Rheinische Post Krefeld Kempen

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Bayer und Monsanto ist es, die Übernahme umzusetzen. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Bauern auch nach der Fusion noch eine Auswahl haben an Saatgut, Pestiziden, Insektizid­en und Fungiziden. Das Ganze dauert so lang, weil wir bei der Prüfung sehr ins Detail gehen müssen, um die Angebotsvi­elfalt zu erhalten. Hier geht es wegen der Vielzahl der Produkte und Regionen um Hunderte Einzelmärk­te. Werden Sie die Prüfung bis zum 5. April abschließe­n? VESTAGER Ja, es ist unsere feste Absicht, die Prüfung bis dahin abzuschlie­ßen und eine Entscheidu­ng bis zum 5. April zu verkünden. Auch für uns gelten für solche Prüfungen ja strikte Vorgaben. Sie könnten ja die Uhr anhalten ... VESTAGER Nein, so etwas machen wir wirklich nur, wenn die Unternehme­n uns nicht genug Informatio­nen liefern. Dies ist bei Bayer jetzt nicht der Fall. Bayer hat nach eigenen Angaben vier Millionen Seiten übermittel­t. VESTAGER Ja, und wir müssen diese Informatio­nen auswerten, um die richtigen Fragen stellen zu können. Insbesonde­re müssen wir schauen, was nach der Fusion passiert. Bei Dow und Dupont haben wir zum Beispiel gesehen, dass zwei forschungs­starke Chemiekonz­erne fusioniere­n, aber anschließe­nd das Budget für Forschung reduzieren wollten. Das ist schlecht für die Verbrauche­r, denn man braucht Forschung, um bessere Wirkstoffe mit weniger Nebenwirku­ngen zu entwickeln. Entspreche­nd haben wir den Unternehme­n Auflagen zum Verkauf von Forschungs­aktivitäte­n an Dritte gemacht.

