Rheinische Post Krefeld Kempen
Kempens Burg soll den Kempenern gehören
Der Kempener Stadtrat hat beschlossen, dass die Stadt mit dem Kreis über die Übernahme des Denkmals verhandeln soll. Stadt übernimmt Verantwortung
KEMPEN Es war eine denkwürdige Sitzung des Kempener Stadtrates am Dienstagabend. Zum einen war das Publikumsinteresse selten so groß, aber die Diskussion über die Zukunft des Wahrzeichens hat in den vergangenen Wochen die Bürger auch sehr bewegt. Viele Kempener – auch die Politiker – waren hinund hergerissen, was mit dem Denkmal geschehen soll, wenn das Kreisarchiv Anfang 2021 ausgezogen sein wird.
In den vergangenen Wochen wurde viel diskutiert, die Bürgerinitiative „Denk mal an Kempen“initiierte eine Bürgerbefragung, es gab InfoStände, an denen die Parteien mit interessierten Bürgern ins Gespräch kamen, um ein Stimmungsbild aus der Bürgerschaft mit in die eigenen Beratungen zu nehmen. Und es gab den bislang einmaligen Vorgang, dass sich ein ehemaliger Bürgermeister und Verwaltungschef mit einem Offenen Brief an die politischen Fraktionen im Stadtrat wandte. Alt-Bürgermeister Karl Hensel gab seine öffentliche Zurückhaltung bei dem Thema auf, weil er befürchtete, dass die Politik aus seiner Sicht einen Fehler begehen würde, wenn sie sich gegen eine Übernahme der Burg vom Kreis ausgesprochen hät- te. Soweit ist es – wie bereits in der gestrigen Ausgabe berichtet – nicht gekommen. Mit 28:14 Stimmen hat der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, mit dem Kreis Gespräche aufzunehmen, deren Ziel es sein soll, einen Vertrag zur Übernahme der Burg vorzubereiten. Diesen Vorschlag hatte die SPD-Fraktion vor der Ratssitzung mit den anderen Fraktionen besprochen. SPD, Grüne, Freie Wähler und Linkspartei sowie acht Mitglieder der CDU-Fraktion schlossen sich dem bei der Abstimmung an. Auch der fraktionslose Stadtverordnete Jerayatnam Caniceus stimmte für die Übernahme. Drei Ratsmitglieder – die Übernahme-Befürworter Peter Fischer und Jürgen Klement (beide CDU – beide in Urlaub) und Birgit Halbach (SPD) – fehlten im Rat.
Von einer „historischen Entscheidung“(Grünen-Fraktionssprecher Joachim Straeten) war die Rede, von den Unwägbarkeiten, die nach der Übernahme der Burg drohten (CDU-Fraktionschef Wilfried Bogedain) oder von den Chancen, die sich aus der Übernahme ergeben würden, die größer seien als die Risiken (Freie-Wähler-Sprecher Udo Kadages). Die Bedenken von Bürgermeister Volker Rübo, die CDU- Fraktionschef Bogedain persönlich teilte, dass die Stadtverwaltung die Entwicklung und Unterhaltung der Burg aus wirtschaftlicher und personeller Sicht angesichts anderer wichtiger Aufgaben wie Kita-Ausbach, Schulsanierungen und Sportstättenbau nicht werde stemmen können, ließen SPD-Fraktionsvorsitzender Andreas Gareißen oder Linken-Sprecher Günter Solecki nicht gelten. Man dürfe beides nicht gegeneinander ausspielen. Die Finanzlage der Stadt sei so schlecht nicht und es gelte, Fördermöglichkeiten auszuschöpfen.
Bürgermeister Rübo wehrte sich gegen Vorwürfe, er wolle die Burg nicht. „Der einzige, der sie nicht will, ist der Kreis Viersen“, meinte Rübo. Und dass die Stadt das Projekt nicht alleine stemmen könne, sei eine „realistische Einschätzung“, ergänzte er.
In der Einwohnerfragestunde zu Beginn der Sitzung hatten sich mehrere Bürger zu Wort gemeldet. Kritisiert wurde, dass es noch keine belastbaren Szenarien, sprich ein tragfähiges Konzept für eine künftige Nutzung der Burg gebe. Vorgeschlagen wurde auch eine Bürgerstiftung, die sich finanziell einbringen könnte. Dafür könnten Spenden gesammelt werden. Diese Idee brachte auch FDP-Fraktionsvorsitzende Irene Wistuba zur Sprache. Klar ist indes nach der Ratssitzung eins: Die Burg soll im Besitz der öffentlichen Hand bleiben, einem Verkauf an einen Privatinvestor erteilten alle Fraktionen eine eindeutige Absage. Aber gerade das hätte der Fall sein können, hätte es nicht die Ratsmehrheit für die Übernahme des Wahrzeichens gegeben. Denn Landrat Andreas Coenen (CDU) hatte immer wieder klargemacht, dass er ein förmliches Vergabeverfahren zum Verkauf der Burgimmobilie an private Interessenten einleiten würde, wenn die Stadt Kempen sie nicht übernehmen würde.
Denn der Kreis will die Burg nicht länger halten, als dort das Kreisarchiv noch seinen Sitz hat. Auch in der Kreispolitik gibt es eine klare Mehrheit dafür, die Kempener Burg abzugeben. Außerhalb der Kempener Stadtgrenzen ist das Interesse an der Zukunft der Burg eher gering. Auf Kreisebene wollen die anderen Kommunen nicht länger über die Kreisumlage für die Burg mitbezahlen. Vorherrschende Meinung dort ist seit Langem: Soll Kempen sein Wahrzeichen doch bitte übernehmen und selbst was draus machen. Der Landrat hat immerhin zugesichert, die Kreisvolkshochschule als Ankermieter in einer städtischen Burg zu lassen.
Zugegeben: Der Landrat hat der Kempener Politik die Pistole auf die Brust gesetzt: Wenn Kempen die Burg nicht übernimmt, wird der Kreis sie eben an einen Privatinvestor verkaufen. Angesichts dieser Drohkulisse hat der Stadtrat am Dienstagabend eine richtige Entscheidung getroffen. Die Stadt soll mit dem Kreis die Modalitäten der Übernahme der Immobilie verhandeln. Am Ende soll die Übernahme stehen. All das hätte man längst haben können, denn seit Jahren ist bekannt, dass der Kreis sich von der Burg verabschieden will. Es gab Studien – etwa die Studentenwerkstatt – mit Szenarien für eine neue Nutzung der Burg. So richtig angepackt hat man das Thema in Kempen allerdings nicht. Es ist noch nicht zu spät, nun endlich Verantwortung zu übernehmen und das Wahrzeichen für die Bürger weiter zu entwickeln. Denn viele Kempener hängen sehr an „ihrer“Burg – am Feuerwerk zu St. Martin oder am Turmblasen zu Weihnachten. rei