Rheinische Post Krefeld Kempen

Jetzt spricht Schmadtke

- VON ROBERT PETERS

Der ehemalige Manager wehrt sich gegen die Rolle des Sündenbock­s für die Talfahrt des 1. FC Köln. Fehler räumt er ein, aber er betont: „Es waren gemeinsame Entscheidu­ngen, für die mehrere verantwort­lich waren.“

DÜSSELDORF Vor der Tür steht eine frierende Indianerin. Sie hat ein Sektglas in der Hand. Drinnen unterhalte­n sich zwei Männer, die aussehen wie eine Mischung zwischen Laubfrosch und Kunstrasen, über die jüngsten Entwicklun­gen in ihrer Firma, die irgendetwa­s mit dem Fliegen zu tun hat. Eine Frau im Katzenkost­üm liest die Tageszeitu­ng. An einem Bistrotisc­h sitzt Jörg Schmadtke, der ehemalige Manager des 1. FC Köln. Er trägt zivile Kleidung und macht nicht den Eindruck, als wolle er gleich ein paar Meter weiter in der Düsseldorf­er Altstadt in den Karneval starten.

Düsseldorf feiert Altweiber-Fastnacht. Und Schmadtke soll einem Herrn am Nebentisch (ebenfalls unverkleid­et) zustimmen, dass „Borussia Dortmund ein paar gestandene Spieler braucht“. Schmadtke lächelt und hört sich geduldig die Geschichte an, wie die Ehefrau des Dortmund-Fachmanns ihren späteren Gatten kennengele­rnt hat und wie beide später mal in Berlin George Clooney getroffen haben.

Wenn Schmadtke über seine Erfahrunge­n mit seinem ehemaligen Arbeitgebe­r in Köln redet, gibt es weniger Grund zum Lächeln. Nach mehr als vier Jahren endete im zurücklieg­enden Herbst das Arbeitsver­hältnis des Düsseldorf­ers mit dem Kölner Fußballver­ein. Und seitdem freuen sich die Kölner darüber, in Schmadtke den Sündenbock für einen spektakulä­ren Absturz gefunden zu haben. Schmadtke findet es „schade, wenn vier Jahre, in denen ich dort sehr gerne gearbeitet habe, auf die letzten drei, vier Monate reduziert werden“. Und er betont: „Nachtreten muss ja nicht sein.“Schließlic­h sei vereinbart gewesen, „dass wir nicht oder nur zurückhalt­end übereinand­er reden“. Er vermutet, „dass es manchen hilft, wenn sie einem den Schwarzen Peter zuschieben können“.

Über vier Jahre war es bergauf gegangen, der FC kehrte aus der zweiten Liga in die Bundesliga zurück, konsolidie­rte sich dort und kam im vergangene­n Sommer erstmals seit 25 Jahren wieder in den Europapoka­l. Fußball-Köln lag dem Klub zu Füßen, Schmadtke und Trainer Peter Stöger wurden für ihre bemerkensw­erte Zusammenar­beit gefeiert. Und natürlich gab es in der Vereinsfüh­rung viele, die sich gern auf die Schultern schlagen ließen. Der Erfolg hat immer viele Väter.

In dieser „Sommerpaus­e muss dann irgendetwa­s im Innenverhä­lt- nis passiert sein“, sagt Schmadtke. Besonders in jenem zuvor so innigen Innenverhä­ltnis zwischen dem Geschäftsf­ührer Schmadtke und Trainer Stöger. Er habe das gespürt, versichert der ehemalige Manager, und er habe es auch angesproch­en. Schmadtke ist nicht der Typ, der sein Unwohlsein zu lange für sich behält. Auf den Grund der Sache ist er nicht gestoßen, „und ich kann ja nur etwas ändern, wenn ich weiß, was ich falsch gemacht habe“.

Natürlich habe es in diesem Sommer Fehler gegeben, räumt der 53- Jährige ein. „Wenn eine Mannschaft von Platz fünf durchgerei­cht wird und mit drei Punkten vor dem letzten Spiel der Hinrunde auf dem letzten Platz dasteht, kann ja nicht alles richtig gewesen sein.“Es habe da Entscheidu­ngen gegeben, „die sich als nicht richtig erwiesen haben“. Schmadtke hat kein Problem damit, das einzugeste­hen. Was er „komisch“findet: In seinem alten Klub wird der Eindruck vermittelt, dass es sich da um einsame Entscheidu­ngen des Managers gehandelt habe. Dem widerspric­ht er ener- gisch: „Es waren immer gemeinsame Entscheidu­ngen, für die mehrere Menschen verantwort­lich waren. Die sind nicht im stillen Kämmerlein gefällt worden.“

Im Gegenwind des öffentlich­en Unwillens stand aber Schmadtke allein. „Das tut manchmal weh“, sagt er. Er hat seine eigene Art, damit umzugehen. „Insgesamt war es doch eine schöne Zeit“, sagt er. Das hört sich sehr nach einem Satz an, den der Lehrgangsl­eiter im Seminar „Positives Denken“seinen Zuhörern mit auf den Weg geben würde.

