Rheinische Post Krefeld Kempen
Über diesen Rheinländer lachen fast nur Österreicher
Dirk Stermann moderiert seit mehr als zehn Jahren eine Late-Night-Show im österreichischen Fernsehen – und macht sich über die Rechten im Parlament lustig.
Dieser Mann ist Deutscher und ein Star – aber nicht in seinem Heimatland. Dirk Stermann kam am 7. Dezember 1965 in Duisburg zur Welt, wuchs in Ratingen auf, ging in Düsseldorf zur Schule und zog der Liebe und des nicht vorhandenen Numerus clausus wegen nach Wien. Dort lernte er Christoph Grissemann kennen, mit dem der Comedian seit 2007 sehr erfolgreich die Late-Night-Show „Willkommen Österreich“dienstags im ORF moderiert. In seinem Roman „Sechs Österreicher unter den ersten fünf“beschreibt er fiktionalisiert seinen Werdegang in Österreich. Zuletzt erschien von ihm der Roman „Der Junge bekommt das Gute zuletzt“. Herr Stermann, in Österreich sitzen Rechtspopulisten nicht nur im Parlament, sondern auch in der Regierung. Ein Glücksfall für Berufshumoristen? STERMANN Humoristen können nicht so meschugge sein zu übersehen, dass es auch sie betrifft. Wir sind ja auch Menschen. Es ist keine angenehme Vorstellung, wenn 25 Burschenschafter im Parlament sitzen. In Deutschland habe ich immer gedacht, dass das eine Art Karnevalsgruppe in hässlichen Verkleidungen ist, die niemand ernst nehmen muss. Hier muss man sie ernst nehmen, weil sie wichtige Positionen bekommen haben. Von der Burschenschaft mit dem schrecklichen antisemitischen Liedbuch ist ein Foto aufgetaucht von einer Karnevalsfeier, auf dem sie alle Ku-Klux-Klan-Kostüme tragen. Rassisten verkleiden sich als Rassisten. Sie verzichten also gerne auf Material für Ihre Sendung, wenn diese Leute dafür nicht so stark vertreten sind? STERMANN Das wäre mir lieber. Es ist auch so lustig genug in Österreich. Haben politische Humoristen im Zeitalter des Populismus eine besondere Aufgabe? STERMANN Die besondere Aufgabe aufzupassen hat jetzt die Politik selbst. Da werden gerade viele Appelle an unseren jungen, feschen Bundeskanzler gerichtet. Aber es ist genauso wenig die Aufgabe von Humoristen wie von Metzgern und Straßenbahnfahrern. Warum reden Sie dann über solche Themen in Ihrer Show? STERMANN Weil wir darüber sprechen, was gerade passiert. Ich rede lieber darüber, wenn die österreichische Fußballnationalmannschaft lustige Sachen macht. Es ist aber schon unsere Aufgabe, sich über Rechte lustig zu machen. Das mögen die nicht. Sie möchten martialisch sein und nicht als Clown dargestellt werden. Verharmlost ein Comedian Populisten nicht, wenn er sie zu Witzfiguren macht? STERMANN Das finde ich nicht. Wir machen ja denen Mut, die diese Entwicklungen kritisch sehen. Wir können nicht immer denken „Oh Gott, oh Gott, oh Gott“. Das würden fünf trübe Jahre werden. Diese Ventilfunktion ist wichtig. Es sind vielleicht Clowns, aber Clowns mit Macht. STERMANN Genau. Wir dürfen nicht unterschätzen, dass diese Leute eine Machtposition haben. Aber dass sie damit verantwortlich umgehen, können wir auch lustig anmahnen. Wenige Tage nach der Beerdigung des Rechtspopulisten Jörg Haider haben Sie sich in Ihrer Show über die Trauer lustig gemacht. STERMANN Über die Berichterstattung. Es war eine Art Staatsakt, der stundenlang im Fernsehen übertragen wurde. Bekannte aus Kärnten haben uns erzählt, dass Grundschüler dort eine Schweigestunde für Jörg Haider einlegen mussten. Dabei hatte Haider kurze Zeit vorher den österreichischen Staat noch als Missgeburt bezeichnet. Wir haben die Sendung für die Leute gemacht, die Jörg Haider nicht heiligsprechen wollten. Das war etwas unheimlich. Warum unheimlich? STERMANN Auf seiner letzten Pressekonferenz hatte Haider sich mit seinem Assistenten darüber lustig gemacht, dass sie Asylbewerber mitten im Wald auf einem Berg, der auch noch Saualm hieß, einquartieren wollen, weil diese dann nicht mehr wegkönnen. Die haben die ganze Zeit gelacht. Auf der nächsten Pressekonferenz, nach Haiders Tod, hat dieser Assistent geweint. Wir fanden falsch, dass man alles, was man Haider vorwarf, ihm nach seinem Tod nicht mehr vorwerfen durfte. Ich würde behaupten, in Deutschland wäre Ihr Beitrag über Haiders Tod nicht möglich gewesen. STERMANN In Österreich ist schon viel möglich, das spricht für das Land. Da gibt es eine barocke Herangehensweise an Humor. Viele deutsche Kollegen sagen uns: Wow, das dürften wir alles nicht. Wir lehnen uns weit raus, das wissen wir. Ich finde es aber auch notwendig. Was meinen Sie mit barocker Herangehensweise? STERMANN Österreich ist ein katholisches Land. Man kann, wenn man was Schlimmes sagt, hinterher immer noch beichten gehen. Hier sagt man ganz oft arge Sachen. Wenn österreichische Komiker in Deutschland auftreten, merken die deutschen Zuschauer oft gar nicht, wie arg das ist, was sie sagen, weil es so charmant klingt. Das fällt ja in Österreich weg. Hier ist der Humor einfach härter. Härter gegen sich selbst. Härter gegen das Leben. Woher kommt die Härte gegen sich selbst? STERMANN Wien ist ein Schmelztiegel. Aber anders als in New York haben sich hier immer Menschen aus depressiven Völkern vermischt: Ungarn, Slowenen, Ruthenen. Das ganze gemischt mit jüdischem Humor. Ich glaube, so ist das entstanden. In Deutschland fallen nach schlimmen Ereignissen wie einem Terroranschlag schon mal Satiresendungen aus. Warum zieht sich Satire gerade dann zurück? STERMANN Es kommt darauf an, was passiert. Wenn gerade etwas ganz Furchtbares passiert, muss man sich fragen, ob die Leute nicht auch mal das Recht haben, in Ruhe gelassen zu werden. Das finde ich verständlich. Wenn die Familie plant, abends auf eine Karnevalsfeier zu gehen, und um 18 Uhr stirbt der Vater, dann geht sie nicht trotzdem zur Karnevalsfeier.