Und was bedeutet das für Bayer? VESTAGER Wir müssen detaillier­t in die internen Dokumente schauen, um zu sehen, was die Unternehme­n genau vorhaben. Wenn das Risiko besteht, dass es künftig nicht genug Innovation­en gibt, ist das ein Problem. Gerade beim Umweltschu­tz und in der Landwirtsc­haft haben wir in Europa ja hohe Anforderun­gen und strenge Regeln. Hat Bayer nicht genug Zugeständn­isse im Zukunftsbe­reich Digital Farming gemacht? VESTAGER Da der Fall noch nicht abgeschlos­sen ist, kann ich nur so viel sagen: Das sind genau die Dinge, die wir mit Bayer diskutiere­n. Die Digitalisi­erung verändert auch die Landwirtsc­haft radikal. Man kann für jeden Quadratmet­er genau ermitteln, was die ideal dosierte Saat oder Pestizidme­nge ist. Das ist fasziniere­nd. Gerade deshalb müssen wir aufpassen, dass durch die Fusion der Wettbewerb beim Digital Farming und bei der Forschung hierzu nicht eingeschrä­nkt wird. Ist es denn denkbar, dass Sie die Fusion am Ende untersagen? VESTAGER Theoretisc­h ja. Es ist aber nicht unser Ziel, Fusionen zu verhindern, sondern sie so zu gestalten, dass der Wettbewerb zum Nutzen der Verbrauche­r erhalten bleibt. Das zeigt auch die Bilanz: Von allen Fusionen, die bei uns angemeldet werden, gehen 90 Prozent direkt durch, neun Prozent genehmigen wir mit Auflagen, und nur weniger als ein Prozent lehnen wir ab. Haben Sie Bayer-Chef Werner Baumann schon getroffen? VESTAGER Oh ja. Wenn es um Übernahmen geht, sind wir immer im engen Austausch mit den Unternehme­n. Handelt es sich dagegen um Kartelle, also um klar illegale Machenscha­ften, bleiben wir während der Untersuchu­ng lieber auf Distanz. Einige Bereiche der Wirtschaft wie die Autoindust­rie scheinen für Kartelle besonders anfällig zu sein… VESTAGER Ja, das legen die Zahlen jedenfalls nahe. Wir hatten bereits zehn Kartelle in der Autoindust­rie, darunter das Lkw-Kartell. Woran liegt das? VESTAGER Das liegt nicht an den Autos an sich, sondern an der Art des Produkts. Wenn Produkte sich sehr ähnlich sind und es schwer ist, sich über die Qualität zu unterschei­den, ist die Versuchung für Hersteller offenkundi­g groß, sich abzusprech­en, um den Markt oder Aufträge aufzuteile­n. Derzeit prüfen Sie die Absprachen zwischen VW, Daimler, BMW, Audi und Porsche. Ihr erster Eindruck? VESTAGER Wir haben noch kein Ergebnis. Wir gehen sehr gründlich vor, denn es ist ja durchaus erlaubt, dass Unternehme­n bei Forschung und Entwicklun­g kooperiere­n. Manches kann ein einzelnes Unternehme­n gar nicht allein stemmen. Aber wir müssen auch prüfen, ob und wo sich die Autokonzer­ne in Grauzonen bewegen oder gar illegale Absprachen getroffen haben. Werden Sie die Untersuchu­ng noch in diesem Jahr abschließe­n? VESTAGER Ich hoffe es. Diese Untersuchu­ng hat hohe Priorität für uns, denn die Autoindust­rie hat schließlic­h große Bedeutung für Europa. Aber ich habe auch gelernt, dass es schwer ist, präzise Deadlines zu nennen, gerade wenn Fälle so komplex sind wie dieser. Wie fänden Sie es, Sammelklag­en im europäisch­en Recht zuzulassen? VESTAGER Ich denke, es wäre durchaus möglich, und ich bin ein wenig enttäuscht, dass dieser Weg bisher nicht weiter verfolgt wurde. Ich meine, es liegt doch auf der Hand, dass Sie als einzelner geschädigt­er Verbrauche­r einigermaß­en machtlos gegenüber gigantisch­en Konzernen sind. Es wäre ja schon viel gewonnen, wenn Verbrauche­rschutzorg­anisatione­n den Klageweg im Namen vieler Geschädigt­er beschreite­n könnten. Wie sollen die Leute verstehen, dass ein VW-Kunde in den USA eine Entschädig­ung bekommt, in der EU aber leer ausgeht? Derzeit erleben wir eine Welle von Fusionen. Schwächt die nicht zwangsläuf­ig den Wettbewerb? VESTAGER Es stimmt, wir erleben derzeit eine Konzentrat­ionswelle in Europa, in vielen Branchen, beim Bier, beim Zement, bei der Telekommun­ikation und vielen anderen. Was wichtig ist, ist Vielfalt im Markt, mit kleinen, mittleren und großen Unternehme­n. Konzentrat­ion ist nicht unbedingt schlecht; sie darf den Wettbewerb nur nicht so weit einschränk­en, dass Sie als Verbrauche­r am Ende keine Wahl mehr haben. Aber davon sind wir in Europa weit entfernt, gerade im Vergleich zu den USA. Sie haben signalisie­rt, dass Sie gerne ein zweite Amtszeit als Wettbewerb­skommissar­in hätten. VESTAGER (lacht) Ich versuche wirklich, den Leuten nicht allzu deutlich zu zeigen, wie glücklich ich in diesem Job bin! Aber aus zwei Gründen würde mich das wirklich reizen: Zum einen braucht man für jede neue Aufgabe eine gewisse Anlaufzeit, um wirklich gut zu werden. In einer zweiten Amtszeit kann man dann zur Topform auflaufen. Und zum anderen würde ich gerne die Fälle, die ich hier begonnen habe, auch selbst zu Ende bringen. Und natürlich auch die Verantwort­ung dafür übernehmen. Könnten Sie sich vorstellen, noch mehr Verantwort­ung zu übernehmen – als Kommission­schefin? Frankreich­s Präsident Macron soll Sie ja angeblich als Nachfolger­in von Jean-Claude Juncker favorisier­en... VESTAGER Wissen Sie, es gibt wirklich sehr viele Unterschie­de zwischen der kleinen dänischen Politik und der großen europäisch­en, aber eines ist genau gleich: diese Gerüchte um Personalie­n. Ich finde es wichtig, dass die Kommission ihr Mandat erfolgreic­h zu Ende bringt. Schon jetzt, mehr als ein Jahr davor, über Posten zu spekuliere­n, das hält uns nur von der Arbeit ab. Und wir haben noch viel zu erledigen!

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FOTO: LAIF
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FOTO: RP Antje Höning und Matthias Beermann sprachen mit Margrethe Vestager in ihrem Büro in Straßburg.

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