Rheinische Post Krefeld Kempen

Hausfrauen auf Schnäppche­njagd

- VON HEINER DECKERS

Bei schönstem Wetter war die Altstadt gestern beim Halbfasten­markt rappelvoll. Es gab wieder jeder Menge Nützliches und eher Nutzloses. Die Kunden freuten sich über zahlreiche Weltneuhei­ten.

KEMPEN Da ist sie wieder, diese eigentlich unbeschrei­bliche Geruchsmis­chung auf Anisbonbon­s, Grillwürst­chen, und Püfferkes, je nach nach Standort mit einem Hauch von geräuchert­er Forelle versehen. Wenn dann lautstark verkündet, dass in Afrika Muttertag sei, weiß man: In Kempen ist Halbfasten­markt.

Zu hunderten sind sie unterwegs, die Hausfrauen aus Kempen und Umgebung. Viele haben ihre Männer im Schlepptau, denen man freilich ansieht, dass sie gerne ganz woanders wären. Der Schnibbler, der uns im Lauf der Jahre sehr ans Herz gewachsen ist, zerlegt wieder Gemüse, als wolle er den Vitaminbed­arf einer mittleren Kleinstadt decken. Kurz hinter ihm ein Kollege, der irgendein Gel im Angebot hat. Wofür oder wogegen? Keine Ahnung, aber Testsieger! „Da bleibt nichts hängen, da bleibt nichts stecken“, schallt es dem Passanten ins Ohr. Zum Verkauf stehen hier Edelstahlr­eiben der neuesten Generation, vermutlich eine Weltneuhei­t.

Auf der Miedermeil­e Buttermark­t geht es derweil darum, welche von zwei Damen im besten Alter als erste an der Reihe ist. Das Angebot ist groß, in der Farbe und jeder Größe, unveränder­t ist Apricot Modefarbe. Gleich in der Nähe finden sich Leggins, auch in Übergrößen – ein klarer Fall für die Geschmacks­polizei! Wenn ein Händler Scheibenwi­scher für alle Fahrzeuge anpreist, klingt das zunächst einmal sehr überzeugen­d. Ob er auch die Nagelprobe mit einem Fahrrad geschafft hätte? Wir wissen es nicht.

Gleich am Anfang der Engerstraß­e präsentier­t sich ein sichtlich glückliche­r Händler seinem geneigten Publikum. „Ich habe jetzt meinen festen Standort gefunden“, sagt es. Danach sollte im Leben jeder trachten, das sorgt für innere Ruhe. Überhaupt herrscht gestern so eine Art Zufriedenh­eit, muss am Wetter liegen, wie ein Passant trefflich bemerkt: „Wer jetzt nicht vor die Tür geht, ist selber schuld.“

Schmucke Liegedecke­n für Haustiere (natürlich handgemach­t) sind ebenso zu erwerben wie Bambuskris­talle (härter als Baustahl). Die Frage, ob man das wirklich braucht, darf man an diesem Tag nicht fragen. Zu erwähnen sind unbedingt die Nachthemde­n. Die Muster und Farben sind jedoch teilweise so bizarr, dass man Käuferinne­n unbedingt den Rat mit auf den Weg geben möchte, die Bettdecke immer bis ganz noch oben zu ziehen.

Besonderer Anziehungs­punkt auf der Judenstraß­e ist einmal mehr der CD-Händler. Lautstark ertönt ein Plädoyer für dauerhafte Freundscha­ft: „Ein Tattoo für die Ewigkeit.“Die Stimmung ist kurz davor, dass sich Unbekannte um den Hals fallen und inbrünstig zu weinen beginnen.

Während die Hausfrauen­welt sich über Windmühlen­messer (Weltneuhei­t) informiert, treibt Meter weiter eine Multihoble­r sein Unwesen und zerfasert alles, was ihm unter die Hände kommt. „Tach, Ihr zwei Schönen“, tönt es. Deutlich mehr als zwei drehen sich um. Viele sind enttäuscht, dass offenbar nicht sie gemeint sind. Als Trost erschallt Musik: „Weil ich dich liebe“, schmachtet ein Sänger. Schon wieder ein CD-Händler? Nein, nur ein DHL-Wagen, dessen Fahrer offenbar eine Freund gepflegter Schlagermu­sik ist. Das passt zum Halbfasten­markt: Jeder ist sofort in das Geschehen integriert.

 ?? RP-FOTOS (3): HEINER DECKERS ?? Messer in jeder gewünschte­n Farbe und Größe sind auf dem Halbfasten­markt im Angebot.
RP-FOTOS (3): HEINER DECKERS Messer in jeder gewünschte­n Farbe und Größe sind auf dem Halbfasten­markt im Angebot.
 ?? RP-FOTO (3): WOLFGANG KAISER ?? Zeigt her eure Füße . . . Beim Schuhputze­r gibt es das geeignete Mittel für den ultimative­n Glanzputz.
RP-FOTO (3): WOLFGANG KAISER Zeigt her eure Füße . . . Beim Schuhputze­r gibt es das geeignete Mittel für den ultimative­n Glanzputz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany