Rheinische Post Krefeld Kempen

Ein Richter ohne Robe

- VON ALEXANDER TRIESCH

Bundesweit werden derzeit Schöffen gesucht. Berthold Bauer aus Brüggen begleitet Prozesse am Landgerich­t Krefeld.

KREFELD/BRÜGGEN Berthold Bauer fühlt sich noch fit. „Körperlich und auch geistig“, sagt der Mann aus Brüggen, der bald seinen 70. Geburtstag feiert. Für sein Ehrenamt wird sein hohes Alter jetzt zum Problem. In diesem Jahr wird Bauer zum letzten Mal als Schöffe in der sechsten kleinen Strafkamme­r des Landgerich­ts Krefeld sitzen. So sieht es das Gesetz vor. Wer in Deutschlan­d das Amt des Laien-Richters annehmen will, muss jünger als 70 Jahre sein. Fünf Jahre saß Bauer in Verhandlun­gen, lauschte den Aussagen von Zeugen, bewertete Wahrheit und Lüge der Angeklagte­n und entschied gemeinsam mit den Berufsrich­tern über das Strafmaß – völlig ohne juristisch­e Ausbildung, dafür mit großer Menschenke­nntnis. Bauer war die Stimme des Volkes. Bald endet seine Verpflicht­ung am Gericht, neu bewerben darf er sich nicht. Er ist zu alt. „Das ist schade, ich hätte gerne noch weitergema­cht. Vor allem Rentner und Pensionäre haben im Ruhestand ja Zeit.“Aber so ist das Recht nun mal: nicht immer auch gerecht. Und wegen des Rechts ist der 69-Jährige ja schließlic­h hier.

Berthold Bauer sitzt in der Gerichtska­ntine und schüttet sich eine Flasche Apfelsafts­chorle ins Glas. „Schöffe sein ist ein wunderbare­s Amt. Ich kann nur jedem empfehlen, über eine Bewerbung nachzudenk­en“, sagt er. Das Interesse für die Justiz kam bei Bauer, der früher als Manager für ein großes deutsches Unternehme­n arbeitete, erst spät. „Vor einigen Jahren hat mich ein befreundet­er Richter regelmä- ßig als Zuschauer zu ein paar spannenden Prozessen nach Mönchengla­dbach eingeladen.“Direkt habe Bauer sich dem Recht verbunden gefühlt, die Plädoyers von Verteidige­rn und Staatsanwä­lten intensiv verfolgt, Zeugen und Angeklagte beobachtet – und war immer wieder erstaunt, auf welche Ideen die mutmaßlich­en Täter kamen. „In den Prozessen ging es um ganze Schicksale – von Angeklagte­n und Opfern.“

2013 hat Bauer dann erfahren, dass die Gerichte in Deutschlan­d wieder Schöffen suchen. „Ich wusste sofort: Das will ich machen.“Er meldete sich in seiner Gemeinde, die ihn auf eine Vorschlags­liste setzte. Aus der wählte ein Ausschuss des Amtsgerich­ts die Schöffen für die nächsten fünf Jahre aus. „Es gibt aber einige Voraussetz­ungen“, sagt Bauer. So muss ein Schöffe deutscher Staatsbürg­er, mindestens 25 Jahre alt sein und darf das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Wer hoch verschulde­t, vorbestraf­t oder Beamter der Justiz ist, wird nicht berücksich­tigt. Bezahlt werden Schöffen nicht. Sie bekommen eine Aufwandsen­tschädigun­g und werden vom Arbeitgebe­r für die Zeit bei Gericht freigestel­lt.

„Ich habe mich immer ernstgenom­men gefühlt, auch in den Beratungen vor der Urteilsver­kündung“, sagt Bauer. Einmal habe er den Vorsitzend­en Richter sogar überzeugen können, weil er das Strafmaß für zu niedrig hielt. „Wir Schöffen haben das gleiche Stimmrecht wie ein Berufsrich­ter“, sagt Bauer. In den kleinen Strafkamme­rn können die beiden Schöffen den Richter sogar überstimme­n. „Das kommt meiner

„Wir Schöffen haben das gleiche Stimmrecht wie ein Berufsrich­ter“

Berthold Bauer

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