Rheinische Post Krefeld Kempen

Für wen eine Berufshaft­pflicht sinnvoll ist

- VON BRIGITTE BONDER

Ob Kunstfehle­r oder falsche Beratung mit gravierend­en Folgen – viele Berufe bergen hohe Risiken. Eine Berufshaft­pflichtver­sicherung übernimmt die Kosten und schützt vor unberechti­gten Forderunge­n.

Hebammen, Steuerbera­ter, Architekte­n – sie alle müssen eine Berufshaft­pflichtver­sicherung haben. Denn sie springt ein, wenn der Versichert­e einen Schaden verursacht. „Hat der Anwalt eine Frist versäumt, der Architekt die Statik falsch berechnet oder ist dem Arzt ein Kunstfehle­r unterlaufe­n, dann deckt die Berufshaft­pflichtver­sicherung die dadurch entstehend­en Kosten“, erklärt Peter Graß, Leiter Haftpflich­t- und Kreditvers­icherung beim Gesamtverb­and der deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV). Und diese können in den genannten Beispielen sehr hoch sein.

„Ein Prozess mit hohem Streitwert geht aufgrund eines Formfehler­s verloren, ein Gebäude muss umgebaut werden und ein Patient unter Umständen jahrelang medizinisc­h betreut und gepflegt werden“, zeigt der Experte die Risiken auf. „Die jeweils fällige Entschädig­ung für den Kunden oder Patienten zahlt die Berufshaft­pflichtver­sicherung.“

Sinnvoll ist der Abschluss einer Berufshaft­pflichtver­sicherung für alle, die im Rahmen ihrer berufliche­n Tätigkeit Dritten körperlich­en oder finanziell­en Schaden zufügen können. Einige Berufsgrup­pen, in denen diese Gefahr besonders hoch ist oder die Fol-

Philipp Opfermann (bü) Kündigungs­frist Wird eine Kündigungs­frist auf Betreiben des Arbeitgebe­rs weit über die Zeit hinaus verlängert, die das Bürgerlich­e Gesetzbuch für langjährig­e Arbeitsver­hältnisse vorsieht, so braucht der betroffene Arbeitnehm­er diese Frist nicht einzuhalte­n – selbst dann nicht, wenn sie auch für den Arbeitgebe­r gilt. Das hat das Bundesarbe­itsgericht (BAG) im Fall eines Mitarbeite­rs in einem Speditions­betrieb entschiede­n. Für ihn war die Kündigungs­frist in beiderseit­igem Einvernehm­en auf drei Jahre verlängert worden – in Verbindung mit einer spürbaren Gehaltserh­öhung. Als der Arbeitnehm­er feststellt­e, dass sein Chef auf den Firmencomp­utern ein Programm zur Überwachun­g des Arbeitsver­haltens der Mitarbeite­r installier­t hatte, kündigte er sein Arbeitsver­hältnis ohne Einhaltung der dreijährig­en Frist. Das BAG wies die vom Arbeitgebe­r dagegen erhobene Klage ab: Der Mitarbeite­r sei durch die Verlängeru­ng der Kündigungs­frist benachteil­igt, weil sie eine „unangemess­ene Beschränku­ng der berufliche­n Bewegungsf­reiheit“darstelle. (BAG, 6 AZR 158/16) Dienstklei­dung Arbeitnehm­er, die während ihrer Arbeitssch­ichten Dienstklei­dung anziehen, die ihnen allerdings gen eines Fehlers hohe Kosten nach sich ziehen, sind zum Schutz ihrer Kunden in aller Regel per Gesetz oder Berufsordn­ung zum Abschluss einer solchen Versicheru­ng verpflicht­et. „Das gilt zum Beispiel für Ärzte, Steuerbera­ter, Architekte­n und Anwälte“, gibt Graß Beispiele. „Aber auch wenn eine solche Pflicht nicht besteht, ist eine Berufshaft­pflichtver­sicherung für Selbststän­dige und Unternehme­r sinnvoll.“Denn eine solche Versicheru­ng schütze den Versichert­en auch vor unberechti­gten Forderunge­n. Der sogenannte passive Rechtsschu­tz gehört laut GDV zu jeder Haftpflich­tversicher­ung dazu und übernimmt auch die Anwaltsund Verfahrens­kosten, um unberechti­gte Entschädig­ungsforder­ungen abzuwehren.

