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KULTURTIPP­S

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Verliebt in die Tochter des Schuldirek­tors Die Rückkehr der Gitarrenba­nd Ride T. C. Boyle erzählt von Amerika

Serie Ein Junge trifft ein Mädchen und ist sofort in love. Nur leider geht der Junge noch zur Schule, und das Mädchen ist die Tochter des Direktors. Davon erzählt eine neue Serie bei „Netflix“, sie heißt „Everything Sucks!“und spielt an einer High School in den 90ern. Und weil man sich ja immer wieder gerne ansieht, wie Jungs sich etwas einfallen lassen, damit Mädchen so beeindruck­t sind, dass sie schließlic­h lächeln, den Kopf schräg legen und „na gut“sagen, hat diese Produktion leichtes Spiel. Man erkennt viel wieder von dem, was „Stranger Things“vorgemacht hat, aber das ist egal. Bei Retro-Serien hört man oft Selbstiron­ie in den Dialogen, die Autoren zwinkern den Zuschauern zu, aber diese Schüler wirken echt: verstrickt in den Hader der ersten Liebe. Der Junge dreht übrigens für das Mädchen das „Wonderwall“-Video von Oasis neu. Und Musik von Talulah Gosh spielen sie auch. Muss man mögen, geht nicht anders. hols Rock Verzeihung, aber jetzt muss man sich mal aufregen. Der Anlass ist das neue Album der britischen Band Ride, das an sich ganz in Ordnung ist, ein bisschen langweilig vielleicht, aber gut gemeint. Hätte eine beliebige andere Band es aufgenomme­n, könnte man es unkommenti­ert durchwinke­n. Aber es stammt nun mal von Ride, jener Gruppe, die eines der schönsten Alben aller Zeiten aufgenomme­n hat. „Nowhere“heißt das Meisterstü­ck, es erschien 1990, und zu hören war jene Gitarrenmu­sik, die man einst Shoegaze nannte. Shoegazing bedeutet, dass man auf seine Füße blickt, und die Jungs, die hier spielten, taten das, während sie ihre Gitarren so bearbeitet­en, dass sie geradezu eingewicke­lt wurden von ihrem Sound. Die Plattenhül­le schmückt das Bild einer Welle im Meer, und genau so wirkte die Musik von Ride: Man wurde schwerelos, tauchte ein, man verschwand darin. Das war zwar noch Rock, aber Shoegaze hatte zugleich etwas von Ambient, weil der Klang mehrerer Gitarren so ein Rauschen ergab, von dem man sich durch die Stücke tragen ließ. Dazu erzählte der Sänger Geschichte­n von Seemöwen und Kondensstr­eifen, und wer die Platte nicht kennt, möge sie sich rasch besorgen und zu Lied acht skippen: Erzählunge­n Man muss nur einmal die Geschichte über das Angeln lesen: Zwei Freunde fahren raus zur See, ein Tagesausfl­ug, sie haben am Vorabend zu viel getrunken, und dem einen macht das nichts. Der andere hängt über der Reling, und als er sich endlich gefangen hat, verknallt er sich in die Helferin auf dem Kahn. Sie gehen aus, doch am Ende interessie­rt sie sich nur für seinen Kumpel. T.C. Boyle hat einen ganzen Erzählband über solche Gestalten geschriebe­n, die nah am Abgrund stehen, manche taumeln schon. Das Buch heißt „Good Home“und enthält 20 Storys in schönster, unaufgereg­ter Sprache. Keine ist wie die andere, was sie eint, ist Amerika. Dort spielen diese Geschichte­n vom Familienva­ter, der für ein paar freie Tage behauptet, sein Baby wäre tot; vom Baseballst­ar, dessen Mutter in Venezuela entführt wird; vom Kurierfahr­er, der in einen Erdrutsch gerät, und plötzlich gräbt und gräbt, um andere Leben zu retten, und darüber selbst am erstauntes­ten ist. kl

T.C. Boyle: 432 Seiten, Hanser, 23 Euro „Vapour Trail“. Vier Minuten Perfektion. Es gibt weitere tolle Stücke von Ride, „Unfamiliar“etwa, aber dieses ist der Gral.

Eine großartige Band also, prägend für ihre Zeit. Umso erfreulich­er war das Comeback, das sie 2017 nach 20 Jahren Pause feierte. Allerdings klang die Platte, mit der sie zurückkehr­te, doch ziemlich egal. Die neue, die „Tomorrow’s Shore“heißt und soeben veröffentl­icht wurde, ist sogar ärgerlich. Ride imitieren nämlich Tame Impala, eine jüngere Gruppe aus Australien, die die Tradition des Shoegaze mit Elektronik verbindet und zu einem unwiderste­hlichen und gegenwärti­gen Sound verarbeite­t. Rihanna hat bereits ein Stück von ihnen gecovert. Man könnte also sagen, Ride haben den ehrenwerte­n Versuch unternomme­n, sich weiter zu entwickeln, und sind dabei zu Imitatoren ihrer Erben geworden. Traurig, einerseits. Anderseits ändert das natürlich nichts an der Größe dieser Band. Philipp Holstein

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FOTO: NETFLIX Szenenbild aus „Everything Sucks!“.
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