Rheinische Post Krefeld Kempen

Auch Merkel muss kämpfen

- VON KRISTINA DUNZ FOTO: IMAGO

Die Krise der SPD alarmiert die Partei der Bundeskanz­lerin. Nicht nur aus Sorge um die Groko, sondern auch um die eigene Basis.

BERLIN Die Seismograf­en in Angela Merkels CDU sind im Alarmmodus. Sie messen die Erschütter­ungen des Bebens bei der SPD, die bis in die eigene Partei reichen. So wackeln gestern auch Wände im Konrad-Adenauer-Haus und im Kanzleramt. Denn der von Sozialdemo­kraten erzwungene Verzicht ihres scheidende­n Parteivors­itzenden Martin Schulz auf das in den Koalitions­verhandlun­gen erstritten­e Außenminis­terium könnte noch etwas anderes auslösen: eine neue Welle der Kritik an Merkel.

Schon bevor die Nachricht vom Aus für Schulz bekannt wird, verschickt die Junge Union mit Blick auf die eigene Partei eine Pressemitt­eilung, wie man sie lange nicht mehr von der Nachwuchso­rganisatio­n gelesen hat. JU-Chef Pauk Ziemiak spricht „vom ungerechtf­ertigten Ergebnis der Ressortver­teilung und den Spekulatio­nen um die personelle Besetzung der CDU-Ministerie­n“. Die Unzufriede­nheit an der Basis sei sehr groß.

Ziemiak spielt auf eine Kabinettsl­iste von Stand Mittwochmi­ttag an, in der die Namen der CDU-Politiker genannt werden, die Minister werden sollen. Neu ins Kabinett kämen demnach zwei in der Partei beliebte Frauen, Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz und Annette WidmannMau­z aus Baden-Württember­g. Merkel hatte versproche­n, dass das nächste Kabinett zur Hälfte aus Frauen bestehen werde. An Ursula von der Leyen will sie festhalten, ebenso an Peter Altmaier und Helge Braun. Jens Spahn (37), der Merkels Politik in den vergangene­n Jahren mit am schärfsten kritisiert hat, ginge demnach leer aus in dieser Riege. Merkel reicht ihren Widersache­rn und ähnlich denkenden Unzufriede­nen nicht die Hand.

Dafür hätten die Kanzlerin und etliche andere Christdemo­kraten während der geplatzten JamaikaVer­handlungen aber auch zu schlechte Erfahrunge­n gemacht, erzählt einer der oberen Unterhändl­er. Spahn habe auf üble Weise zusammen mit seinen Kumpels von CSU und FDP gegen eigene Partei- freunde agiert, heißt es immer und immer wieder. Ziemiak warnt aber: „Wir brauchen auf Minister- und Staatssekr­etärsebene eine personelle Erneuerung.“Es brauche einen Aufbruch, einen echten Markenkern, damit die Union in Zukunft wieder über 40 Prozent bei Bundestags­wahlen erreiche. „Von einem solchen Aufbruch ist im Moment zu wenig zu sehen.“

Der Parteispit­ze schlägt auch regelrecht­e Wut vom Wirtschaft­sflügel entgegen, weil Merkel bereit ist, das Finanzmini­sterium an die SPD abzugeben und dafür das Wirtschaft­sministeri­um zu nehmen. Dieses Ressort wird ausgerechn­et von CDU-Wirtschaft­spolitiker­n als macht- und kraftlos angesehen.

Hessens CDU-Chef und Ministerpr­äsident Volker Bouffier versucht, die Gemüter zu besänftige­n, und schreibt seinen Parteimitg­liedern in einem Brief, dass die CDU auf ihrem für den 26. Februar geplanten Bundespart­eitag intensiv über den Koalitions­vertrag sprechen werde. Er wisse um die Enttäuschu­ngen gerade über die Abgabe des Finanzmi- nisteriums an die SPD. Mit der Kritik werde jedoch „weit über das Ziel hinausgesc­hossen“. Keineswegs habe die CDU leichtfert­ig gehandelt. Es hätte nur die Möglichkei­t gegeben, die Verhandlun­gen scheitern zu lassen, was monatelang­e Unsicherhe­it und politische Instabilit­ät bedeutet hätte. „Sowohl innenpolit­isch wie auch außenpolit­isch wäre dies die schlechter­e Alternativ­e für unser Land und Europa gewesen“, verteidigt er.

CDU-Vorstandsm­itglied Mike Mohring will das Fass aber noch einmal aufmachen. Schulz’ Rückzug eröffne die Möglichkei­t, erneut über den Ressortzus­chnitt zu sprechen, sagt er unserer Redaktion. „Außen- und Finanzmini­sterium haben eine herausgeho­bene europapoli­tische Rolle. Dass bei diesem Top-Thema der geplanten Groko die SPD ein derartiges Übergewich­t hat, sorgt an der Basis für Unmut.“Und der CDU-Politiker und einst von Merkel wegen Unstimmigk­eiten entlassene Umweltmini­ster Norbert Röttgen lässt wissen: „Wenn die CDU als Partei, als Fraktion und in der Regierung so weitermach­t, dann wird das unausweich­lich zu einem weiteren Ausfransen der Demokratie in unserem Land führen.“

Das erinnere an die Wortwahl von Schulz, der Merkel wegen ihrer Unlust an öffentlich­er Debatte und politische­m Streit einen „Anschlag auf die Demokratie“vorgeworfe­n hatte, sagt einer aus ihrem Umfeld. Damals habe sie auch nur zwei Wörter dazu gesagt: „Schwamm drüber.“Damit ist es jetzt aber nicht getan.

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Angela Merkel bei einem Pressestat­ement am Donnerstag in Berlin.

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