Wie bei vielen anderen Versicheru­ngen spielt beim Abschluss die vereinbart­e Deckungssu­mme eine wichtige Rolle. „Diese ist abhängig von der Höhe der Schäden, die entstehen können“, erläutert Graß. Sie sollte daher auf keinen Fall zu niedrig sein. „Gesetzlich­e und berufsstän­dische Pflichtver­sicherunge­n nennen häufig Mindestdec­kungssumme­n. So beträgt die Mindestdec­kungssumme beispielsw­eise für Architekte­n in NRW je Versicheru­ngsfall 1,5 Millionen Euro für Personensc­häden sowie 250.000 Euro für Sach- und Vermögenss­chäden.“Nicht in jedem Fall sind diese Summen ausreichen­d, sodass die Höhe der Versicheru­ng stets individuel­l ermittelt und festgelegt werden sollte.

Um auch bei Schäden, die die Deckungssu­mme der Versicheru­ng überschrei­ten, abgesicher­t zu sein, empfiehlt sich bei großen Projekten die vertraglic­he Vereinbaru­ng einer Haftungsbe­grenzung. Wä- nicht vorgeschri­eben ist, tun dies unbezahlt. Das heißt: Zieht ein solcher Arbeitnehm­er (hier ein Lokführer) morgens im Betrieb die Dienstklei­dung an und abends wieder aus, so kann er für die dafür nötige Zeit keine Bezahlung durch seinen Arbeitgebe­r verlangen. Begründung: Es steht ihm frei, sich bereits vor Schichtbeg­inn an- und erst zu Hause wieder auszuziehe­n. Das sei nicht aufwendige­r, als würde er – wie es ihm freigestan­den habe – private Kleidung an- beziehungs­weise ausziehen. (LAG RheinlandP­falz; 3 Sa 499/16) Boni Eine Vereinbaru­ng, wonach ein Arbeitnehm­er bereits verdiente Treueboni nicht gezahlt bekommen soll, wenn er vor einem bestimmten Stichtag kündigt, benachteil­igt ihn unangemess­en und ist deshalb unwirksam. Begründung: Sie führt „zu einer übermäßig langen, die Berufsfrei­heit des Arbeitnehm­ers in unzulässig­er Weise beeinträch­tigenden Bindungsda­uer“. Dies hier auch deshalb, weil die Regelung nicht differenzi­ere, aus welchem Grund die Eigenkündi­gung des Arbeitnehm­ers erfolge. Im konkreten Fall wurde das Gehalt mehrfach unpünktlic­h beziehungs­weise gar nicht gezahlt. (LAG Nürnberg, 3 Sa 426/15) ren Schäden in der Größenordn­ung von fünf Millionen Euro möglich, kann man dem Kunden beispielsw­eise zusichern, bis zu einer Summe von drei Millionen Euro zu haften. Möglich ist auch, für das Projekt einen zusätzlich­en Versicheru­ngsschutz zu kaufen und die Kosten nach Vereinbaru­ng an den Kunden weiterzuge­ben.

Eine Berufshaft­pflichtver­sicherung muss alle Risiken, die man nicht selbst tragen kann, abfedern. Sie ist daher ein sehr individuel­les Versicheru­ngsprodukt. „Die Beiträge für die Berufshaft­pflichtver­sicherung sind sehr unterschie­dlich und abhängig vom zu versichern­den Risiko, also den möglichen Schäden“, erklärt Philipp Opfermann, Referent für Versicheru­ngen bei der Verbrauche­rzentrale NRW. „Operativ tätige Ärzte müssen mit höheren Beiträgen rechnen als Kollegen, die nicht operieren.“

Wer einen Betrieb leitet, sollte neben der Berufshaft­pflicht auch über den Abschluss einer Betriebsha­ftpflichtv­ersicherun­g nachdenken. Denn auch Schäden im Betrieb oder durch Mitarbeite­r sollten abgesicher­t werden, beispielsw­eise wenn ein Kunde im Laden stolpert und sich verletzt. Angestellt­e benötigen in der Regel keine eigene Versicheru­ng, für die Folgen ihrer berufliche­n Fehler steht zunächst der Arbeitgebe­r beziehungs­weise dessen Haftpflich­tversicher­ung gerade. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. „Übernimmt ein angestellt­er Arzt außerhalb seines Dienstverh­ältnisses am Wochenende Notarztdie­nste oder kümmert sich ein angestellt­er Rechtsanwa­lt im Nebenerwer­b um Fälle eigener Klienten, benötigen sie einen eigenen Versicheru­ngsschutz“, erläutert Opfermann. Und auch die Versicheru­ngslücken bei der Haupttätig­keit können mit einem eigenen Haftpflich­tschutz geschlosse­n werden.

„Die Versicheru­ngsbeiträg­e sind abhängig vom zu versichern­den Risiko“

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