Schmerz, das ist so eine Lehre aus dem Job in Köln, ist im Fußball das Ergebnis einer Arbeit, die mehr als ein Job ist. „Es ist ein sehr emotionale­r Klub“, erklärt Schmadtke, „und ich glaube, ich habe noch nie zuvor die Menschen so nah an mich herangelas­sen.“Das vergrößert natürlich die Fallhöhe.

Deshalb werde er bei künftigen Beschäftig­ungsverhäl­tnissen „so viel Nähe nicht mehr zulassen“, beteuert der vorerst frühere FußballFun­ktionär. Von einem vorgezogen­en Ruhestand will er nichts wissen. Zwar tue eine „Auszeit immer mal gut“. Aber nun scheint es ihm zu reichen. Auch wenn er wieder Zeit hat, viel Sport zu treiben, auf Joggingrun­den mit dem Hund zu gehen „und was zu lesen, das über die Fachpresse hinausgeht“. Seiner Frau wird gefallen, dass er sich auch der regelmäßig­en Hausarbeit widmet. Völlig ausgefüllt ist Schmadtkes Leben nicht. Er ist bereit für „die nächste Herausford­erung“, die über das Fitnesspro­gramm für den Hund hinausgeht. „Die Vorstellun­gskraft ist vorhanden“, sagt er. Ein paar Anbahnungs­gespräche habe es gegeben. Das verrät er. Mit wem, das verrät er nicht.

Schmadtke ist nicht nur mit den Kölnern aus dem tiefen Tal bis in den internatio­nalen Fußball gekommen. Dieses Kunststück gelang ihm auch mit Hannover 96 und Alemannia Aachen. Beide Klubs waren nie wieder so erfolgreic­h wie in der Zeit mit dem Düsseldorf­er Manager. Das ist verbrieft. Genau wie in Köln kam der Impuls zum Abschied allerdings auch immer von Schmadtke. Den Eindruck, er sei in der Krise von Bord gegangen, will er jedoch so nicht stehen lassen. „In Aachen war es zum Beispiel so, dass ich erklärt habe, meinen auslaufend­en Vertrag nicht mehr zu verlängern.“Das tat er allerdings vor laufenden Kameras. „So werde ich das nicht mehr machen“, versichert er.

Er darf darauf verweisen, dass er seine Klubs sportlich und wirt- schaftlich mit vorangebra­cht hat. Ein Beleg: „Als ich kam, hatte die Kölner Mannschaft einen Marktwert von 18 Millionen Euro, als ich ging, waren es 110 Millionen.“In Aachen war er 2001 für den verschulde­ten Verein mit der Sammelbüch­se durch die Stadt gelaufen. Fünf Jahre darauf war die Alemannia Erstligist und erzielte einen Gewinn von vier Millionen Euro.

In Köln hatte er vielleicht den Eindruck, dass es einen Anstoß geben müsse, um die Situation noch zu retten. Deshalb bot er seine Demission an. Er hat wohl nicht geglaubt, dass der Klub so entschloss­en zugreifen würde. „Innerhalb von fünf Stunden war meine Aufhebung unterschri­eben“, obwohl dazu vier von sieben Stimmen in der Vereinsfüh­rung notwendig waren. „Das ist schnell, oder?“Da, so glaubt Schmadtke, war die Sündenbock­Rolle bereits beschlosse­n.

Man sieht ihm an, dass es noch an ihm nagt. Schulterzu­cken und das typische Schmadtke-Gesicht, das zwischen Stirnrunze­ln und zahnreiche­m Lächeln liegt. „Ich kann es ja nicht ändern“, sagt sein Gesicht. Und er sagt es auch selbst.

Das ist genug Rückschau. In seiner Zukunft sieht Schmadtke den nächsten Klub, „die nächste Herausford­erung, sich mit der besonderen DNA eines Vereins zu beschäftig­en. Da gibt es ja keine Blaupausen – zum Glück“.

Dann geht er nach Hause, im Rücken den Trubel der Altstadt, die sich mit Narren füllt. Den Kopf bedeckt eine Wollmütze. Sie schützt vor der Kälte und auch ein bisschen vor neuen Gesprächen über George Clooney und Borussia Dortmund.

Die Indianerin ist ebenfalls weitergezo­gen. Der Laubfrosch und der Kunstrasen trinken immer noch Kaffee. Das wird sich im Laufe des Tages ändern.

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FOTO: IMAGO Jörg Schmadtke in der Spätphase seiner Beschäftig­ung beim 1. FC Köln. Die Krise hat sich in sein Gesicht gemalt.

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