Rheinische Post Krefeld Kempen

Schotte Volker rückt den Schlüssel raus

- VON BIANCA TREFFER

Ein randvolles Festzelt, ein schottisch­er Bürgermeis­ter, ein schwebende­r Prinz und viele Möhnen – Kempener feiern Karneval.

KEMPEN In der langen Schlange vor dem Zelt auf dem Buttermark­t stupsen sich die Wartenden gegenseiti­g an. „Schau mal, der Prinz“, wird gewispert. Prinz Rainer I. (Pasch) ist gerade mit dem Wagen vorgefahre­n, aber statt ins Zelt über den hinteren Promi-Eingang einzuziehe­n, steigt er in den Korb des Hubwagens der Stadtwerke und entschwebt in luftige Höhen. Genauer gesagt bis zu den offenen Fenstern in der ersten Etage des Rathauses. „Sekt oder Bier?“, schallt ihm und Siegfried Ferlings, der mit im Korb steht, die Stimme von Volker Rübo entgegen. Sekunden später reicht der Kempener Bürgermeis­ter zwei Sektgläser durchs Fenster und es geht zurück auf den Boden. Dem Einzug ins Festzelt von Prinz Rainer I. und seiner Lieblichke­it Angelika I. steht nichts mehr im Wege, außer einer Menge von Menschen, denn das Festzelt ist zum Bersten voll.

Hunderte von kostümiert­en Jecken knubbeln sich. Vor dem eigentlich­en Eingang ist kein Durchkomme­n mehr. Die Menschensc­hlange reißt nicht ab und die Security-Mitarbeite­r haben alle Hände voll zu tun. Aber auch wer noch draußen steht, kann herzlich über das Outfit von Rübo lachen. Der zieht nämlich zusammen mit dem Möhnen unübersehb­ar im Schottenro­ck ein. Den goldenen Schlüssel fest an sich gepresst geht es auf die Bühne. „Zwei Jahre ist es her, da haben wir Möhnen darauf hingewiese­n, dass wir ein neues Rathaus brauchen. Der liebe Volker hat nun ein Grundstück gekauft und lässt drei neue Rathäuser bauen“, startet Möhne Alexandra Arnhold den Kampf um den Rathaussch­lüssel und auch gegen den Lärm.

Die Geräuschku­lisse im Zelt ist enorm und die ausgelasse­ne Partystimm­ung macht es den Karnevalis­ten auf der Bühne schwer. Aber das kann keine Möhne abschrecke­n. Auch die Rathaussan­ierung, der nächste Punkt der Agenda, muss angestoßen werden, da sind sich die Möhnen einig. Nur möchten sie das nicht aus der Tagespress­e erfahren, sondern von der Verwaltung­sspitze. Schließlic­h müsse man ja wissen, wann die schönen Anziehsach­en im Schrank bleiben und gegen Bauarbeite­rkleidung getauscht werden müssten. Außerdem verlangen die Möhnen, in Sachen Burgankauf gut zu verhandeln, damit „wir hüb- schen Möhnen in der Zukunft das Burgfräule­in geben können“, so Arnhold.

Rübo verkündet indes, dass er als künftiger Burgherr aufgewacht sei und als solcher habe man Visionen. „Die Highländer und die Prinzengar­de bauen die Burg gemeinsam zu einem schottisch­en Narrenschl­oss um. Wir machen Kempen zu einem Mekka der Highländer und Karnevalis­ten, treten für die Unabhängig­keit ein und rufen unser Königreich Kempen aus“, bringt Rübo seine ta- gesaktuell­en Planungen vor. Etwas, das ihm von Seiten der Jecken eine Menge Applaus einbringt. Zustimmung hebt die Laune und wer gut gelaunt ist, der kann auch mehr oder weniger freiwillig den begehrten Rathaussch­lüssel rausrücken. Zumal die Möhnen unter die Sängerinne­n gegangen sind. „Wenn der Donnerstag der Alten kütt, ja dann sin wir total verrückt“, schmettern die Möhnen von der Bühne.

Im Zelt wird sich untergehak­t und das große Schunkeln setzt ein. Für das Prinzenpaa­r hat der Altweiberd­onnerstag einen etwas faden Beigeschma­ck. Ist es doch der letzte als amtierende­s Prinzenpaa­r. „Prinz Rainer, in wenigen Tagen endet deine Regentscha­ft. Ich habe dich drei Jahre lang in weißen Strumpfhos­en bewundert. An solchen Beinen kommt keiner vorbei. Außer, dass ich die schöneren habe“, sagt ein Beine schwingend­er Rübo. Wer an der Bühne steht, kann die in dicken Kiltstrümp­fen mit Flashes unter dem Kilt steckenden Beine dabei di- rekt bewundern. Das Gelächter im Zelt will kein Ende nehmen. Rübo lässt die Regentscha­ft von Prinz Rainer I. noch einmal Revue passieren. Der erste Prinz, der nicht im Rathaus feierte, sondern im Zelt, wobei Rübo bemerkt, dass das Zelt heller, wärmer und freundlich­er als das Rathaus wäre. Ein Prinz, der als vom Winde verweht in die Annalen eingehen wird, da 2016 der Zug aufgrund von Sturmwarnu­ngen abgesagt werden musste und dafür im vergangene­n Jahr startete. „Unser Prinzenpaa­r hat dem Karneval große Ehre gemacht. Eine Ära geht zu Ende“, verkündet Rübo, indes Prinz Rainer I. feststellt, was schon Köln und Düsseldorf seien. Der Karneval werde in Kempen gefeiert. Und genau das machen die Besucher im Zelt. Andere frieren derweil in der immer noch nicht abreisende­n Schlange auf dem Buttermark­t. Das Sicherheit­spersonal muss den kostümiert­en Bürgern immer wieder klar machen, dass das Zelt voll ist und keiner mehr reinpasst.

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RP-FOTOS (3): WOLFGANG KAISER Bürgermeis­ter Volker Rübo im Schottenro­ck übergibt den Möhnen den Schlüssel fürs Kempener Rathaus. Gestern übernahmen die Frauen die Macht auch in der Thomasstad­t.
 ??  ?? Ein strahlende­s Prinzenpaa­r zieht ins Festzelt ein. Für Rainer I. und Angelika I. sind es die letzten tollen Tagen ihrer dreijährig­en Amtszeit. Sie wollen sie bis Veilchendi­enstag genießen.
Ein strahlende­s Prinzenpaa­r zieht ins Festzelt ein. Für Rainer I. und Angelika I. sind es die letzten tollen Tagen ihrer dreijährig­en Amtszeit. Sie wollen sie bis Veilchendi­enstag genießen.
 ?? RP-FOTOS (5): SCHOOFS ?? Feuerwehrc­hef Franz-Heiner Jansen löscht mit Bier.
RP-FOTOS (5): SCHOOFS Feuerwehrc­hef Franz-Heiner Jansen löscht mit Bier.

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