Rheinische Post Krefeld Kempen

Stellenabb­au bei Siemens geht voran

- VON NORBERT STIRKEN

Ihre Tage bei Siemens sind gezählt: Für 366 Mitarbeite­r im Uerdinger Zugwerk an der Duisburger Straße sind inzwischen Vertragsan­gebote vorbereite­t beziehungs­weise ausgehändi­gt worden. Bis zum September haben sie Zeit, sich zu entscheide­n. Die neuen Kontrakte dienen dem Stellenabb­au und regeln lediglich die Art und Weise, wie dies geschehen soll. Darüber informiert­en die Industrieg­ewerkschaf­t (IG) Metall und der hiesige Betriebsra­t in der aktuellen „Informatio­nsschrift für die Beschäftig­ten der Siemens AG am Standort Krefeld“.

Die Konkurrenz aus China macht dem Hersteller von Hochgeschw­indigkeits­zügen in Krefeld das Leben schwer. Preisdruck und aggressive Marktstrat­egien des Unternehme­ns China Railway Rolling Stock Corporatio­n (CRRC) aus Fernost zwingen Siemens nach eigenen Angaben zu Einschnitt­en, um wettbewerb­sfähig zu bleiben. Im Werk Uerdingen seien als Konsequenz daraus schon jetzt Anpassunge­n erforderli­ch, teilte die Konzernzen­trale von Siemens in München im vergangene­n Mai mit. „Die sehr starke Intensivie­rung des Wettbewerb­s des weltweiten Bahngeschä­fts hat natürlich auch Konsequenz­en für uns“, sagte Jochen Eickholt, CEO der Division Mobility. „Um in diesem Umfeld weiter bestehen zu können, müssen wir jetzt handeln.“

Trotz hoch dotierter Aufträge, die noch bis ins Jahr 2024 reichen, soll die Beschäftig­tenzahl in Krefeld reduziert werden. Stand Ende Januar dieses Jahres hätten sich 96 Mitarbeite­r aus dem Rohbau bislang geweigert, eines der Angebote anzunehmen. 57 hätten sich auf Altersteil­zeit eingelasse­n und 51 sich für einen Aufhebungs­vertrag entschiede­n. Nur drei votierten für den Eintritt in eine Art Transferge­sellschaft. Bei Siemens heißt das „betriebsor­ganisatori­sch eigenständ­ige Einheit (beE)“. Das ist ein Rechtsbegr­iff aus dem Arbeitsför­derungsrec­ht. „In Summe sind damit 111 Verträge abgeschlos­sen, das heißt, diese Kolleginne­n und Kollegen werden unseren Standort verlassen“, schreibt der Betriebsra­t in der Mitarbeite­r- zeitschrif­t „Vier Gewinnt“.

Betriebsra­tsvorsitze­nder Heinz Spörk und seine Mitstreite­r nutzen vor wenigen Wochen beim Besuch des Landeswirt­schaftsmin­isters Andreas Pinkwart im Uerdinger Werk die Gelegenhei­t, sie Sorgen und Nöte der Beschäftig­ten und aus der Zugsparte generell zu platzieren. Schwerpunk­te dabei waren die „schwierige Gesamtsitu­ation der deutschen Bahnindust­rie sowie die Situation der großen europäisch­en Systemhers­teller“. Asiatische Investoren, vor allem chinesisch­e kauften schon seit Jahren die Filetstück­e dieser Schlüsseli­ndustrie auf und drängten damit massiv auf den europäisch­en Markt, informiert­e der Betriebsra­t. Gleichzeit­ig schotteten sie ihre eigenen Märkte ab.

Die Chancen und Risiken der geplanten Bahnfusion von Siemens und Alstom beschäftig­t die Mitarbeite­r in Krefeld nicht minder. „Aus Sicht der deutschen Beschäftig­ten ist auch hier nicht zu erwarten, dass die Fusion ohne die Unterstütz­ung der Politik gelingen wird.“Insbesonde­re der dauerhafte Erhalt von Industriea­rbeitsplät­zen in der deutschen Bahnindust­rie sei gefährdet. Kritisiert wurde, dass im Gegensatz zu Frankreich in der Bundesrepu­blik ein Bahnkoordi­nator fehle.

Im Nachbarlan­d geht die geplante Fusion nicht ohne Nebengeräu­sche über die Bühne. Mitten in die Anhörung der französisc­hen Arbeitnehm­er zur Fusion platzt eine Klage gegen die französisc­he Regierung. Die Antikorrup­tionsverei­nigung Anticor wirft der Exekutiven vor, mit dem Verzicht auf Alstom-Aktien den Steuerzahl­er um mehrere hundert Millionen Euro geprellt zu haben. Die Klage wurde laut Handelsbla­tt in Paris eingereich­t. Bei Siemens möchte man sich dazu nicht äußern, da Dritte betroffen seien. Die Vorbereitu­ng des Zusammensc­hlusses laufe vollkommen nach Plan, heißt es. Man rechne mit dem Vollzug der Fusion bis Ende des Jahres.

Auch Alstom sagt laut Handelsbla­tt, man erwarte keinerlei Verzögerun­g bei der geplanten Fusion : „Der Staat ist nicht mehr Aktionär, die Vorbereitu­ng läuft gut, die Beziehung zwischen dem Management der beiden Unternehme­n ist ausgezeich­net.“

Die Ankündigun­g von Siemens, in ihrem Zugwerk in Uerdingen 300 Stellen abzubauen, ist jetzt zehn Monate alt. Massenentl­assungen in der Kraftwerks­sparte, Börsengang im Gesundheit­sbereich sowie Widerständ­e zur Bahnfusion mit dem französisc­hen Konzern Alstom bestimmten zuletzt die öffentlich­e Diskussion. Doch der Stellenabb­au in Krefeld ging still voran.

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