Rheinische Post Krefeld Kempen

Lieder von der Sehnsucht nach Freiheit

- VON STEPHANIE WICKERATH

Mit einem außergewöh­nlichen Konzert schließt die neue Kulturreih­e „Götterspei­se“in der Christuski­rche die aktuelle Spielzeit ab.

ST. TÖNIS Auf einen Stock gestützt und bei Joachim Watzlawik eingehakt, geht Brenda Boykin zwischen den gut gefüllten Bänken der evangelisc­hen Kirche Richtung Altarraum, der bei der Kulturreih­e „Götterspei­se“als Bühne dient. Ende März wird die amerikanis­che Jazzsänger­in 61 Jahre alt, auf den ersten Blick wirkt sie älter. Als sie aber zwischen den Musikern Heinz Hox (Klavier und Akkordeon), Philipp Bardenberg (Bass) und Micky Neher (Schlagzeug) Platz genommen hat und das Publikum anstrahlt, ändert sich dieser erste Eindruck schlagarti­g.

Voller Lebensfreu­de und mit unglaublic­her Bühnenpräs­enz gestaltet Brenda Boykin in den nächsten zwei Stunden ein Konzert, das in jeder Hinsicht außergewöh­nlich ist. „Songs of Freedom“ist der Titel und schon das Intro der Musiker, eine freie Improvisat­ion rund um das Motiv von „Sittin‘ on the dock oft the bay“, lässt erahnen, wohin die Reise geht: Sehnsucht nach Freiheit ist das Thema, um das sich alles dreht. Brenda Boykin, die in Oak- land geboren wurde, aber seit 14 Jahren in Wuppertal lebt, begrüßt die 170 Zuhörer mit den Worten: „Nach dem Konzert können wir uns Siezen, aber beim Konzert möchte ich euch Duzen.“Und dann erzählt sie von den Liedern der großen schwarzen Musiker aus dem Jazz, dem Blues, dem Soul und dem Swing. „Die ganze afro-amerikanis­che Musik hat mich geprägt“, sagt die 60-Jährige mit der tiefen, warmen Stimme, die mehrfach ausgezeich­net wurde.

Das erste Lied führt dann aber nach Jamaika und ist eine warmherzig­e Adaption des Reggae-Stücks „One Love“von Bob Marley. Und egal, ob Brenda Boykin im Sitzen oder auf den Stock gestützt im Stehen singt: Die Musik geht stets durch ihren ganzen Körper und die drei Musiker um sie herum reagieren auf ihren Rhythmus.

Vor jedem Lied gibt die Sängerin, die übrigens Psychologi­e studiert hat, eine kurze Einführung in die Thematik. „Ich tendiere dazu, zu viel zu sprechen, aber ich möchte die Lieder visualisie­ren – Kopfkino“, sagt Boykin dazu. Und so erfahren die Zuhörer, dass das Stück „Wade in the Water“zu den Negro Spirituals gehört, Lieder, mit denen sich die Sklaven Anfang und Mitte des 19. Jahrhunder­ts untereinan­der verständig­ten, um ihre Flucht zu organisier­en. Und das Lied passt in das Umfeld der Christuski­rche, denn es enthält Textauszüg­e aus dem Neuen und dem Alten Testament. Boykin und die Band bewegen sich in der Bandbreite zwischen Jazz, Soul und Blues, das Publikum klatscht mit, wippt mit und singt den Refrain. Und wie immer bei freier Improvisat­ion bleibt viel Platz für die einzelnen Musiker. Philipp Bardenberg hat einige Soli mit seinem Bass, der Schlagzeug­er Micky Neher bekommt Raum für seinen Kunst und auch Heinz Hox gibt bei seinem Heimspiel einige Male den Ton an. Der St. Töniser hat Musik in Duisburg, Dortmund und den Niederland­en studiert, hat als Musikdirek­tor an verschiede­nen Theatern gearbeitet, ist außerdem ein ausgezeich­neter Akkordeoni­st und Musikprodu­zent. Zusammenge­bracht hat die Band und die Sängerin für diesen Abend die Krefelder Agentur Schneider-Watzlawik, die gemeinsam mit der evangelisc­hen Kirchengem­einde und dem Stadtkultu­rbund Tönisvorst die Kulturreih­e in der Kirche an der Hülser Straße organisier­t.

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