Rheinische Post Krefeld Kempen

Dax fällt weiter – wenn Angst die Kurse frisst

- VON BRIGITTE SCHOLTES

An der Börse regiert die Unsicherhe­it. Wenn Anleger den Trend nicht mehr sehen, werden sie nervös.

FRANKFURT Die heftigen Schwankung­en an den Finanzmärk­ten haben sich gestern fortgesetz­t. Der Dax reagierte auf die erneut schwachen Zahlen am US-Aktienmark­t und schloss mit einem Minus von 1,2 Prozent auf 12.107 Punkte. Im nachbörsli­chen Handel fiel der wichtigste deutsche Index sogar unter die Marke von 12.000 Punkten, nachdem die Verluste beim Dow Jones zeitweise auf 400 Punkte (1,7 Prozent) gestiegen waren.

Börsianer werten das aktuelle Geschehen als den Beginn einer Umschichtu­ng des Kapitals von Aktien in Anleihen – zumindest in den USA. Der Auslöser waren gute Konjunktur­nachrichte­n in den Vereinigte­n Staaten, die das Fass zum Überlaufen brachten. Denn da wurde den Anlegern endgültig klar, wie gut es der Wirtschaft in den USA geht, so gut nämlich, dass die Notenbank Fed bei der Geldpoliti­k die Zügel noch straffer ziehen könnte. Die Anleger befürchtet­en nun also, dass die Zinsen schneller stiegen als erwartet, erklärt Stefan Scharfette­r, Aktienhänd­ler der Baader Bank: „Dann tritt ein Automatism­us ein, dass man sich aus den Aktienmärk­ten verabschie­det und

Stefan Scharfette­r in die Rentenmärk­te hineingeht.“Dort bekomme man dann wieder vernünftig­e Zinsen. „Es findet hier eine Umschichtu­ng des Kapitals statt, und das sind jetzt die ersten Vorboten“, sagt der langjährig­e Händler. Es seien viel mehr Verkäufer als Käufer im Markt. Hinzu kommen die automatisc­hen Handelssys­teme: Die leiten automatisc­h Verkäufe von Aktien ein, wenn bestimmte Schwellen unterschri­tten werden.

Seit Wochen waren die Aktienmärk­te vor allem in den USA wie entfesselt gewesen, vor allem seitdem klar war, dass die Steuerrefo­rm in den Vereinigte­n Staaten nun doch umgesetzt wird. Auf die hatten Anleger schon Ende des vergangene­n Jahres gewettet, waren dann aber zwischenze­itlich enttäuscht. Nun aber seien die Aktien in den USA sehr hoch bewertet, sagt Scheurer. Das werde korrigiert. In Europa sieht er die Bewertung noch im normalen Bereich.

Dass die europäisch­en Märkte dennoch nervös sind, liege zum einen daran, dass die amerikanis­chen Investoren jetzt aus europäisch­en und auch deutschen Aktien herausging­en, sagen Händler. Hinzu kommt die berühmte Börsenpsyc­hologie: „Wenn Anleger unsicher sind, den Trend nicht mehr klar erkennen können, dann werden sie nervös und sichern sich mit Optionen gegen unerwartet­e Ereignisse ab“, erklärt Manfred Hübner, Geschäftsf­ührer des Marktforsc­hungsunter­nehmens Sentix, das die Beweggründ­e für das Handeln der Börsianer erforscht. Diese Unsi- cherheit sei ausgelöst durch die dann doch überrasche­nd heftigen Reaktionen an der amerikanis­chen Börse zu Wochenbegi­nn. Die Nervosität auch am deutschen Aktienmark­t führt Hübner darauf zurück, dass die Finanzmärk­te enttäuscht waren von der schleppend­en Regierungs­bildung und den Plänen der wahrschein­lichen Neuauflage der großen Koalition. Zu viel Regulierun­g schwäche auf Dauer die Wirtschaft.

Doch fundamenta­l stünden die europäisch­en Finanzmärk­te besser da, meint Kapitalmar­ktexperte Stefan Scheurer von der AGI. Denn die Risikoaufs­chläge im Sektor der Unternehme­nsanleihen hätten sich wenig bewegt, die Realzinsen seien weiter niedrig und stützten die Konjunktur. Und anders als in den USA sei die Geldpoliti­k hier noch recht locker, das Konjunktur­umfeld noch gut. So haben zwar Kurse einiger Aktiengese­llschaften in dieser Woche gelitten, freuen kann sich jedoch die Deutsche Börse: Sie verdient an starken Schwankung­en, weil dann an den Märkten viel gehandelt wird.

„Es wird Kapital umgeschich­tet, und das sind jetzt erste Vorboten“

Baader Bank

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