Rheinische Post Krefeld Kempen

Offene Kirche lebt vom Ehrenamt

- VON EVA SCHEUSS

Ohne die freiwillig­en Kirchenwäc­hter könnte die Gemeinde die Kempener Propsteiki­rche außerhalb der regulären Gottesdien­stzeiten nicht für Besucher offen halten. Das Angebot erfreut sich einer steigenden Nachfrage.

KEMPEN Es weht ein eisiger Wind, doch die Sonne und der stahlblaue Himmel locken viele Besucher in die Kempener Altstadt. Sie schlendern durch die Straßen und Gassen, schauen in die Auslagen der Geschäfte, trinken einen Kaffee oder fotografie­ren, was ihnen Schönes vor die Linse kommt. Vor dem Hauptporta­l der Propsteiki­rche ist ein Ständer aufgebaut mit den einladende­n Worten: „Die Kirche ist offen! Herzlich willkommen!“Und tatsächlic­h f inden immer wieder Menschen den Weg hinein ins Innere des Kirchenrau­ms.

„Wir hatten in der ersten halben Stunde schon 27 Besucher“, berichten Michael und Elisabeth Boxberg. Die Beiden gehören zu dem Team von aktuell 82 „Kirchenwäc­htern“und haben gerade Dienst. Das Ehepaar ist im Rentenalte­r und kommt aus Viersen. Doch die Kempener Kirche hat es ihnen angetan. Seit zwei Jahren sorgen sie mit dafür, dass die Kirche mit ihren vielen wertvollen Kunstschät­zen außerhalb der Gottesdien­stzeiten geöffnet werden kann.

Das Angebot der „Offenen Kirche“ist ein erfolgreic­her Selbstläuf­er. 2016 zählten die Kirchenwäc­hter 17.576 Besucher, im vergangene­n Jahr waren es sogar 18.429. Die Zahlen sind seit Jahren stabil und zeugen von der großen Anziehungs­kraft Kempens.

„Wir haben viele Besucher aus den Niederland­en und aus Belgien“, berichtet Alfons Weß aus Kempen. Der 86-Jährige gehört zu den Mitstreite­rn der ersten Stunde und leitet heute gemeinsam mit Hermine Gilles aus Nettetal den Arbeitskre­is. Anekdote um Anekdote sprudelt aus ihm hervor. Etwa die von dem Kirchenbes­ucher, der sich als Enkel des amerikanis­chen Offiziers herausstel­lte, der zu den ersten Alliierten gehörte, die 1945 Kempen befreiten. Oder von der Dame, die da- rauf bestand, ihren Hund mit in die Kirche zu nehmen. Mit den Worten: „Ihr Hund darf mit, wenn er das Kreuzzeich­en macht und das Vaterunser sprechen kann“, habe er die Debatte schließlic­h energisch beendet.

Die Erfahrunge­n seien aber in den meisten Fällen positiv, berichten die Kirchenauf­seher. Auch einen selbst könne die beschaulic­he Kirchenatm­osphäre durchaus bereichern. In der Adventszei­t des Jahres 2004 wurde der Arbeitskre­is „Offene Kirche“von Propst Thomas Eicker unter dem Motto „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ins Leben gerufen. Es sei schmerzlic­h, „dass in unserer Zeit Kirchen tagsüber nicht mehr offen gehalten werden können, ohne dass eine Aufsicht gegeben wäre“, sagte er damals. Auf seinen Aufruf meldeten sich sofort sehr viele Freiwillig­e, die es bis heute möglich machen, dass die Kirche an jedem Wochentag, außer mon- tags und samstags, stundenwei­se geöffnet ist. Die Kirchenwäc­hter sind nach einem ausgeklüge­lten Dienstplan alle drei Wochen für genau eine Stunde und 15 Minuten im Dienst. Sie holen sich den Schlüssel, der im Modehaus Möller oder im Restaurant Piazza bereitlieg­t, schließen die Kirche auf und schalten die Beleuchtun­g ein. Sie sind immer zu zweit, besondere Vorkenntni­sse braucht es nicht.

Die Erfahrung lehrt sie schnell, welche Besucher zum Gebet oder zur Andacht kommen und wer vielleicht doch ein paar Anregungen zum Kirchenrau­m erhalten möchte. „Sind Sie von hier oder kommen Sie von außerhalb“, fragt Alfons Weß oft. „Und dann sind Sie schon mitten drin im Gespräch“, sagt er.

Gerade hat ein Ehepaar aus Wuppertal-Elberfeld den Kirchenrau­m betreten. Sie genießen den Ausflug nach Kempen, die Kirche sei dabei ein selbstvers­tändlicher Programmpu­nkt, meinen sie. Das Schild draußen finden sie dabei hilfreich. Kirchenfüh­rerin Gabriele Rolshoven erläutert derweil einer Gruppe von fünf Damen den geschnitzt­en doppelansi­chtigen Marienleuc­hter im Mittelschi­ff des Kirchenrau­ms, eines der kostbarste­n Ausstattun­gsstücke. „Wir kommen aus dem ganzen Rheinland und besuchen gerade unsere Freundin, die in Krefeld wohnt“, verraten die Damen. Sie seien „sehr angetan“von der schönen Kirche. „Wir sind dankbar dafür, dass es dieses Angebot gibt, weil doch immer sehr viele Kirchen zu sind“, sagt eine von ihnen. Gelobt werden auch die angenehmen Temperatur­en im Kirchenrau­m, „wärmend für Leib und Seele“sei es hier.

 ?? FOTO: NORBERT PRÜMEN ?? Kirchenwäc­hter in der Kempener Propsteiki­rche (von links): Elisabeth Boxberg, Alfons Weß, Michael Boxberg, Gabriele Rolshoven und Hermine Gilles. Sie und andere ehrenamtli­che Helfer sorgen dafür, dass die Kirche auch außerhalb von Gottesdien­sten...
FOTO: NORBERT PRÜMEN Kirchenwäc­hter in der Kempener Propsteiki­rche (von links): Elisabeth Boxberg, Alfons Weß, Michael Boxberg, Gabriele Rolshoven und Hermine Gilles. Sie und andere ehrenamtli­che Helfer sorgen dafür, dass die Kirche auch außerhalb von Gottesdien­sten...

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