Rheinische Post Krefeld Kempen
Versorgungslücke bei der Psychotherapie
Der Mangel an Plätzen für Psychotherapie ist seit Jahren bekannt. Umso grotesker ist es, dass nichts geschieht. Nun kann man trefflich darüber streiten, ob in unserer auf Geschwindigkeit getrimmten Leistungsgesellschaft die Gefahr psychischer Erkrankungen gestiegen ist oder ob sich die Menschen aufgrund der Enttabuisierung des Themas eher zu seelischen Leiden bekennen. Die Prävention für diese wachsende Volkskrankheit steckt jedenfalls noch im Anfangsstadium. Auch dieses Feld muss bestellt werden. Zuerst aber müssen mehr Therapieplätze her, um den Erkrankten zu helfen.
Psychische Erkrankungen bedeuten ein hohes Maß an Leid für die Betroffenen. Zugleich richten sie einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden an, wie unter anderem Zahlen zur Erwerbsminderungsrente belegen. Mit mehr Therapieplätzen und kürzeren Wartezeiten könnte die Lebensqualität der Betroffenen erheblich gesteigert werden. Auch die Sozialsysteme würden profitieren. Trotz der offensichtlichen Notwendigkeit ist es bislang nicht gelungen, die Zahl der Therapieplätze entscheidend zu steigern. Die neue Bundesregierung muss im System der Selbstverwaltung härter durchgreifen. BERICHT IN RENTE WEGEN KRANKER SEELE, TITELSEITE
Sheriff Seehofer
Horst Seehofer gilt als unsteter Politiker. Man fragt sich, warum ausgerechnet er Innenminister der Groko wurde. Ein Amt, das einen kühlen und klaren Kopf erfordert. Schließlich sollte der Chef der Sicherheitsbehörden in Stresssituationen umsichtig, hart und konsequent handeln.
Doch Vorsicht. Ganz so unstet ist Seehofer nicht. Er besetzt im Parteienspektrum die Position dessen, der die Sicherheits- und Identitätsbedürfnisse der Bevölkerung ernst nimmt. Man mag über seine Kapriolen bisweilen staunen: Die Aufgabe des konservativen Korrektors hat er stets beibehalten.
Dass er jetzt in der Regierung ist, macht sein Anliegen sogar glaubwürdiger. Denn er muss nun gemeinsam mit der eher liberalen Kanzlerin Angela Merkel zu echten Kompromissen kommen und die bisherige Blockadepolitik aufgeben. Zugleich findet die Debatte nun im Kabinett statt und nicht mehr zwischen Berlin und München – ohne Konsequenz für das Regierungshandeln. Merkel, Seehofer und die SPD werden sich offen streiten. Die Zeit der geräuschlosen Regierung ist vorbei. Und das stimmt hoffnungsvoll. BERICHT
Einig gegen Trump
Die EU hat sich im Handelsstreit mit den USA nicht auseinanderdividieren lassen. Das war die zentrale Voraussetzung für den vorläufigen Erfolg, den die Europäer erzielen konnten. Bis zum 1. Mai bleibt die EU vorerst von US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium verschont, eine gute Nachricht für die heimische Wirtschaft. Doch ungewiss bleibt, was danach passiert. Fünf Wochen Zeit sind zu wenig, um den Streit endgültig zu beenden.
Die EU wird den Amerikanern mit Zollsenkungen entgegenkommen müssen, denn ihre Einfuhrzölle liegen im Schnitt etwas höher als die der USA. Auch hier wird die EU ihre Fähigkeit zur Einigung beweisen müssen: Erleichterungen für US-Importe können einzelne europäische Anbieter verdrängen.
Die Gefahr eines globalen Handelskriegs ist damit aber längst nicht gebannt. Denn Trump nimmt nun China ins Visier, den undurchschaubareren Gegner. Europa kann hier eine Vermittlerrolle zufallen: Es könnte Verständnis für Trumps Kritik an Chinas unfairen Handelspraktiken zeigen, die USA aber zu einer Verhandlungslösung auch mit China überreden. BERICHT