Rheinische Post Krefeld Kempen
MEIN ERSTES GELD
Sumpfdotterblumen für die Nachbarin
Es war mein erstes und gleichzeitig mein am härtesten verdientes Geld. Ich wohnte am Rande der Stadt, umgeben von Bauernhöfen und Blumenwiesen. Auf diesen wuchsen im Sommer die bunten Gewächse üppig in verschiedenster Art.
Ich war sechs Jahre alt und witterte das Geschäft: Die nette Nachbarin mit den silbergrauen Haaren liebte Schnittblumen. Das wusste ich von meinem Spielfreund, der war sieben und bekam von ihr 50 Pfennig für einen Strauß Sumpfdotterblumen! Wahnsinn. Ich wollte 80 und sprang über den Elektrozaun auf die Wiese, pflückte eine Blume nach der anderen zu einem großen Strauß.
Allerdings übersah ich ein paar dort weidende Rinder. Eine dicke Zunge dieser Gattung leckte plötzlich an meinem Nacken. Ich erschrak furchtbar, rannte los und übersah nun auch den Elektrozaun. Der verpasste mir einen Ruck durch den dünnen Körper, dass ich gefühlte fünf Meter in einen frischen Misthaufen geschleudert wurde. Den bunten Strauß hielt ich mit ausgestrecktem Arm fest in der kleinen Hand. Ich nahm die Farbe des Haufens an, dampfte wie dieser und stank wie eine Sau, aber ich verdiente meine ersten…90 Pfennig!
Heiko Seidel DER AUTOR IST KABARETTIST UND SCHAUSPIELER UND GEHÖRT ZUM ENSEMBLE DES DÜSSELDORFER KOMMÖDCHENS