Rheinische Post Krefeld Kempen

DABEI SEIN IST ALLES

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Curling und das gute Olympia-Gefühl Vorfreude auf die Winterspie­le muss man sich vornehmen. Es gibt wieder die Möglichkei­t, normale Menschen als Sportler zu erleben.

Die Olympische­n Winterspie­le haben begonnen. Und mit ihnen die ewige Selbstbefr­agung: Ist Vorfreude erlaubt? Wie viele Medaillen werden voreilig bejubelt, weil die Gewinner ein paar Jahre später des Dopings überführt werden? Wie viel Spaß macht ein Sportfest, das unter extremen Sicherheit­svorkehrun­gen veranstalt­et wird?

Vielleicht sind das Antworten darauf: Es ist gar nicht so schlecht, auch ein bisschen naive Freude zuzulassen. Es ist ein gutes Zeichen, dass Nord- und Südkorea in Zeiten großer Spannungen zumindest einen kleinen publikumsw­irksamen Schritt aufeinande­r zu machen. Und es ist eine gute Idee, ausnahmswe­ise mal an die völkerverb­indende Kraft des Sports zu glauben. Das ist auch naiv, aber es gibt ein gutes Gefühl.

Trotzdem weiß ich natürlich noch nicht, ob ich mir die Augen eckig schauen werde am Fernseher. Dem steht wahrschein­lich die Zeitversch­iebung im Weg. Die Tatsache, dass viele Entscheidu­ngen in Pyeongchan­g am sehr frühen europäisch­en Morgen fallen werden und ei- nige Wettbewerb­e mitten in unserer Nacht ausgetrage­n werden, erschwert dem finster zur olympische­n Begeisteru­ng entschloss­enen Sportfreun­d den Zugang.

Olympia wird hierzuland­e wohl nur dann das Publikum in den Bann ziehen, wenn deutsche Athleten in Südkorea Erfolgsges­chichten schreiben. Die Möglichkei­t besteht. Vor allem in jenen Sportarten, deren Athleten wirklich nur alle vier Jahre ins Rampenlich­t treten und darüber hinaus viel trainieren und überhaupt nicht auffallen. Nicht einmal bei den Wettkämpfe­n, die nahezu unter Ausschluss der Öffentlich­keit stattfinde­n – die Rodler, die Skeleton-Piloten, die Bobfahrer. Olympia ist für sie das Allergrößt­e. Für ein paar Tage werden ihre Namen so geläufig sein wie die der Bundesliga­Fußballer. Dann werden sie wieder normale Menschen.

Auch das ist schön an Olympia, dass normale Menschen aus dem Schatten treten, dass sie sich dabei normal benehmen und nicht so gestanzt daherreden wie die mit allen medialen Wassern gewaschene­n Öffentlich­keitsarbei­ter aus den großen Publikumss­portarten. Darauf freue ich mich wirklich.

Und dann freue ich mich noch auf Curling, das beruhigend­e Dahingleit­en der Steine auf dem Eis, das Geräusch der Besen, die einsamen Rufe des Skips. Medizin für die Nerven. Leider mitten in der Nacht. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-Post.de

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