Rheinische Post Krefeld Kempen
Das deutsche Eishockey muss sich ändern
DÜSSELDORF Was waren das für märchenhafte Eishockey-Tage bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Der Verlängerungs-Sieg gegen Schweden nach bangem Warten beim Videobeweis und der Jubel nach der Entscheidung. Das Traumtor beim epischen Halbfinal-Sieg gegen Kanada, als Frank Mauer den Puck durch die eigenen Beine zum spektakulären 3:0 ins kanadische Gehäuse jagte. Die gerade einmal 55,8 Sekunden, die dem Team von Bundestrainer Marco Sturm im Finale gegen Russland zur Goldmedaille fehlten. Die Tränen der Enttäuschung, gefolgt vom Jubel, als die Spieler ihre Silbermedaille umgehängt bekamen – Deutschland: ein Wintermärchen.
Knapp vier Wochen ist das erst her. Doch inzwischen ist der Alltag zurückgekehrt. Dieser Tage laufen die Meisterschafts-Play-offs in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) – und das weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei sind die Voraussetzungen der Sportart eigentlich perfekt. Jeder, der einmal selbst auf dem Eis gestanden hat, berauscht sich an der Mischung aus Tempo, Technik und Körperspiel. Eishockey ist voller Emotionen und vor allem voller Höhepunkte. Ein langweiliges Null-zu-Null ist quasi ausgeschlossen, Spiele mit fünf oder mehr Toren sind die Regel. Weil die Eisfläche nicht so groß ist, sind Zuschauer in den Stadien ganz nah am Geschehen dran.
Dass Eishockey dennoch nur unter „ferner liefen“stattfindet, ist ein teilweise hausgemachtes Problem. Die DEL ist im Vergleich zu den wil- den 90er Jahren ziemlich professionell geworden. Doch es gibt – trotz Lippenbekenntnissen – seit Jahren keinen Auf- und Abstieg und damit eine sportlich entwertete Hauptrunde. Zudem sind die Teams gespickt mit zu vielen ausländischen Spielern, die zu häufig den Verein wechseln. Neun Kontingentspieler dürfen pro Mannschaft pro Spiel auflaufen. Manche Vereine schaffen es indes, selbst diese großzügige Regelung auszuhebeln. Bei der Partie zwischen Iserlohn und Bremerhaven standen in der ersten Play-offRunde ganze fünf (!) in Deutschland
Nach 17 aufeinanderfolgenden Siegen zu Beginn der laufenden Tennis-Saison wurde Roger Federer wieder einmal als der unschlagbare Held der Szene gefeiert. Doch dann kam Juan-Martin del Potro und entzauberte den Tausendsassa aus der Eidgenossenschaft im Endspiel von Indian Wells.
Del Potro hatte seine Sternstunde 2009, als er den Titel bei den US Open gewann. Dann folgten Jahre des Leerlaufs. Eine Handgelenksverletzung mit mehreren komplizierten Operation warf ihn aus der Bahn. Irgendwann war er nicht mehr unter den ersten Tausend der Weltrangliste zu finden. Er dachte schon an Rücktritt.
Doch die Leidenschaft für Tennis war stärker, er kämpfte sich zurück, geborene Spieler auf dem Spielberichtsbogen. Die restlichen „Einheimischen“waren vornehmlich Amerikaner und Kanadier, die von findigen Funktionären kurzerhand eingebürgert wurden.
Es wäre Aufgabe der DEL, derlei Praktiken Einhalt zu gebieten. Doch das sonderbare Konstrukt einer Liga, deren Anteile den mitspielenden Vereinen gehören, tut sich schwer, sich selbst zu regulieren. Vereinsinteressen stehen immer wieder über dem Wohl der Sportart. Dabei führt kein Weg an einer strengen Reduzierung der Ausländerli- zenzen vorbei. Was das für positive Auswirkungen haben kann, hat die Schweiz bewiesen. Dort dürfen pro Team nur zwei Kontingentspieler auflaufen. Inzwischen gehört unser Nachbarstaat dauerhaft zur Weltelite – die Hallen der heimischen Liga sind voll. Und in Deutschland? Hier müssen ab kommender Saison zwei deutsche U23-Spieler auf dem Spielberichtsbogen stehen. Lippenbekenntnisse.
Doch selbst die besten Spieler sind ohne mediale Präsenz wertlos. Als die DEL in den 90er Jahren die Ausfahrt Pay-TV nahm und dafür und seit Monaten knüpft del Potro, mit 1,98 Metern Körpermaß ein Kerl wie ein Baum, wieder an seine vormalige Bestform an. Für die Tennisszene ist er ein Gewinn – nicht nur sportlich, sondern auch als Typ.
