg vorzuberei­ten. Diesen Vorschlag hatte die SPD-Fraktion vor der Ratssitzun­g mit den anderen Fraktionen besprochen. SPD, Grüne, Freie Wähler und Linksparte­i sowie acht Mitglieder der CDU-Fraktion schlossen sich dem bei der Abstimmung an. Auch der fraktionsl­ose Stadtveror­dnete Jerayatnam Caniceus stimmte für die Übernahme. Drei Ratsmitgli­eder – die Übernahme-Befürworte­r Peter Fischer und Jürgen Klement (beide CDU – beide in Urlaub) und Birgit Halbach (SPD) – fehlten im Rat.

Von einer „historisch­en Entscheidu­ng“(Grünen-Fraktionss­precher Joachim Straeten) war die Rede, von den Unwägbarke­iten, die nach der Übernahme der Burg drohten (CDU-Fraktionsc­hef Wilfried Bogedain) oder von den Chancen, die sich aus der Übernahme ergeben würden, die größer seien als die Risiken (Freie-Wähler-Sprecher Udo Kadages). Die Bedenken von Bürgermeis­ter Volker Rübo, die CDU- Fraktionsc­hef Bogedain persönlich teilte, dass die Stadtverwa­ltung die Entwicklun­g und Unterhaltu­ng der Burg aus wirtschaft­licher und personelle­r Sicht angesichts anderer wichtiger Aufgaben wie Kita-Ausbach, Schulsanie­rungen und Sportstätt­enbau nicht werde stemmen können, ließen SPD-Fraktionsv­orsitzende­r Andreas Gareißen oder Linken-Sprecher Günter Solecki nicht gelten. Man dürfe beides nicht gegeneinan­der ausspielen. Die Finanzlage der Stadt sei so schlecht nicht und es gelte, Fördermögl­ichkeiten auszuschöp­fen.

Bürgermeis­ter Rübo wehrte sich gegen Vorwürfe, er wolle die Burg nicht. „Der einzige, der sie nicht will, ist der Kreis Viersen“, meinte Rübo. Und dass die Stadt das Projekt nicht alleine stemmen könne, sei eine „realistisc­he Einschätzu­ng“, ergänzte er.

In der Einwohnerf­ragestunde zu Beginn der Sitzung hatten sich mehrere Bürger zu Wort gemeldet. Kritisiert wurde, dass es noch keine belastbare­n Szenarien, sprich ein tragfähige­s Konzept für eine künftige Nutzung der Burg gebe. Vorgeschla­gen wurde auch eine Bürgerstif­tung, die sich finanziell einbringen könnte. Dafür könnten Spenden gesammelt werden. Diese Idee brachte auch FDP-Fraktionsv­orsitzende Irene Wistuba zur Sprache. Klar ist indes nach der Ratssitzun­g eins: Die Burg soll im Besitz der öffentlich­en Hand bleiben, einem Verkauf an einen Privatinve­stor erteilten alle Fraktionen eine eindeutige Absage. Aber gerade das hätte der Fall sein können, hätte es nicht die Ratsmehrhe­it für die Übernahme des Wahrzeiche­ns gegeben. Denn Landrat Andreas Coenen (CDU) hatte immer wieder klargemach­t, dass er ein förmliches Vergabever­fahren zum Verkauf der Burgimmobi­lie an private Interessen­ten einleiten würde, wenn die Stadt Kempen sie nicht übernehmen würde.

Denn der Kreis will die Burg nicht länger halten, als dort das Kreisarchi­v noch seinen Sitz hat. Auch in der Kreispolit­ik gibt es eine klare Mehrheit dafür, die Kempener Burg abzugeben. Außerhalb der Kempener Stadtgrenz­en ist das Interesse an der Zukunft der Burg eher gering. Auf Kreisebene wollen die anderen Kommunen nicht länger über die Kreisumlag­e für die Burg mitbezahle­n. Vorherrsch­ende Meinung dort ist seit Langem: Soll Kempen sein Wahrzeiche­n doch bitte übernehmen und selbst was draus machen. Der Landrat hat immerhin zugesicher­t, die Kreisvolks­hochschule als Ankermiete­r in einer städtische­n Burg zu lassen.

Zugegeben: Der Landrat hat der Kempener Politik die Pistole auf die Brust gesetzt: Wenn Kempen die Burg nicht übernimmt, wird der Kreis sie eben an einen Privatinve­stor verkaufen. Angesichts dieser Drohkuliss­e hat der Stadtrat am Dienstagab­end eine richtige Entscheidu­ng getroffen. Die Stadt soll mit dem Kreis die Modalitäte­n der Übernahme der Immobilie verhandeln. Am Ende soll die Übernahme stehen. All das hätte man längst haben können, denn seit Jahren ist bekannt, dass der Kreis sich von der Burg verabschie­den will. Es gab Studien – etwa die Studentenw­erkstatt – mit Szenarien für eine neue Nutzung der Burg. So richtig angepackt hat man das Thema in Kempen allerdings nicht. Es ist noch nicht zu spät, nun endlich Verantwort­ung zu übernehmen und das Wahrzeiche­n für die Bürger weiter zu entwickeln. Denn viele Kempener hängen sehr an „ihrer“Burg – am Feuerwerk zu St. Martin oder am Turmblasen zu Weihnachte­n. rei

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