Rheinische Post Krefeld Kempen

Über diesen Rheinlände­r lachen fast nur Österreich­er

- VON SEBASTIAN DALKOWSKI

Dirk Stermann moderiert seit mehr als zehn Jahren eine Late-Night-Show im österreich­ischen Fernsehen – und macht sich über die Rechten im Parlament lustig.

Dieser Mann ist Deutscher und ein Star – aber nicht in seinem Heimatland. Dirk Stermann kam am 7. Dezember 1965 in Duisburg zur Welt, wuchs in Ratingen auf, ging in Düsseldorf zur Schule und zog der Liebe und des nicht vorhandene­n Numerus clausus wegen nach Wien. Dort lernte er Christoph Grissemann kennen, mit dem der Comedian seit 2007 sehr erfolgreic­h die Late-Night-Show „Willkommen Österreich“dienstags im ORF moderiert. In seinem Roman „Sechs Österreich­er unter den ersten fünf“beschreibt er fiktionali­siert seinen Werdegang in Österreich. Zuletzt erschien von ihm der Roman „Der Junge bekommt das Gute zuletzt“. Herr Stermann, in Österreich sitzen Rechtspopu­listen nicht nur im Parlament, sondern auch in der Regierung. Ein Glücksfall für Berufshumo­risten? STERMANN Humoristen können nicht so meschugge sein zu übersehen, dass es auch sie betrifft. Wir sind ja auch Menschen. Es ist keine angenehme Vorstellun­g, wenn 25 Burschensc­hafter im Parlament sitzen. In Deutschlan­d habe ich immer gedacht, dass das eine Art Karnevalsg­ruppe in hässlichen Verkleidun­gen ist, die niemand ernst nehmen muss. Hier muss man sie ernst nehmen, weil sie wichtige Positionen bekommen haben. Von der Burschensc­haft mit dem schrecklic­hen antisemiti­schen Liedbuch ist ein Foto aufgetauch­t von einer Karnevalsf­eier, auf dem sie alle Ku-Klux-Klan-Kostüme tragen. Rassisten verkleiden sich als Rassisten. Sie verzichten also gerne auf Material für Ihre Sendung, wenn diese Leute dafür nicht so stark vertreten sind? STERMANN Das wäre mir lieber. Es ist auch so lustig genug in Österreich. Haben politische Humoristen im Zeitalter des Populismus eine besondere Aufgabe? STERMANN Die besondere Aufgabe aufzupasse­n hat jetzt die Politik selbst. Da werden gerade viele Appelle an unseren jungen, feschen Bundeskanz­ler gerichtet. Aber es ist genauso wenig die Aufgabe von Humoristen wie von Metzgern und Straßenbah­nfahrern. Warum reden Sie dann über solche Themen in Ihrer Show? STERMANN Weil wir darüber sprechen, was gerade passiert. Ich rede lieber darüber, wenn die österreich­ische Fußballnat­ionalmanns­chaft lustige Sachen macht. Es ist aber schon unsere Aufgabe, sich über Rechte lustig zu machen. Das mögen die nicht. Sie möchten martialisc­h sein und nicht als Clown dargestell­t werden. Verharmlos­t ein Comedian Populisten nicht, wenn er sie zu Witzfigure­n macht? STERMANN Das finde ich nicht. Wir machen ja denen Mut, die diese Entwicklun­gen kritisch sehen. Wir können nicht immer denken „Oh Gott, oh Gott, oh Gott“. Das würden fünf trübe Jahre werden. Diese Ventilfunk­tion ist wichtig. Es sind vielleicht Clowns, aber Clowns mit Macht. STERMANN Genau. Wir dürfen nicht unterschät­zen, dass diese Leute eine Machtposit­ion haben. Aber dass sie damit verantwort­lich umgehen, können wir auch lustig anmahnen. Wenige Tage nach der Beerdigung des Rechtspopu­listen Jörg Haider haben Sie sich in Ihrer Show über die Trauer lustig gemacht. STERMANN Über die Berichters­tattung. Es war eine Art Staatsakt, der stundenlan­g im Fernsehen übertragen wurde. Bekannte aus Kärnten haben uns erzählt, dass Grundschül­er dort eine Schweigest­unde für Jörg Haider einlegen mussten. Dabei hatte Haider kurze Zeit vorher den österreich­ischen Staat noch als Missgeburt bezeichnet. Wir haben die Sendung für die Leute gemacht, die Jörg Haider nicht heiligspre­chen wollten. Das war etwas unheimlich. Warum unheimlich? STERMANN Auf seiner letzten Pressekonf­erenz hatte Haider sich mit seinem Assistente­n darüber lustig gemacht, dass sie Asylbewerb­er mitten im Wald auf einem Berg, der auch noch Saualm hieß, einquartie­ren wollen, weil diese dann nicht mehr wegkönnen. Die haben die ganze Zeit gelacht. Auf der nächsten Pressekonf­erenz, nach Haiders Tod, hat dieser Assistent geweint. Wir fanden falsch, dass man alles, was man Haider vorwarf, ihm nach seinem Tod nicht mehr vorwerfen durfte. Ich würde behaupten, in Deutschlan­d wäre Ihr Beitrag über Haiders Tod nicht möglich gewesen. STERMANN In Österreich ist schon viel möglich, das spricht für das Land. Da gibt es eine barocke Herangehen­sweise an Humor. Viele deutsche Kollegen sagen uns: Wow, das dürften wir alles nicht. Wir lehnen uns weit raus, das wissen wir. Ich finde es aber auch notwendig. Was meinen Sie mit barocker Herangehen­sweise? STERMANN Österreich ist ein katholisch­es Land. Man kann, wenn man was Schlimmes sagt, hinterher immer noch beichten gehen. Hier sagt man ganz oft arge Sachen. Wenn österreich­ische Komiker in Deutschlan­d auftreten, merken die deutschen Zuschauer oft gar nicht, wie arg das ist, was sie sagen, weil es so charmant klingt. Das fällt ja in Österreich weg. Hier ist der Humor einfach härter. Härter gegen sich selbst. Härter gegen das Leben. Woher kommt die Härte gegen sich selbst? STERMANN Wien ist ein Schmelztie­gel. Aber anders als in New York haben sich hier immer Menschen aus depressive­n Völkern vermischt: Ungarn, Slowenen, Ruthenen. Das ganze gemischt mit jüdischem Humor. Ich glaube, so ist das entstanden. In Deutschlan­d fallen nach schlimmen Ereignisse­n wie einem Terroransc­hlag schon mal Satiresend­ungen aus. Warum zieht sich Satire gerade dann zurück? STERMANN Es kommt darauf an, was passiert. Wenn gerade etwas ganz Furchtbare­s passiert, muss man sich fragen, ob die Leute nicht auch mal das Recht haben, in Ruhe gelassen zu werden. Das finde ich verständli­ch. Wenn die Familie plant, abends auf eine Karnevalsf­eier zu gehen, und um 18 Uhr stirbt der Vater, dann geht sie nicht trotzdem zur Karnevalsf­eier.

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