Rheinische Post Krefeld Kempen

In Schutzwest­en Menschen helfen

- VON HEIKE AHLEN

Heiko Lammertz ist zum vierten Mal als Polizist im Auslandsei­nsatz. Diesmal in Darfur, im Westen des Sudan. Seine Aufgabe: Menschen schützen, Polizisten ausbilden. Und er möchte eine im Krieg zerstörte Schule wieder aufbauen.

NETTETAL/DARFUR Der Krieg in Darfur startete 2003. Theoretisc­h gab es ein Jahr später ein Friedensab­kommen zwischen Regierung und Rebellen, praktisch ist in der Region im Westen des Sudan seit 15 Jahren Krieg. Noch nicht einmal die Vereinten Nationen (UN) nennen genaue Zahlen von Toten und Vertrieben­en. Aber sie helfen in Darfur. Das UNMandat bezieht sich auf den Schutz der Zivilisten, besonders der Flüchtling­e, die aus ihren ursprüngli­chen Dörfern vertrieben wurden. Die Blauhelme überwachen die Einhaltung der Menschenre­chte – und sie versuchen, dafür zu sorgen, dass die Menschen dort wieder selbst klarkommen.

In Tawilla im Jebel-Marra-Gebirge sind neben den UN-Soldaten auch 30 Polizisten aus aller Welt im Einsatz. Sie bilden die dortige Polizei aus, sorgen dafür, dass Polizisten wieder „Freunde und Helfer“sind – und auch von der Bevölkerun­g als solche gesehen werden. Deutschlan­d ist das einzige europäisch­e Land, das sich an dieser UN-Mission beteiligt – mit sieben Personen. Zwei davon sind Heiko Lammertz (48) und Toni Kirchmair (58). Lammertz arbeitet als Polizist in Mönchengla­dbach, der Nettetaler war von 2006 bis 2016 bei der Viersener Polizei. Kirchmair kommt vom Polizeiprä­sidium in Köln. Beide sind erfahren, was UN-Missionen angeht.

Lammertz ist zum vierten Mal unterwegs, Kirchmair zum fünften. Für Lammertz gehen gerade ein paar Tage Urlaub bei seiner Frau und seinen beiden Söhnen in Nettetal zu Ende. Es war die erste Reise in die Heimat, seit er im November 2017 nach Tawilla ging. 1999 war er im Kosovo, später in Afghanista­n, vor gut drei Jahren im Südsudan. Obwohl das – für afrikanisc­he Verhältnis­se – gar nicht so weit von seinem jetzigen Einsatzort entfernt ist, liegen Welten dazwischen, berichtet er. Im Südsudan konnten sich die UN-Mitarbeite­r relativ frei bewegen, in Darfur können sie nur im Militärkon­voi mit Schutzwest­en unterwegs sein.

Lammertz und seine Polizeikol­legen leiten parallel Projekte des Vereins „Lachen Helfen“. Deutsche Sol- daten und Polizisten, die sich an friedenssi­chernden Missionen beteiligen, haben das Elend vor allem der Kinder gesehen. Deshalb gründeten sie 1996 diesen Verein. Auch für Darfur haben Lammertz und Kirchmair schon ein erstes Projekt gefunden. Sie wollen die „Secondary Boy School“in Tawilla wieder aufbauen. Auch wenn sie diesen Namen trägt, gehen dort nicht nur Jungen zur Schule, und sie ist auch keine reine weiterführ­ende Schule. 550 Kinder lernen dort von der ersten Klasse an.

Die Schule wurde im Krieg stark zerstört. In der Regenzeit, die Anfang August beginnt, gibt es keinen Schutz, kein Dach. Die Wände haben Einschussl­öcher, als Toilette dienen zwei Löcher in der Erde, es gibt einen kleinen Wassertank. Trotzdem nehmen die Schüler jeden Tag mehrstündi­ge Fußmärsche in Kauf, um lernen zu können. Allen ist die Schule wichtig – auch den Eltern, obwohl sie jede helfende Hand ihrer Kinder auf den Feldern und beim Holzsammel­n gut gebrauchen können. Aber sie wollen, dass ihre Kinder gut ausgebilde­t werden.

Der Name „Deutschlan­d“hat in Darfur einen guten Klang. „Aber nicht wegen offener Grenzen“, sagt Lammertz mit Nachdruck, sondern weil Deutschlan­d dafür bekannt sei, zu helfen. Von den 150.000 Flüchtling­en, die in Tawilla betreut werden, träume niemand von einer Ausreise nach Deutschlan­d. „Die Menschen wollen in der Heimat bleiben, sie lieben ihr Land, aber sie hätten gern mehr Hilfe dort“, erklärt der Polizist. 8500 Euro werden nötig sein, um die Schule wieder aufzubauen. Der Verein „Lachen Helfen“ will das übernehmen, ist aber dafür auf Spenden angewiesen. Schon bald soll Baubeginn sein, damit die Kinder zur Regenzeit Schutz und Toiletten haben.

Lammertz hat bereits einen zweiten Brennpunkt entdeckt: das Krankenhau­s von Tawilla. Für die 150.000 Menschen stehen dort nur zwei Betten zur Verfügung. Eins für die Wöchnerinn­en, eins für die Kranken. Aufgrund der katastroph­alen hygienisch­en Verhältnis­se sterben Menschen, denen eigentlich geholfen werden könnte.

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FOTO: LAMMERTZ Heiko Lammertz bei der UN-Mission in Darfur.

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