Er ist freundlich, zugänglich, ein echter Frauentyp, fürwahr. Aber auch ein Liebling der Reporter, die sich Woche für Woche in aller Welt mit den Eigenheiten störrischer Stars herumplagen müssen. Del Potro ist anders, auf seine Art herzerfrischend. Von ihm ist überliefert, dass er nach einem gewonnenen Match in Flushing Meadows zunächst die offizielle Pressekonferenz brav nach den Regeln der ATP abhielt und, nachdem er die Pflicht erfüllt hatte, die Kür einläutete, indem er seine Landsleute aufforderte: „So, jetzt von Premiere die damals gigantische (und heute utopische) Summe von 20 Millionen Mark kassierte, hat wohl keiner geahnt, was für Auswirkungen der Verlust öffentlich zugänglicher Live-Bilder für die Sportart haben würde.
Denn das Fernsehen erzieht die Zuschauer zu Sportfans. Nicht umgekehrt. In Deutschland existiert eine Fußball-Monokultur, weil im Fernsehen kaum etwas anderes als Fußball läuft. Wie es auch anders funktionieren kann, beweisen die Beispiele Skispringen und Formel 1, die in den vergangenen Jahrzehnten setzt Euch alle mal im Kreis um mich herum, damit wir ein bisschen quatschen können.”
Die Diskussion zog sich über eine Stunde lang in bemerkenswert lockerer Atmosphäre hin. Da saß kein Besserwisser, der sich über die anderen erhob, der vermeintlich über ihnen thronte und die anderen zu sich aufschauen ließ. Da saß ein Kumpel, ein Gesprächspartner auf Augenhöhe, der froh und dankbar war, sich mit den Landsleuten auszutauschen.
Derlei Ausnahmen hat es bisweilen auch schon mal gegeben – aber sehr vereinzelt. John McEnroe beispielsweise entpuppte sich mitunter als charmante Plaudertasche. Desgleichen Andre Agassi und Martina Navratilova. Sie nahmen sich eben- durchaus mal ungemein populär waren. Der Erfolg fußte auf zwei Säulen: erfolgreiche Deutsche (Michael Schumacher, Martin Schmitt) – und professionelle Übertragungen auf RTL, einem Sender mit hohem Marktanteil.
Säule eins, erfolgreiche Deutsche, ist spätestens seit Olympia gegeben. Und in den Interviews nach den Siegen gegen Schweden oder Kanada hat ganz Deutschland zusätzlich feststellen können, wie sympathisch und bodenständig diese Eishockeyspieler im Vergleich zu manchem Fußballern sind. Wäre da nicht das Problem mit der Reichweite im normalen Liga-Betrieb. Die Übertragungen über die Telekom (dort ist jedes einzelne DELSpiel live zu sehen) und Sport1 sind professionell. Leider finden sie in Nischensendern statt. Dass Eishockey durchaus Potenzial hat, zeigte sich am 25. Februar um 5.10 Uhr morgens: 3,19 Millionen Zuschauer schalteten zur Unzeit zum Olympischen Finale ein und bescherten dem ZDF einen Marktanteil von 51,2 Prozent.
Was würde wohl ein DEL-Finalspiel an einem Samstagnachmittag im ZDF mit vornehmlich deutschen Spielern auf dem Eis für Quoten einfahren? Solange sich das Eishockey nicht radikal zur Aufgabe macht, die Silbermedaille durch harte Arbeit zu vergolden, wird das nicht mehr als eine Traumvorstellung bleiben.
ist Sportredakteur bei der Rheinischen Post und spielt seit vielen Jahren selbst Eishockey im Verein. Beim Versuch, ein Tor durch die eigenen Beine zu erzielen, würde er sich jedoch selbige wahrscheinlich brechen.
Del Potro, die Plaudertasche Der Tennisprofi aus Argentinien ist beliebt – bei Fans wie bei Journalisten. Denn anders als viele Kollegen hat del Potro Lust, über Tennis zu reden. Auf Augenhöhe, nicht als Besserwisser.
falls ab und zu die Zeit, stundenlang ihre Gedanken von der Seele reden. So entstand ein unverkrampftes Verhältnis zwischen den beiden Seiten, die doch im gegenseitigen Austausch so stark aufeinander angewiesen sind. Auch die Schweden waren freundliche, angenehme Gesprächspartner – von Björn Borg über Stefan Edberg bis Mats Wilander. Allerdings auf ihre Art – skandinavisch reserviert und jedes Wort wohl abwägend.
Es gibt aber auch die anderen, die übellaunigen Miesepeter – und die sind in der Mehrzahl. Es ist in der Branche halt wie im richtigen Leben. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de