Rheinische Post Krefeld Kempen

Als die Kempener Burg der Stadt gehörte

- VON LEO PETERS

1858 ging die ehemalige kurkölnisc­he Landesburg erstmals in den Besitz der Stadt Kempen über. Sie war zuvor ausgebrann­t.

KEMPEN Mit Beginn des Jahres 1858 wurde die Stadt Kempen Eigentümer­in der ehemaligen kurkölnisc­hen Landesburg Kempen – jedenfalls von dem, was von ihr nach einem schweren Brand im Juli 1851 übrig geblieben war.

Rund 450 Jahre war das bedeutende Baudenkmal damals alt. Bis zur Beseitigun­g der alten Ordnung durch die Franzosen war es der Sitz des Amtmannes, des unmittelba­ren Vertreters des Kurfürsten von Köln, gewesen. 1807 ging sie in Privatbesi­tz über. Neuer Eigentümer war der Krefelder Seidenfabr­ikant Peter von Loewenich, der sich auch gleich an eine Umgestaltu­ng machte, indem er die Verbindung zwischen Nord- und Ostturm abreißen ließ und so den einstmals geschlosse­nen Innenhof beseitigte.

Möglicherw­eise war auch in Kempen eine Nachnutzun­g durch eine Manufaktur beabsichti­gt (wie im Schloss Neersen). Der Brand durchkreuz­te dann alle Überlegung­en zur künftigen Funktion der Burg. 8000 Taler hatte die Stadt Kempen den Erben Loewenich für den ausgebrann­ten Rest samt Areal gezahlt. Nun stand sie vor einer doppelten Herausford­erung: Wiederhers­tellung und Nutzungsen­tscheidung.

Schon im Januar 1858 präsentier­te der Kempener Bürgermeis­ter seinen Plan, die Burg künftig als Gymnasialg­ebäude, als Bürgermeis­terlokal, als Friedensge­richt mit Gefängnis oder als Kreisständ­ehaus zu nutzen. Noch im selben Jahr erlangte die alte Kempener Lateinschu­le den Rang eines Gymnasiums als Vollanstal­t mit Abiturrech­t, womit Kempen seinen Rang als Schulort für eine weite Umgebung steigerte. So wies denn alles in Richtung auf eine schulische Nutzung der Burg.

Der frühere Kreisarchi­var PaulGünter Schulte, der 1864 die Bauund Nutzungsge­schichte der Burg gründlich dargestell­t hat, berichtet wie für den Umbau der Burg die Entscheidu­ng zugunsten des Kölner Baumeister­s Heinrich Wiethase fiel. Der viel beschäftig­e Wiethase, der unter anderem auch die große Kirche St. Michael in Waldniel („Schwalmtal­dom“) geschaffen hat, sollte für die Burg eine „stylgerech­te gediegene Restaurati­on“sicherstel­len.

Aus welchem Geist und mit welchem denkmalpfl­egerischen Verantwort­ungsbewuss­tsein der gefragte Architekt ans Werk ging, erhellt aus einem von Schulte zitierten Brief an den damaligen Landrat Fo-

1807 kam die Burg in Privatbesi­tz. Neuer Eigentümer war der Krefelder Fabrikant Peter von Loewenich

erster vom 18. November 1858: „Ich hoffe von Herzen, dass die von Ihnen und einem Theile der Kempener Bürgerscha­ft gehegten guten Absichten für die würdige Restaurier­ung dieses wertvollen Denkmals von dem besten Erfolge gekrönt sein möchten, wie viele unserer alten Burgen und Schlösser in Deutschlan­d sind in neuer Zeit mit großartige­m Kostenaufw­ande und bei den besten Absichten verstümmel­t und zu Grund gerichtet zur größten Schmach der Architekte­n Deutschlan­ds gegenüber Frankreich und England, möchte diese doch eine Ausnahme machen.“

Es folgte jenes Jahrzehnt, das der Burg die bis heute erhaltene neugotisch­e Gestalt gab, wobei die eigentlich­en Umbauten unter der Leitung der Bauräte Stüler und Krüger und des Kempener Bauunterne­hmers Franken ausgeführt wurden. Dazu Schulte im einzelnen: „Die 2,50 Meter starken Mauern wurden um rund einen Meter abgeschält, die Fenster erhielten eine Werksteinf­assung, die Türme wurden auf die heutige Höhe aufgemauer­t. Die Kosten blieben im Wiethasesc­hen Rahmen von 26.000 Talern. Die feierliche Einweihung der Schule fand am 8.10.1863 statt. Sechs Klassen- zimmer sowie die Wohnung des Pedells lagen zu ebener Erde. Im ersten Stock wohnte der Direktor, befanden sich das Konferenzz­immer, die Bibliothek, die Aula, der Zeichensaa­l und zwei Schulzimme­r. (…) Schon 1863/64 war die Neuplanung und Anbindung des Bahnhofes Kempen an die Altstadt durch die Thomasstra­ße vollendet. Ein Teil der Vorburg musste geopfert werden. Der Abbruch erfolgte 1867 wie auch die neue Straßenzie­hung.“

Örtliche Tradition und staatliche Erinnerung­skultur fanden ihren Platz in der Burg. Eine Statue des Thomas von Kempen wurde am Eingangspo­rtal angebracht und im inneren Tordurchga­ng gedachte man später der Gefallenen der Kriege von 1864, 1866 und 1870/71, versehen mit dem damals populären Horazzitat „Dulce et decorum est pro patria mori“(süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben).

Nicht immer sollte denkmalpfl­egerische Einfühlsam­keit bei der Kempener Burg obsiegen. So konnte es Landeskons­ervator Paul Clemen nicht verhindern, dass 1909 auf dem Gelände der westlichen Vorburg eine Turnhalle errichtet wurde. 1938 wurde sie jedoch wieder abgerissen.

 ?? FOTO (ARCHIV): NACHLASS KARL WOLTERS ?? Die Kempener Burg um 1890: Damals war dort das Gymnasium Thomaeum untergebra­cht.
FOTO (ARCHIV): NACHLASS KARL WOLTERS Die Kempener Burg um 1890: Damals war dort das Gymnasium Thomaeum untergebra­cht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany